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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Aufgabe des Landtags sei. diesen Uebelständen abzuhelfen und bereits tauchen
Borschlüge auf. wie dieses möglich sei; denn die Liebe zur Heimat ist in den Tirolern
noch nicht erloschen und ebensowenig der Stolz auf die alten Erinnerungen,
denen zufolge die Jungen nicht schlechter sein wollen als die Alten. Am meisten
Aussicht auf Erfolg hat der Vorschlag des Landrathes Straßer. welcher eine
innige Verschmelzung des Schießstandswesens mit der Zuzugspflicht und der
Stellung des tiroler Kaiserjägerregimentes verlangt. Er fordert, daß alle
achtzehnjährigen Jünglinge auf den Schiebstätten immatriculirt werden und
so die nöthige Fertigkeit im Gebrauch der Waffen erlangen. Aus diesen soll
dann mittelst Loosung das Contingent für das Jägerregiment ergänzt wer¬
den. Doch sei dieses auf das Doppelte des bisherigen Bestandes zu bringen,
dafür solle der active Dienst der Kaiserjäger auf die Hälfte, nämlich auf vier
Jahre herabgesetzt werden, jedoch mit der Verpflichtung, daß die Austrctenden
durch weitere vier Jahre zum ersten Aufgebot der Landesschützen mit einer
Dienstdauer von 100 Tagen sich zu stellen haben. Dieser Antrag verdient
gewiß allseitige Unterstützung, doch wird sich auch hier das durch die letzten
Jahre nur zu gerechtfertigte Mißtrauen in die Regierung geltend machen, daß
sie am Ende trotz aller Gesetze und Verfügungen des Landtags die Entlassener
als Reserve betrachte und darüber nach dem Belieben irgend eines Herrn Gene,
rath verfüge. Zu bedenken ist nur noch die dringende Gefahr: über eine
Angelegenheit, die schon entschieden sein soll, muß erst debattirt werden, schon
jetzt steht Hannibal ante poitas und bis der erste Schutz ausrückt, kann sich
Garibaldi ganz bequem in der für einen Angriff aus dem Norden unbe-
zwinglichen Stellung bei Trient niedergelassen und den Dos treue in eine Fe-
stung verwandelt haben. So begegnen wir überall d'er RathlosigM. weil
eine brutale Reaction Jeden, der Rath geben konnte und wollte, auf den Mund
schlug. Jetzt bringen die Wahlen zum Landtage Alles in Aufregung, die
viel geringer sein würde, wenn nicht die Pfaffen von allen Seiten zutappten.
und anstatt der Messe sich um weltliche Allotria kümmerten. Für sie ist die.
Ausschließung der Protestanten aus Tirol ein Dogma und Jeder, der nicht
daran glaubt und dafür handelt, ein Freimaurer und Radicaler. Es verdient
als ein Curiosum des Jahres 1861 erwähnt zu werden, daß gegenwärtig,
wo selbst das ultramontane Italien die Gleichberechtigung der Confessionen her¬
stellt, in dem katholischen Vereine eines deutscheu Landes, obwol der Artikel
XVI der Bundesacte nahezu seit fünfzig Jahren besteht, der Antrag gestellt
werden durfte und angenommen wurde, an den Landtag eine Petition zu rieb"
ten, es möge auch jetzt noch die Ausschließung der Protestanten aufrecht er¬
halten bleiben. Das Interesse an dieser Frage ist ein rein klerikales; die
geistlichen Herren reden zwar viel vom Seelenheil ihrer Schäflein. sie mei-


Grenzboten II, 1361. ^

Aufgabe des Landtags sei. diesen Uebelständen abzuhelfen und bereits tauchen
Borschlüge auf. wie dieses möglich sei; denn die Liebe zur Heimat ist in den Tirolern
noch nicht erloschen und ebensowenig der Stolz auf die alten Erinnerungen,
denen zufolge die Jungen nicht schlechter sein wollen als die Alten. Am meisten
Aussicht auf Erfolg hat der Vorschlag des Landrathes Straßer. welcher eine
innige Verschmelzung des Schießstandswesens mit der Zuzugspflicht und der
Stellung des tiroler Kaiserjägerregimentes verlangt. Er fordert, daß alle
achtzehnjährigen Jünglinge auf den Schiebstätten immatriculirt werden und
so die nöthige Fertigkeit im Gebrauch der Waffen erlangen. Aus diesen soll
dann mittelst Loosung das Contingent für das Jägerregiment ergänzt wer¬
den. Doch sei dieses auf das Doppelte des bisherigen Bestandes zu bringen,
dafür solle der active Dienst der Kaiserjäger auf die Hälfte, nämlich auf vier
Jahre herabgesetzt werden, jedoch mit der Verpflichtung, daß die Austrctenden
durch weitere vier Jahre zum ersten Aufgebot der Landesschützen mit einer
Dienstdauer von 100 Tagen sich zu stellen haben. Dieser Antrag verdient
gewiß allseitige Unterstützung, doch wird sich auch hier das durch die letzten
Jahre nur zu gerechtfertigte Mißtrauen in die Regierung geltend machen, daß
sie am Ende trotz aller Gesetze und Verfügungen des Landtags die Entlassener
als Reserve betrachte und darüber nach dem Belieben irgend eines Herrn Gene,
rath verfüge. Zu bedenken ist nur noch die dringende Gefahr: über eine
Angelegenheit, die schon entschieden sein soll, muß erst debattirt werden, schon
jetzt steht Hannibal ante poitas und bis der erste Schutz ausrückt, kann sich
Garibaldi ganz bequem in der für einen Angriff aus dem Norden unbe-
zwinglichen Stellung bei Trient niedergelassen und den Dos treue in eine Fe-
stung verwandelt haben. So begegnen wir überall d'er RathlosigM. weil
eine brutale Reaction Jeden, der Rath geben konnte und wollte, auf den Mund
schlug. Jetzt bringen die Wahlen zum Landtage Alles in Aufregung, die
viel geringer sein würde, wenn nicht die Pfaffen von allen Seiten zutappten.
und anstatt der Messe sich um weltliche Allotria kümmerten. Für sie ist die.
Ausschließung der Protestanten aus Tirol ein Dogma und Jeder, der nicht
daran glaubt und dafür handelt, ein Freimaurer und Radicaler. Es verdient
als ein Curiosum des Jahres 1861 erwähnt zu werden, daß gegenwärtig,
wo selbst das ultramontane Italien die Gleichberechtigung der Confessionen her¬
stellt, in dem katholischen Vereine eines deutscheu Landes, obwol der Artikel
XVI der Bundesacte nahezu seit fünfzig Jahren besteht, der Antrag gestellt
werden durfte und angenommen wurde, an den Landtag eine Petition zu rieb«
ten, es möge auch jetzt noch die Ausschließung der Protestanten aufrecht er¬
halten bleiben. Das Interesse an dieser Frage ist ein rein klerikales; die
geistlichen Herren reden zwar viel vom Seelenheil ihrer Schäflein. sie mei-


Grenzboten II, 1361. ^
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[0107] Aufgabe des Landtags sei. diesen Uebelständen abzuhelfen und bereits tauchen Borschlüge auf. wie dieses möglich sei; denn die Liebe zur Heimat ist in den Tirolern noch nicht erloschen und ebensowenig der Stolz auf die alten Erinnerungen, denen zufolge die Jungen nicht schlechter sein wollen als die Alten. Am meisten Aussicht auf Erfolg hat der Vorschlag des Landrathes Straßer. welcher eine innige Verschmelzung des Schießstandswesens mit der Zuzugspflicht und der Stellung des tiroler Kaiserjägerregimentes verlangt. Er fordert, daß alle achtzehnjährigen Jünglinge auf den Schiebstätten immatriculirt werden und so die nöthige Fertigkeit im Gebrauch der Waffen erlangen. Aus diesen soll dann mittelst Loosung das Contingent für das Jägerregiment ergänzt wer¬ den. Doch sei dieses auf das Doppelte des bisherigen Bestandes zu bringen, dafür solle der active Dienst der Kaiserjäger auf die Hälfte, nämlich auf vier Jahre herabgesetzt werden, jedoch mit der Verpflichtung, daß die Austrctenden durch weitere vier Jahre zum ersten Aufgebot der Landesschützen mit einer Dienstdauer von 100 Tagen sich zu stellen haben. Dieser Antrag verdient gewiß allseitige Unterstützung, doch wird sich auch hier das durch die letzten Jahre nur zu gerechtfertigte Mißtrauen in die Regierung geltend machen, daß sie am Ende trotz aller Gesetze und Verfügungen des Landtags die Entlassener als Reserve betrachte und darüber nach dem Belieben irgend eines Herrn Gene, rath verfüge. Zu bedenken ist nur noch die dringende Gefahr: über eine Angelegenheit, die schon entschieden sein soll, muß erst debattirt werden, schon jetzt steht Hannibal ante poitas und bis der erste Schutz ausrückt, kann sich Garibaldi ganz bequem in der für einen Angriff aus dem Norden unbe- zwinglichen Stellung bei Trient niedergelassen und den Dos treue in eine Fe- stung verwandelt haben. So begegnen wir überall d'er RathlosigM. weil eine brutale Reaction Jeden, der Rath geben konnte und wollte, auf den Mund schlug. Jetzt bringen die Wahlen zum Landtage Alles in Aufregung, die viel geringer sein würde, wenn nicht die Pfaffen von allen Seiten zutappten. und anstatt der Messe sich um weltliche Allotria kümmerten. Für sie ist die. Ausschließung der Protestanten aus Tirol ein Dogma und Jeder, der nicht daran glaubt und dafür handelt, ein Freimaurer und Radicaler. Es verdient als ein Curiosum des Jahres 1861 erwähnt zu werden, daß gegenwärtig, wo selbst das ultramontane Italien die Gleichberechtigung der Confessionen her¬ stellt, in dem katholischen Vereine eines deutscheu Landes, obwol der Artikel XVI der Bundesacte nahezu seit fünfzig Jahren besteht, der Antrag gestellt werden durfte und angenommen wurde, an den Landtag eine Petition zu rieb« ten, es möge auch jetzt noch die Ausschließung der Protestanten aufrecht er¬ halten bleiben. Das Interesse an dieser Frage ist ein rein klerikales; die geistlichen Herren reden zwar viel vom Seelenheil ihrer Schäflein. sie mei- Grenzboten II, 1361. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/107>, abgerufen am 02.07.2024.