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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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bei wachem gerade die bayerische Negierung in der Lage ist, einen alten und
sehr charakteristischen Uebelstand zu bessern.

Auf der Grenze Bayerns und Würtembergs, an der Iller und Donau
liegt die Festung Ulm, erbaut vom deutschen Bunde, als das hauptsächliche
Bollwerk, um den Süden Deutschlands und Oestreich zu schützen. Der Bau
der Festung hat lange gedauert, aber derselbe ist in der Art beendet, das!,
wenn es in den letzten Jahren zu einem Kriege gekommen. Ulm für Deutsch¬
land das gewesen wäre, was Metz und Straßburg für Frankreich sind --
vorausgesetzt immer, daß der deutsche Bund im Stande wäre, die Vertheidigung
Deutschlands in einheitlicher, d. h. in energischer Weise zu leiten.

Wie es aber mit der Vertheidigung Ukas bestellt war, darüber belehren
uns einige Notizen über die Verhandlungen des Bundestags. Verhandlungen,
die zu einer Zeit stattfanden, wo der Bundeskrieg fast jeden Tag eintreten
konnte.

Die Bundesfestung Ulm liegt nicht nur auf der Grenze der beiden König¬
reiche Bayern und Würtemberg, sie liegt sogar zum Theil in dem einen, zum
Theil in dem andern.

Die Wünsche und Interessen der deutschen Nation haben aber bis jetzt
noch nicht die Macht gehabt, um in den einzelnen Staaten ein gleiches Sy¬
stem der innern Verbrauchssteuern herzustellen. Daß Deutschland durch den
Zollverein von den innern Verkehrsschranken frei geworden sei, ist eine Phrase.
Eine Menge deutscher Staaten haben ihre Grenzen noch heute mit Schlag¬
bäumen umgürtet. Man nennt die Zölle, die man an diesen inneren Gren¬
zen erhebt, nur nicht Zolle, man nennt sie euphemistisch Uebergangsab¬
gaben, und die Nation beruhigt sich dabei.

Bayern und Würtemberg sind durch eine Zollgrenze geschieden; Brannt¬
wein. Malz, Bier und andere Artikel müssen bei dein Transport aus dem
einem in das andere dieser sogenannten Staatsgebiete einen Zoll entrichten,
Steuerbehörden controlpen, daß die bayerische, daß die würtenbergische
Staatscasse um keinen Kreuzer zu kurz komme.

Das ist schlimm, aber es versteht sich doch wol von selbst, daß der Bund,
als er zunächst zum Schutze Bayerns und Würtembergs auf der Grenze der¬
selben eine Bundesfestung zu bauen beschloß, sich versicherte, daß diese Zoll¬
grenze nicht durch die Bundesfestung gehe?

Zur Vertheidigung einer Festung braucht man bekanntlich nicht blos Ka¬
nonen und Pulver, sondern auch Essen und Trinken. Die Magazine der
Bundesfestung Ulm liegen zum Theil in Würtemberg, zum Theil in Bayern.
Ein Faß Bier oder Branntwein, welches aus dem Magazine auf den Wall
gebracht werden .soll, um die Vertheidiger zu stärken, kann doch nicht mitten
in der Festung erst von den Steuerbehörden angehalten, den lästigen und zum


bei wachem gerade die bayerische Negierung in der Lage ist, einen alten und
sehr charakteristischen Uebelstand zu bessern.

Auf der Grenze Bayerns und Würtembergs, an der Iller und Donau
liegt die Festung Ulm, erbaut vom deutschen Bunde, als das hauptsächliche
Bollwerk, um den Süden Deutschlands und Oestreich zu schützen. Der Bau
der Festung hat lange gedauert, aber derselbe ist in der Art beendet, das!,
wenn es in den letzten Jahren zu einem Kriege gekommen. Ulm für Deutsch¬
land das gewesen wäre, was Metz und Straßburg für Frankreich sind —
vorausgesetzt immer, daß der deutsche Bund im Stande wäre, die Vertheidigung
Deutschlands in einheitlicher, d. h. in energischer Weise zu leiten.

Wie es aber mit der Vertheidigung Ukas bestellt war, darüber belehren
uns einige Notizen über die Verhandlungen des Bundestags. Verhandlungen,
die zu einer Zeit stattfanden, wo der Bundeskrieg fast jeden Tag eintreten
konnte.

Die Bundesfestung Ulm liegt nicht nur auf der Grenze der beiden König¬
reiche Bayern und Würtemberg, sie liegt sogar zum Theil in dem einen, zum
Theil in dem andern.

Die Wünsche und Interessen der deutschen Nation haben aber bis jetzt
noch nicht die Macht gehabt, um in den einzelnen Staaten ein gleiches Sy¬
stem der innern Verbrauchssteuern herzustellen. Daß Deutschland durch den
Zollverein von den innern Verkehrsschranken frei geworden sei, ist eine Phrase.
Eine Menge deutscher Staaten haben ihre Grenzen noch heute mit Schlag¬
bäumen umgürtet. Man nennt die Zölle, die man an diesen inneren Gren¬
zen erhebt, nur nicht Zolle, man nennt sie euphemistisch Uebergangsab¬
gaben, und die Nation beruhigt sich dabei.

Bayern und Würtemberg sind durch eine Zollgrenze geschieden; Brannt¬
wein. Malz, Bier und andere Artikel müssen bei dein Transport aus dem
einem in das andere dieser sogenannten Staatsgebiete einen Zoll entrichten,
Steuerbehörden controlpen, daß die bayerische, daß die würtenbergische
Staatscasse um keinen Kreuzer zu kurz komme.

Das ist schlimm, aber es versteht sich doch wol von selbst, daß der Bund,
als er zunächst zum Schutze Bayerns und Würtembergs auf der Grenze der¬
selben eine Bundesfestung zu bauen beschloß, sich versicherte, daß diese Zoll¬
grenze nicht durch die Bundesfestung gehe?

Zur Vertheidigung einer Festung braucht man bekanntlich nicht blos Ka¬
nonen und Pulver, sondern auch Essen und Trinken. Die Magazine der
Bundesfestung Ulm liegen zum Theil in Würtemberg, zum Theil in Bayern.
Ein Faß Bier oder Branntwein, welches aus dem Magazine auf den Wall
gebracht werden .soll, um die Vertheidiger zu stärken, kann doch nicht mitten
in der Festung erst von den Steuerbehörden angehalten, den lästigen und zum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/92>, abgerufen am 28.08.2024.