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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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und Ungarn zu insmgiren, und Venedig im Rücken nehmen zu können!
Möglich, daß diese Nachricht sich als irrig erweisen werde; wahrscheinlich ist
Dein Brüten über derlei Pläne; denn Dein Herz schlägt warm für das schöne
Italien, und Du wendest Deinen scharfen Geist und starken Arm mit Fleiß
an, damit es frei werde von aller Fremdherrschaft!!

Das ist auch gut von Deinem Standpunkt aus; aber gehen Deine Pläne
nicht weiter, als Venedig von Oestreich zu befreien? Sinnest Du nicht darauf,
mein ganzes Vaterland von Grunde aus zu zerstören? Aber was dann, wenn
Dir Deine Pläne gelingen möchten, wenn Oestreich wirklich in Trümmer
ginge?

Du wollest "aus Dankbarkeit" auch Ungarn befreien?
Was heißt "Ungarn befreien"?

Beherberget Ungarn eine homogene Nation, materiell und geistig stark
genug, um für sich allein bestehen zu können?

Braucht Ungarn nicht die Slovaken, Kroaten, Serben, Rumänen als
Stichen seines Seins??'

Und sind diesseits der Lcitha bis zum Jnn die Nationen nicht auch so
bunt durcheinander gewürfelt (Deutsche. Czechen, Mähren, Hannaken, Wenden,
Illyrer. Wälsche), daß vernünftiger- und billigerweise, hier so wenig, wie jen¬
seits der Leitha Eine Nation oder Ein Stamm für sich allein herrschen und
existiren könne? Ist Oestreich demnach nicht eine so sichere Nothwendigkeit,
daß alle diese genannten Völker fich's von Neuem schaffen und gründen
müßten, wenn es möglich wäre, daß Du es zerstörtest??? Dein Plan, mein
Vaterland an seinem Lebensnerv in Ungarn zu treffen, ist daher nicht gut,
nicht weise, Deiner nicht würdig!

Beschränke Deine hohe Lebensaufgabe auf die Befreiung Deines eignen
Vaterlandes!

Bleibe uns der große Feind in Südwesten; in unserm Südosten würde
Dein Genius von Dir weichen!

Du müßtest dort nutzlos Ströme Blutes vergießen, der Mörder von
Tausenden und Abertausenden werden, die, um ihres verfrühten Todes willen,
Dich allein anklagen würden vor Gottes Richterstuhl. Mein Held, bleibe in
Italien, und ziehe nicht in die Donauländer!

Und ist es denn nothwendig, daß wir Oestreicher und Italiener, selbst
um Venetiens willen, Todfeinde bleiben?

Italien sagt mit Fug und Recht: Venetien sei gut italisch, gehöre zu
Italien!

. Oestreich erwiedert: Wir steifen uns nicht aus unser formelles Recht, kraft
dessen wir Venetien besitzen; aber mit dieser Provinz würden wir unsere.einzig
sichere Südwestgrenze verlieren, das Herz unseres Landes einem Feinde preisgeben,


und Ungarn zu insmgiren, und Venedig im Rücken nehmen zu können!
Möglich, daß diese Nachricht sich als irrig erweisen werde; wahrscheinlich ist
Dein Brüten über derlei Pläne; denn Dein Herz schlägt warm für das schöne
Italien, und Du wendest Deinen scharfen Geist und starken Arm mit Fleiß
an, damit es frei werde von aller Fremdherrschaft!!

Das ist auch gut von Deinem Standpunkt aus; aber gehen Deine Pläne
nicht weiter, als Venedig von Oestreich zu befreien? Sinnest Du nicht darauf,
mein ganzes Vaterland von Grunde aus zu zerstören? Aber was dann, wenn
Dir Deine Pläne gelingen möchten, wenn Oestreich wirklich in Trümmer
ginge?

Du wollest „aus Dankbarkeit" auch Ungarn befreien?
Was heißt „Ungarn befreien"?

Beherberget Ungarn eine homogene Nation, materiell und geistig stark
genug, um für sich allein bestehen zu können?

Braucht Ungarn nicht die Slovaken, Kroaten, Serben, Rumänen als
Stichen seines Seins??'

Und sind diesseits der Lcitha bis zum Jnn die Nationen nicht auch so
bunt durcheinander gewürfelt (Deutsche. Czechen, Mähren, Hannaken, Wenden,
Illyrer. Wälsche), daß vernünftiger- und billigerweise, hier so wenig, wie jen¬
seits der Leitha Eine Nation oder Ein Stamm für sich allein herrschen und
existiren könne? Ist Oestreich demnach nicht eine so sichere Nothwendigkeit,
daß alle diese genannten Völker fich's von Neuem schaffen und gründen
müßten, wenn es möglich wäre, daß Du es zerstörtest??? Dein Plan, mein
Vaterland an seinem Lebensnerv in Ungarn zu treffen, ist daher nicht gut,
nicht weise, Deiner nicht würdig!

Beschränke Deine hohe Lebensaufgabe auf die Befreiung Deines eignen
Vaterlandes!

Bleibe uns der große Feind in Südwesten; in unserm Südosten würde
Dein Genius von Dir weichen!

Du müßtest dort nutzlos Ströme Blutes vergießen, der Mörder von
Tausenden und Abertausenden werden, die, um ihres verfrühten Todes willen,
Dich allein anklagen würden vor Gottes Richterstuhl. Mein Held, bleibe in
Italien, und ziehe nicht in die Donauländer!

Und ist es denn nothwendig, daß wir Oestreicher und Italiener, selbst
um Venetiens willen, Todfeinde bleiben?

Italien sagt mit Fug und Recht: Venetien sei gut italisch, gehöre zu
Italien!

. Oestreich erwiedert: Wir steifen uns nicht aus unser formelles Recht, kraft
dessen wir Venetien besitzen; aber mit dieser Provinz würden wir unsere.einzig
sichere Südwestgrenze verlieren, das Herz unseres Landes einem Feinde preisgeben,


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[0110] und Ungarn zu insmgiren, und Venedig im Rücken nehmen zu können! Möglich, daß diese Nachricht sich als irrig erweisen werde; wahrscheinlich ist Dein Brüten über derlei Pläne; denn Dein Herz schlägt warm für das schöne Italien, und Du wendest Deinen scharfen Geist und starken Arm mit Fleiß an, damit es frei werde von aller Fremdherrschaft!! Das ist auch gut von Deinem Standpunkt aus; aber gehen Deine Pläne nicht weiter, als Venedig von Oestreich zu befreien? Sinnest Du nicht darauf, mein ganzes Vaterland von Grunde aus zu zerstören? Aber was dann, wenn Dir Deine Pläne gelingen möchten, wenn Oestreich wirklich in Trümmer ginge? Du wollest „aus Dankbarkeit" auch Ungarn befreien? Was heißt „Ungarn befreien"? Beherberget Ungarn eine homogene Nation, materiell und geistig stark genug, um für sich allein bestehen zu können? Braucht Ungarn nicht die Slovaken, Kroaten, Serben, Rumänen als Stichen seines Seins??' Und sind diesseits der Lcitha bis zum Jnn die Nationen nicht auch so bunt durcheinander gewürfelt (Deutsche. Czechen, Mähren, Hannaken, Wenden, Illyrer. Wälsche), daß vernünftiger- und billigerweise, hier so wenig, wie jen¬ seits der Leitha Eine Nation oder Ein Stamm für sich allein herrschen und existiren könne? Ist Oestreich demnach nicht eine so sichere Nothwendigkeit, daß alle diese genannten Völker fich's von Neuem schaffen und gründen müßten, wenn es möglich wäre, daß Du es zerstörtest??? Dein Plan, mein Vaterland an seinem Lebensnerv in Ungarn zu treffen, ist daher nicht gut, nicht weise, Deiner nicht würdig! Beschränke Deine hohe Lebensaufgabe auf die Befreiung Deines eignen Vaterlandes! Bleibe uns der große Feind in Südwesten; in unserm Südosten würde Dein Genius von Dir weichen! Du müßtest dort nutzlos Ströme Blutes vergießen, der Mörder von Tausenden und Abertausenden werden, die, um ihres verfrühten Todes willen, Dich allein anklagen würden vor Gottes Richterstuhl. Mein Held, bleibe in Italien, und ziehe nicht in die Donauländer! Und ist es denn nothwendig, daß wir Oestreicher und Italiener, selbst um Venetiens willen, Todfeinde bleiben? Italien sagt mit Fug und Recht: Venetien sei gut italisch, gehöre zu Italien! . Oestreich erwiedert: Wir steifen uns nicht aus unser formelles Recht, kraft dessen wir Venetien besitzen; aber mit dieser Provinz würden wir unsere.einzig sichere Südwestgrenze verlieren, das Herz unseres Landes einem Feinde preisgeben,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/110>, abgerufen am 01.07.2024.