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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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der mit Lug und Trug und bezahlter Fremdhülfe nur seine eigne unabhängige
Existenz erringen konnte! Italien ist nur der Satellit, der willenlose Partei¬
gänger des eroberungssüchtigen, unfreien, unsittlichen Frankreichs; wir könnten
möglicherweise mit dem wirklich freien Italien über Venetien transigiren: mit
dem Vasallen des Räubers von Savoyen, Nizza und Corsika -- nie!! Wer ist
in dem Streite im Recht. -- Oestreich oder Italien, mein oder Dein Vaterland?

Und es steht geschrieben, daß der ungerechte Streiter im Streite um¬
kommen werde! Josef Garibaldi!

Hüte dich, der Handlanger Napoleon des Dritten zu werden!

Höre einen billigen Vorschlag!

Schließe jetzt nicht Friede mit uns; das könntest Du ehrlicherweise, das
könnten wir mit unserm Biedersinn nicht thun: scheue aber provocirtes Blut¬
vergießen; gewähre uns Waffenstillstand, nur auf die kurze Zeitspanne von
zwei Jahren!

Vor Ablauf der Frist wird Oestreich sich innerlich "vollkommen freiheitlich"
reconstituirt haben!

Ob Venetien zwei Jahre lang noch hüben oder drüben heimisch ist, fällt
nicht zu schwer in die Wagschale der Weltgeschicke!

Dann, nach zwei Jahren, würde das östreichische Parlament, im Verein
mit dem italischen Parlament, eine souveräne Commission, den ersten Völker-
congreß ernennen.

Der kann einzig und allein die unglückselige venetianische Frage zum
wahren Heile zweier großer, dringend aneinander gewiesener Nachbarvölker
dauernd lösen!

Oestreich verzichtet an dem Tag gern auf Venetien, an dem es. durch
diese Verzichtleistung, für sein Dalmatien, Jstrien, Triest, und Wallisch-
Tyrol nicht mehr zu fürchten braucht!

Oestreich deckt auch dann dem wirklich freien Italien brüderlich den
Rücken, wenn dieses von dem falschen Frankreich das verkaufte Savoyen.
Nizza und Corsika wieder zurückfordern wird! Oestreich verlangt dann, als
einzige Gegenleistung, von seinem italischen Brudervolke, daß dieses Deutsch¬
land nicht hindere, wenn letzteres seinerseits von Frankreich seine alte und
rechtmäßige Vogesengrenze begehren wird!

Oestreich, Deutschland (unter'Preußen) und Italien in engem Freundschafts¬
bunde vereinigt, werden das tausendjährige Reich des ungestörten Friedens
eröffnen! Josef Garibaldi! edelster Vertreter Italiens, prüfe meinen Vorschlag,
und entscheide Dich!!!"--

Wir theilen noch ein zweites Sendschreiben mit; weniger gemüthlich
und naiv, aber doch auch ein Zeichen, wie heftig das Perpendikel nach zwei


der mit Lug und Trug und bezahlter Fremdhülfe nur seine eigne unabhängige
Existenz erringen konnte! Italien ist nur der Satellit, der willenlose Partei¬
gänger des eroberungssüchtigen, unfreien, unsittlichen Frankreichs; wir könnten
möglicherweise mit dem wirklich freien Italien über Venetien transigiren: mit
dem Vasallen des Räubers von Savoyen, Nizza und Corsika — nie!! Wer ist
in dem Streite im Recht. — Oestreich oder Italien, mein oder Dein Vaterland?

Und es steht geschrieben, daß der ungerechte Streiter im Streite um¬
kommen werde! Josef Garibaldi!

Hüte dich, der Handlanger Napoleon des Dritten zu werden!

Höre einen billigen Vorschlag!

Schließe jetzt nicht Friede mit uns; das könntest Du ehrlicherweise, das
könnten wir mit unserm Biedersinn nicht thun: scheue aber provocirtes Blut¬
vergießen; gewähre uns Waffenstillstand, nur auf die kurze Zeitspanne von
zwei Jahren!

Vor Ablauf der Frist wird Oestreich sich innerlich „vollkommen freiheitlich"
reconstituirt haben!

Ob Venetien zwei Jahre lang noch hüben oder drüben heimisch ist, fällt
nicht zu schwer in die Wagschale der Weltgeschicke!

Dann, nach zwei Jahren, würde das östreichische Parlament, im Verein
mit dem italischen Parlament, eine souveräne Commission, den ersten Völker-
congreß ernennen.

Der kann einzig und allein die unglückselige venetianische Frage zum
wahren Heile zweier großer, dringend aneinander gewiesener Nachbarvölker
dauernd lösen!

Oestreich verzichtet an dem Tag gern auf Venetien, an dem es. durch
diese Verzichtleistung, für sein Dalmatien, Jstrien, Triest, und Wallisch-
Tyrol nicht mehr zu fürchten braucht!

Oestreich deckt auch dann dem wirklich freien Italien brüderlich den
Rücken, wenn dieses von dem falschen Frankreich das verkaufte Savoyen.
Nizza und Corsika wieder zurückfordern wird! Oestreich verlangt dann, als
einzige Gegenleistung, von seinem italischen Brudervolke, daß dieses Deutsch¬
land nicht hindere, wenn letzteres seinerseits von Frankreich seine alte und
rechtmäßige Vogesengrenze begehren wird!

Oestreich, Deutschland (unter'Preußen) und Italien in engem Freundschafts¬
bunde vereinigt, werden das tausendjährige Reich des ungestörten Friedens
eröffnen! Josef Garibaldi! edelster Vertreter Italiens, prüfe meinen Vorschlag,
und entscheide Dich!!!"--

Wir theilen noch ein zweites Sendschreiben mit; weniger gemüthlich
und naiv, aber doch auch ein Zeichen, wie heftig das Perpendikel nach zwei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/111>, abgerufen am 02.07.2024.