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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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rischcn Halbinsel, soweit sse der Pforte gehört, zerfallen in sechs Hauptstämme!
Türken, Griechen, Rumänen. Bulgaren, Stlpctnren oder Albaner und Serben.
Ein Blick auf die der Lcjean'schen Abhandlung beigegebene Karte zeigt,
daß der türkische Stamm nur im äußerste,! Osten des genannten Gebietes eine
ausgedehnte Strecke Landes ausschließlich bewohnt, daß die Griechen sümmi-
liche Inseln des ügäischcn und des Mcirmorameeres. sowie den größten Theil
der Küsten dieser Gewässer und ein Stück der Küste des Schwarzen Meeres
innehaben, daß ferner die Rumänen fast den ganzen Nordosten, die Serben
den ganzen Nordwesten, die Stipetaren einen breiten Streifen im Südwesten
und die Bulgaren dje Landesmitte bis tief nach Süden und weit nach Osten
hin einnehmen.

Die Besiedelung der Halbinsel durch die einwandernden Türken war
nach Methode und Erfolg verschieden. Man häufte sich in den fruchtbar¬
sten Ebenen und an strategisch wichtigen Punkten an. In Thessalien besetzten
Osmanlis die Ebene bei Pharsala inmitten einer dichten griechischen Bevölke¬
rung. In Albanien und Epirus, wo ein Theil der einheimischen Bevölkerung
zum Islam übertrat, während ein anderer Theil in den Gebirgen seine Selbst-
ständigkeit behauptete, ließen sich die Türken nur in einigen Städten nieder;
ebenso in Bosnien und der Herzegowina, wo die Aristokratie den Islam an¬
nahm. In Bulgarien bekehrte sich ein Theil der Bevölkerung aus Gründen
des Eigennutzes, wie dies seine jetzige Lauheit hinreichend bezeugt; dies sind
die Pomaken. Im östlichen Bulgarien aber, wo Religion und Sprache der
Eroberer zugleich eindrangen, wurde das bulgarische Element Vermaßen er-
Ichüttert, daß es unmöglich ist, die angesiedelten Osmanli von den zum Islam
übergetretenen Bulgaren zu unterscheiden. Auch die Dobrudscha besitzt tür-
k>!che Kolonien in dem Thal von Babadagh, den Umgebungen von Hirsowa
und an einigen isolirten Punkten. In den rumänischen Fürstenthümern zu
wohnen, war den Türken durch besondere Verträge verwehrt, indeß hat sich
durch die Nachsicht der Behörden zu Piatra in der oberen Moldau eine Co-
lonie von etwa 150 Türken gebildet, die hier als Holzhändler leben und sich
durch friedlichen Sinn und Rechtschaffenheit auszeichnen. In Serbien woh¬
ne" jetzt nur noch in den Festungen Osmanlis, während sie bis auf die Re¬
volution des Schwarzen Georg sich auch auf dem platten sich Lande zahlreich ver¬
breitet hatten und im Besitz wichtiger Borrechte waren. In Macedonien wohnt,
hauptsächlich um Kvschani und nordöstlich von Salonik, ein besonderer tür-
k'leder Stamm, die sogenannten Komariden, die ihr.er Lebensweise nach ein
Hirtenvolk sind, Zwischen den Grenzen der griechischen und bulgarischen Race
haben sich die Osmanli am Rhodope (Dospat) über einen bedeutenden Raum
ausgebreitet, dagegen verschwinden sie in der dichten Masse der Griechen, je
mehr man sich Stambul nähert. In der Umgebung der Hauptstadt und an


rischcn Halbinsel, soweit sse der Pforte gehört, zerfallen in sechs Hauptstämme!
Türken, Griechen, Rumänen. Bulgaren, Stlpctnren oder Albaner und Serben.
Ein Blick auf die der Lcjean'schen Abhandlung beigegebene Karte zeigt,
daß der türkische Stamm nur im äußerste,! Osten des genannten Gebietes eine
ausgedehnte Strecke Landes ausschließlich bewohnt, daß die Griechen sümmi-
liche Inseln des ügäischcn und des Mcirmorameeres. sowie den größten Theil
der Küsten dieser Gewässer und ein Stück der Küste des Schwarzen Meeres
innehaben, daß ferner die Rumänen fast den ganzen Nordosten, die Serben
den ganzen Nordwesten, die Stipetaren einen breiten Streifen im Südwesten
und die Bulgaren dje Landesmitte bis tief nach Süden und weit nach Osten
hin einnehmen.

Die Besiedelung der Halbinsel durch die einwandernden Türken war
nach Methode und Erfolg verschieden. Man häufte sich in den fruchtbar¬
sten Ebenen und an strategisch wichtigen Punkten an. In Thessalien besetzten
Osmanlis die Ebene bei Pharsala inmitten einer dichten griechischen Bevölke¬
rung. In Albanien und Epirus, wo ein Theil der einheimischen Bevölkerung
zum Islam übertrat, während ein anderer Theil in den Gebirgen seine Selbst-
ständigkeit behauptete, ließen sich die Türken nur in einigen Städten nieder;
ebenso in Bosnien und der Herzegowina, wo die Aristokratie den Islam an¬
nahm. In Bulgarien bekehrte sich ein Theil der Bevölkerung aus Gründen
des Eigennutzes, wie dies seine jetzige Lauheit hinreichend bezeugt; dies sind
die Pomaken. Im östlichen Bulgarien aber, wo Religion und Sprache der
Eroberer zugleich eindrangen, wurde das bulgarische Element Vermaßen er-
Ichüttert, daß es unmöglich ist, die angesiedelten Osmanli von den zum Islam
übergetretenen Bulgaren zu unterscheiden. Auch die Dobrudscha besitzt tür-
k>!che Kolonien in dem Thal von Babadagh, den Umgebungen von Hirsowa
und an einigen isolirten Punkten. In den rumänischen Fürstenthümern zu
wohnen, war den Türken durch besondere Verträge verwehrt, indeß hat sich
durch die Nachsicht der Behörden zu Piatra in der oberen Moldau eine Co-
lonie von etwa 150 Türken gebildet, die hier als Holzhändler leben und sich
durch friedlichen Sinn und Rechtschaffenheit auszeichnen. In Serbien woh¬
ne» jetzt nur noch in den Festungen Osmanlis, während sie bis auf die Re¬
volution des Schwarzen Georg sich auch auf dem platten sich Lande zahlreich ver¬
breitet hatten und im Besitz wichtiger Borrechte waren. In Macedonien wohnt,
hauptsächlich um Kvschani und nordöstlich von Salonik, ein besonderer tür-
k'leder Stamm, die sogenannten Komariden, die ihr.er Lebensweise nach ein
Hirtenvolk sind, Zwischen den Grenzen der griechischen und bulgarischen Race
haben sich die Osmanli am Rhodope (Dospat) über einen bedeutenden Raum
ausgebreitet, dagegen verschwinden sie in der dichten Masse der Griechen, je
mehr man sich Stambul nähert. In der Umgebung der Hauptstadt und an


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[0121] rischcn Halbinsel, soweit sse der Pforte gehört, zerfallen in sechs Hauptstämme! Türken, Griechen, Rumänen. Bulgaren, Stlpctnren oder Albaner und Serben. Ein Blick auf die der Lcjean'schen Abhandlung beigegebene Karte zeigt, daß der türkische Stamm nur im äußerste,! Osten des genannten Gebietes eine ausgedehnte Strecke Landes ausschließlich bewohnt, daß die Griechen sümmi- liche Inseln des ügäischcn und des Mcirmorameeres. sowie den größten Theil der Küsten dieser Gewässer und ein Stück der Küste des Schwarzen Meeres innehaben, daß ferner die Rumänen fast den ganzen Nordosten, die Serben den ganzen Nordwesten, die Stipetaren einen breiten Streifen im Südwesten und die Bulgaren dje Landesmitte bis tief nach Süden und weit nach Osten hin einnehmen. Die Besiedelung der Halbinsel durch die einwandernden Türken war nach Methode und Erfolg verschieden. Man häufte sich in den fruchtbar¬ sten Ebenen und an strategisch wichtigen Punkten an. In Thessalien besetzten Osmanlis die Ebene bei Pharsala inmitten einer dichten griechischen Bevölke¬ rung. In Albanien und Epirus, wo ein Theil der einheimischen Bevölkerung zum Islam übertrat, während ein anderer Theil in den Gebirgen seine Selbst- ständigkeit behauptete, ließen sich die Türken nur in einigen Städten nieder; ebenso in Bosnien und der Herzegowina, wo die Aristokratie den Islam an¬ nahm. In Bulgarien bekehrte sich ein Theil der Bevölkerung aus Gründen des Eigennutzes, wie dies seine jetzige Lauheit hinreichend bezeugt; dies sind die Pomaken. Im östlichen Bulgarien aber, wo Religion und Sprache der Eroberer zugleich eindrangen, wurde das bulgarische Element Vermaßen er- Ichüttert, daß es unmöglich ist, die angesiedelten Osmanli von den zum Islam übergetretenen Bulgaren zu unterscheiden. Auch die Dobrudscha besitzt tür- k>!che Kolonien in dem Thal von Babadagh, den Umgebungen von Hirsowa und an einigen isolirten Punkten. In den rumänischen Fürstenthümern zu wohnen, war den Türken durch besondere Verträge verwehrt, indeß hat sich durch die Nachsicht der Behörden zu Piatra in der oberen Moldau eine Co- lonie von etwa 150 Türken gebildet, die hier als Holzhändler leben und sich durch friedlichen Sinn und Rechtschaffenheit auszeichnen. In Serbien woh¬ ne» jetzt nur noch in den Festungen Osmanlis, während sie bis auf die Re¬ volution des Schwarzen Georg sich auch auf dem platten sich Lande zahlreich ver¬ breitet hatten und im Besitz wichtiger Borrechte waren. In Macedonien wohnt, hauptsächlich um Kvschani und nordöstlich von Salonik, ein besonderer tür- k'leder Stamm, die sogenannten Komariden, die ihr.er Lebensweise nach ein Hirtenvolk sind, Zwischen den Grenzen der griechischen und bulgarischen Race haben sich die Osmanli am Rhodope (Dospat) über einen bedeutenden Raum ausgebreitet, dagegen verschwinden sie in der dichten Masse der Griechen, je mehr man sich Stambul nähert. In der Umgebung der Hauptstadt und an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/121>, abgerufen am 27.09.2024.