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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Die Ausstattung der Zimmer ist verschieden. Im Ncitzeburgischcn findet
man bei wohlhabenden Bauern Mas'agonisecretäre. Sophas und Klaviere.
Anderwärts ist das Hausgeräth auch bei Reichen noch sehr einfach: ein langer
Tisch von Tannenholz, um welchen ebensolche Bänke stehen, ein Milchschrank,
eine Lade, ein Sims. "Bort" genannt, auf dem einige Bücher liegen, ein
Lehnstuhl für den Hausvater, hier und da auch das Bett -- ein Monstrum
seines Geschlechts. Je höher es aufragt, je mehr Kissen auf einander liegen,
für desto nobler gilt es. Kopfkissen und Deckbett sind ringsum mit, langen
roth-, blau- und grünseidnen Bändern verziert, der Ueberzug ist buntgeblümtes
"Kammerdauk". das Ganze kostet, wenn es "hübsch" ist. 80 bis 120 Thaler.
Das Oberbett hat entsetzliches Gewicht, aber der Grundsatz der Leute, "des
Nachts die von der Arbeit steifgewordenen Gliedmaßen wieder geschmeidig zu
schwitzen." hilft über die Unbequemlichkeit hinweg. In einigen Gegenden fin¬
det man auch in der Stube eine Bank mit erhöhtem hölzernen Kopfstück, ein
Instrument, welches der "Ratel" heißt und dem Bauer zur Mittagsruhe dient.
Fenster. Tische und Bänke sind in der Regel dunkelbraun angestrichen, die
vornehmere Lade dagegen, welche die Aussteuer, das Leinzeug und das Geld
enthält, ist mit edleren Farben, gewöhnlich zeißiggrün oder himmelblau, ge¬
schmückt.

Neben dem Hause steht die Scheune und der "Kälber", der für die
jüngern Söhne und deren Familien bestimmt ist. wenn der älteste Sohn, bei
Lebzeiten des Vaters schon. "Vicebauer" genannt, das Gehöft erbt. In Holstein
und Südschleswig liebt man äußere Verzierungen an den Wänden, bunten
Anstrich der Thore und Fenster, Zusammenstellungen der Ziegel in den Mauern
ZU Sternen. Dreiecken. Kreisen und andern Figuren. In Mecklenburg kommt
dies nur selten vor. Die Fenster sind allerdings mit Oelfarbe angestrichen,
die große Thür niemals. Der Balken über derselben zeigt bisweilen den
Namen des Erbauers und die Jahreszahl des Baues, aber nur in wenigen
Allen einen Spruch oder Aehnliches. Auch von Blumen hält der Bauer
wenig, man trifft sie nur selten in Töpfen vor dem Fenster, und dann sind
es gewöhnlich starkduftende oder hellfarbige, wie Goldlack. Primeln (Slötel-
vlaumen). Narzissen (Titzen) und Tulpen. Dagegen hält man viel aus Obst¬
bäume und so sieht ein mecklenburger Dorf immerhin anmuthig genug aus.

Versteht man unter Volkstracht eine bestimmt nach ihren einzelnen Theilen
zusammengehörige Tracht, deren Stoff durch die Ueberlieferung vorgeschrieben
ist. deren Schnitt sich seit geraumer Zeit nicht geändert hat, deren Theile
eine eigenthümliche Benennung haben, deren Farbe so und nicht anders sein
darf, so hat man in Mecklenburg noch Volkstrachten. Der Grundstoff des
Werkeltagskleides in Mecklenburg war früher und ist noch jetzt Leinwand,
v"n selbstgezognem Flachs gemacht. Daneben kommen Stoffe aus Lein und


Grmzl'oder-I, 1S6Z,, 12

Die Ausstattung der Zimmer ist verschieden. Im Ncitzeburgischcn findet
man bei wohlhabenden Bauern Mas'agonisecretäre. Sophas und Klaviere.
Anderwärts ist das Hausgeräth auch bei Reichen noch sehr einfach: ein langer
Tisch von Tannenholz, um welchen ebensolche Bänke stehen, ein Milchschrank,
eine Lade, ein Sims. „Bort" genannt, auf dem einige Bücher liegen, ein
Lehnstuhl für den Hausvater, hier und da auch das Bett — ein Monstrum
seines Geschlechts. Je höher es aufragt, je mehr Kissen auf einander liegen,
für desto nobler gilt es. Kopfkissen und Deckbett sind ringsum mit, langen
roth-, blau- und grünseidnen Bändern verziert, der Ueberzug ist buntgeblümtes
„Kammerdauk". das Ganze kostet, wenn es „hübsch" ist. 80 bis 120 Thaler.
Das Oberbett hat entsetzliches Gewicht, aber der Grundsatz der Leute, „des
Nachts die von der Arbeit steifgewordenen Gliedmaßen wieder geschmeidig zu
schwitzen." hilft über die Unbequemlichkeit hinweg. In einigen Gegenden fin¬
det man auch in der Stube eine Bank mit erhöhtem hölzernen Kopfstück, ein
Instrument, welches der „Ratel" heißt und dem Bauer zur Mittagsruhe dient.
Fenster. Tische und Bänke sind in der Regel dunkelbraun angestrichen, die
vornehmere Lade dagegen, welche die Aussteuer, das Leinzeug und das Geld
enthält, ist mit edleren Farben, gewöhnlich zeißiggrün oder himmelblau, ge¬
schmückt.

Neben dem Hause steht die Scheune und der „Kälber", der für die
jüngern Söhne und deren Familien bestimmt ist. wenn der älteste Sohn, bei
Lebzeiten des Vaters schon. „Vicebauer" genannt, das Gehöft erbt. In Holstein
und Südschleswig liebt man äußere Verzierungen an den Wänden, bunten
Anstrich der Thore und Fenster, Zusammenstellungen der Ziegel in den Mauern
ZU Sternen. Dreiecken. Kreisen und andern Figuren. In Mecklenburg kommt
dies nur selten vor. Die Fenster sind allerdings mit Oelfarbe angestrichen,
die große Thür niemals. Der Balken über derselben zeigt bisweilen den
Namen des Erbauers und die Jahreszahl des Baues, aber nur in wenigen
Allen einen Spruch oder Aehnliches. Auch von Blumen hält der Bauer
wenig, man trifft sie nur selten in Töpfen vor dem Fenster, und dann sind
es gewöhnlich starkduftende oder hellfarbige, wie Goldlack. Primeln (Slötel-
vlaumen). Narzissen (Titzen) und Tulpen. Dagegen hält man viel aus Obst¬
bäume und so sieht ein mecklenburger Dorf immerhin anmuthig genug aus.

Versteht man unter Volkstracht eine bestimmt nach ihren einzelnen Theilen
zusammengehörige Tracht, deren Stoff durch die Ueberlieferung vorgeschrieben
ist. deren Schnitt sich seit geraumer Zeit nicht geändert hat, deren Theile
eine eigenthümliche Benennung haben, deren Farbe so und nicht anders sein
darf, so hat man in Mecklenburg noch Volkstrachten. Der Grundstoff des
Werkeltagskleides in Mecklenburg war früher und ist noch jetzt Leinwand,
v»n selbstgezognem Flachs gemacht. Daneben kommen Stoffe aus Lein und


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[0099] Die Ausstattung der Zimmer ist verschieden. Im Ncitzeburgischcn findet man bei wohlhabenden Bauern Mas'agonisecretäre. Sophas und Klaviere. Anderwärts ist das Hausgeräth auch bei Reichen noch sehr einfach: ein langer Tisch von Tannenholz, um welchen ebensolche Bänke stehen, ein Milchschrank, eine Lade, ein Sims. „Bort" genannt, auf dem einige Bücher liegen, ein Lehnstuhl für den Hausvater, hier und da auch das Bett — ein Monstrum seines Geschlechts. Je höher es aufragt, je mehr Kissen auf einander liegen, für desto nobler gilt es. Kopfkissen und Deckbett sind ringsum mit, langen roth-, blau- und grünseidnen Bändern verziert, der Ueberzug ist buntgeblümtes „Kammerdauk". das Ganze kostet, wenn es „hübsch" ist. 80 bis 120 Thaler. Das Oberbett hat entsetzliches Gewicht, aber der Grundsatz der Leute, „des Nachts die von der Arbeit steifgewordenen Gliedmaßen wieder geschmeidig zu schwitzen." hilft über die Unbequemlichkeit hinweg. In einigen Gegenden fin¬ det man auch in der Stube eine Bank mit erhöhtem hölzernen Kopfstück, ein Instrument, welches der „Ratel" heißt und dem Bauer zur Mittagsruhe dient. Fenster. Tische und Bänke sind in der Regel dunkelbraun angestrichen, die vornehmere Lade dagegen, welche die Aussteuer, das Leinzeug und das Geld enthält, ist mit edleren Farben, gewöhnlich zeißiggrün oder himmelblau, ge¬ schmückt. Neben dem Hause steht die Scheune und der „Kälber", der für die jüngern Söhne und deren Familien bestimmt ist. wenn der älteste Sohn, bei Lebzeiten des Vaters schon. „Vicebauer" genannt, das Gehöft erbt. In Holstein und Südschleswig liebt man äußere Verzierungen an den Wänden, bunten Anstrich der Thore und Fenster, Zusammenstellungen der Ziegel in den Mauern ZU Sternen. Dreiecken. Kreisen und andern Figuren. In Mecklenburg kommt dies nur selten vor. Die Fenster sind allerdings mit Oelfarbe angestrichen, die große Thür niemals. Der Balken über derselben zeigt bisweilen den Namen des Erbauers und die Jahreszahl des Baues, aber nur in wenigen Allen einen Spruch oder Aehnliches. Auch von Blumen hält der Bauer wenig, man trifft sie nur selten in Töpfen vor dem Fenster, und dann sind es gewöhnlich starkduftende oder hellfarbige, wie Goldlack. Primeln (Slötel- vlaumen). Narzissen (Titzen) und Tulpen. Dagegen hält man viel aus Obst¬ bäume und so sieht ein mecklenburger Dorf immerhin anmuthig genug aus. Versteht man unter Volkstracht eine bestimmt nach ihren einzelnen Theilen zusammengehörige Tracht, deren Stoff durch die Ueberlieferung vorgeschrieben ist. deren Schnitt sich seit geraumer Zeit nicht geändert hat, deren Theile eine eigenthümliche Benennung haben, deren Farbe so und nicht anders sein darf, so hat man in Mecklenburg noch Volkstrachten. Der Grundstoff des Werkeltagskleides in Mecklenburg war früher und ist noch jetzt Leinwand, v»n selbstgezognem Flachs gemacht. Daneben kommen Stoffe aus Lein und Grmzl'oder-I, 1S6Z,, 12

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/99>, abgerufen am 25.08.2024.