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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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einige griechische Dörfer gleichsam Inseln unter den Slaven. Eine derselben,
die von Stamiako bei Philippopolis. ist etwas größer und besteht aus drei
Ortschaften von ziemlicher Ausdehnung. Ein griechisches Dorf, Alibey. befin¬
det sich in der Dobrudscha. Eine ganz neue Stadt am Ausfluß der Donau,
Sulina. wird größtentheils von griechischen Kaufleuten bewohnt. Das eigent¬
liche Centrum der griechischen Race in der europäischen Türkei ist die chalci-
dische Halbinsel, wo mit Ausnahme der Stadt Nizvoro, die halb türkisch rst,
und des Berges Athos, der zum Theil von Slaven bewohnt wird, nur Griechen
wohnen. In Thessalien sitzen sie bei Weitem nicht so dicht. Die Türken
haben sich dort zwischen Pharsala und dem Meer rü den fruchtbarsten Ebenen
angehäuft, und die Walachen bewohnen mehre Städte, während die west¬
lichen Gebirge ihnen zugleich mit den Skipetaren gehören. In Macedonien
haben die Bulgaren fast Alles in Besitz genommen und die Hellenen nach
und nach gegen das Meer hingedrängt, wo sie sich auf einem schmalen sumpfi¬
gen Saum zwischen Platamona und Kolakia erhalten haben. Vom Strymon
bis zur Maritza bildet die griechische Zone nur einen sehr schmalen, von See¬
leuten und Schiffern bewohnten Streifen, während der Bulgare, vorzugsweise
Ackerbauer, die das Gestade beherrschenden Höhen im Besitz hat. Als Ge-
werbtreibende zeigen sich die Griechen erst wieder jenseit Main, längs der
Maritza bis Adrianopel und im ganzen östlichen Thracien bis an den Bos¬
porus. In Konstantinopel in der Minderzahl, haben sie in den christlichen
Vierteln dieser Stadt die Majorität behauptet und durch ihre compacte Masse
d'e türkischen Einwanderer abgehalten, die weiter ziehen mußten. Die größte
breite des von den Griechen im europäischen Theil des ottomanischen Reichs
angenommenen Gebietes erstreckt sich von Hafsa bei Adrianopel bis nach Kor>
stnntinopel. Weiter nach Norden zu nimmt das griechische Element rasch ab.
und bei Sizeboli nähern sich die bulgarischen Dörfer dem Meer bis auf Flin¬
tenschußweite. Zwischen Burgas und Barna ist die ganze Küste griechisch ge¬
blieben. Dank den Stützpunkten, welche die Städte Ahiolu und Missivriah
diesem Volke boten. Im Innern sind Altos und Karnabat ebenfalls zum
großen Theile griechisch. Auf den Inseln bildet das hellenische Volk die einzige
Einwohnerschaft mit Ausnahme weniger Dörfer und einiger Quartiere in be¬
festigten Städten. Aus Candia herrscht es so vor, daß seine Sprache die ein¬
zige der Insel ist. Seit der Byzantincrzeit nennen sich die Griechen in der
Türkei Römer, d. h. Römer. Der Name Heitere ist nur unter Gebildeten
wieder gebräuchlich geworden und bezieht sich nur auf das Königreich Griechen¬
land. Bon den Türken werden sie Rumler. von den Slaven Reki genannt.
Ihre Sprache ist das Romaila oder Neugriechisch, gemischt mit vielen tür¬
kischen und italienischen Wörtern. Das Altgriechische oder Aplo-Hellinika wird 4n
den Schulen gelehrt und mehr geschrieben als gesprochen. Die Zahl der Hel-


Grcnzbotm II. 1L61. 15

einige griechische Dörfer gleichsam Inseln unter den Slaven. Eine derselben,
die von Stamiako bei Philippopolis. ist etwas größer und besteht aus drei
Ortschaften von ziemlicher Ausdehnung. Ein griechisches Dorf, Alibey. befin¬
det sich in der Dobrudscha. Eine ganz neue Stadt am Ausfluß der Donau,
Sulina. wird größtentheils von griechischen Kaufleuten bewohnt. Das eigent¬
liche Centrum der griechischen Race in der europäischen Türkei ist die chalci-
dische Halbinsel, wo mit Ausnahme der Stadt Nizvoro, die halb türkisch rst,
und des Berges Athos, der zum Theil von Slaven bewohnt wird, nur Griechen
wohnen. In Thessalien sitzen sie bei Weitem nicht so dicht. Die Türken
haben sich dort zwischen Pharsala und dem Meer rü den fruchtbarsten Ebenen
angehäuft, und die Walachen bewohnen mehre Städte, während die west¬
lichen Gebirge ihnen zugleich mit den Skipetaren gehören. In Macedonien
haben die Bulgaren fast Alles in Besitz genommen und die Hellenen nach
und nach gegen das Meer hingedrängt, wo sie sich auf einem schmalen sumpfi¬
gen Saum zwischen Platamona und Kolakia erhalten haben. Vom Strymon
bis zur Maritza bildet die griechische Zone nur einen sehr schmalen, von See¬
leuten und Schiffern bewohnten Streifen, während der Bulgare, vorzugsweise
Ackerbauer, die das Gestade beherrschenden Höhen im Besitz hat. Als Ge-
werbtreibende zeigen sich die Griechen erst wieder jenseit Main, längs der
Maritza bis Adrianopel und im ganzen östlichen Thracien bis an den Bos¬
porus. In Konstantinopel in der Minderzahl, haben sie in den christlichen
Vierteln dieser Stadt die Majorität behauptet und durch ihre compacte Masse
d'e türkischen Einwanderer abgehalten, die weiter ziehen mußten. Die größte
breite des von den Griechen im europäischen Theil des ottomanischen Reichs
angenommenen Gebietes erstreckt sich von Hafsa bei Adrianopel bis nach Kor>
stnntinopel. Weiter nach Norden zu nimmt das griechische Element rasch ab.
und bei Sizeboli nähern sich die bulgarischen Dörfer dem Meer bis auf Flin¬
tenschußweite. Zwischen Burgas und Barna ist die ganze Küste griechisch ge¬
blieben. Dank den Stützpunkten, welche die Städte Ahiolu und Missivriah
diesem Volke boten. Im Innern sind Altos und Karnabat ebenfalls zum
großen Theile griechisch. Auf den Inseln bildet das hellenische Volk die einzige
Einwohnerschaft mit Ausnahme weniger Dörfer und einiger Quartiere in be¬
festigten Städten. Aus Candia herrscht es so vor, daß seine Sprache die ein¬
zige der Insel ist. Seit der Byzantincrzeit nennen sich die Griechen in der
Türkei Römer, d. h. Römer. Der Name Heitere ist nur unter Gebildeten
wieder gebräuchlich geworden und bezieht sich nur auf das Königreich Griechen¬
land. Bon den Türken werden sie Rumler. von den Slaven Reki genannt.
Ihre Sprache ist das Romaila oder Neugriechisch, gemischt mit vielen tür¬
kischen und italienischen Wörtern. Das Altgriechische oder Aplo-Hellinika wird 4n
den Schulen gelehrt und mehr geschrieben als gesprochen. Die Zahl der Hel-


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[0123] einige griechische Dörfer gleichsam Inseln unter den Slaven. Eine derselben, die von Stamiako bei Philippopolis. ist etwas größer und besteht aus drei Ortschaften von ziemlicher Ausdehnung. Ein griechisches Dorf, Alibey. befin¬ det sich in der Dobrudscha. Eine ganz neue Stadt am Ausfluß der Donau, Sulina. wird größtentheils von griechischen Kaufleuten bewohnt. Das eigent¬ liche Centrum der griechischen Race in der europäischen Türkei ist die chalci- dische Halbinsel, wo mit Ausnahme der Stadt Nizvoro, die halb türkisch rst, und des Berges Athos, der zum Theil von Slaven bewohnt wird, nur Griechen wohnen. In Thessalien sitzen sie bei Weitem nicht so dicht. Die Türken haben sich dort zwischen Pharsala und dem Meer rü den fruchtbarsten Ebenen angehäuft, und die Walachen bewohnen mehre Städte, während die west¬ lichen Gebirge ihnen zugleich mit den Skipetaren gehören. In Macedonien haben die Bulgaren fast Alles in Besitz genommen und die Hellenen nach und nach gegen das Meer hingedrängt, wo sie sich auf einem schmalen sumpfi¬ gen Saum zwischen Platamona und Kolakia erhalten haben. Vom Strymon bis zur Maritza bildet die griechische Zone nur einen sehr schmalen, von See¬ leuten und Schiffern bewohnten Streifen, während der Bulgare, vorzugsweise Ackerbauer, die das Gestade beherrschenden Höhen im Besitz hat. Als Ge- werbtreibende zeigen sich die Griechen erst wieder jenseit Main, längs der Maritza bis Adrianopel und im ganzen östlichen Thracien bis an den Bos¬ porus. In Konstantinopel in der Minderzahl, haben sie in den christlichen Vierteln dieser Stadt die Majorität behauptet und durch ihre compacte Masse d'e türkischen Einwanderer abgehalten, die weiter ziehen mußten. Die größte breite des von den Griechen im europäischen Theil des ottomanischen Reichs angenommenen Gebietes erstreckt sich von Hafsa bei Adrianopel bis nach Kor> stnntinopel. Weiter nach Norden zu nimmt das griechische Element rasch ab. und bei Sizeboli nähern sich die bulgarischen Dörfer dem Meer bis auf Flin¬ tenschußweite. Zwischen Burgas und Barna ist die ganze Küste griechisch ge¬ blieben. Dank den Stützpunkten, welche die Städte Ahiolu und Missivriah diesem Volke boten. Im Innern sind Altos und Karnabat ebenfalls zum großen Theile griechisch. Auf den Inseln bildet das hellenische Volk die einzige Einwohnerschaft mit Ausnahme weniger Dörfer und einiger Quartiere in be¬ festigten Städten. Aus Candia herrscht es so vor, daß seine Sprache die ein¬ zige der Insel ist. Seit der Byzantincrzeit nennen sich die Griechen in der Türkei Römer, d. h. Römer. Der Name Heitere ist nur unter Gebildeten wieder gebräuchlich geworden und bezieht sich nur auf das Königreich Griechen¬ land. Bon den Türken werden sie Rumler. von den Slaven Reki genannt. Ihre Sprache ist das Romaila oder Neugriechisch, gemischt mit vielen tür¬ kischen und italienischen Wörtern. Das Altgriechische oder Aplo-Hellinika wird 4n den Schulen gelehrt und mehr geschrieben als gesprochen. Die Zahl der Hel- Grcnzbotm II. 1L61. 15

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/123>, abgerufen am 27.09.2024.