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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Die Bmldessestlmg Ulm.

Es ist noch nicht lange her. daß der Minister des Auswärtigen im König¬
reich Bayern, Herr v. Schrenk. bei den Verhandlungen der zweiten Kammer
über die deutsche Frage die Erklärung abgab, die Verfassung des deutschen
Bundes sei auch für Fälle des Krieges genügend, und wenn man dies be¬
zweifle, so mache er darauf aufmerksam, daß während der letzten Verwicklungen
die Kriegsverfassung des Bundes nur nicht voll zur Anwendung gebracht wor¬
den sei. Der Minister glaubte, daß diese Verfassung sich vortrefflich bewährt
haben würde, wenn man ihren Bestimmungen nur nachgekommen wäre; er
erkannte damals überhaupt keine Nothwendigkeit, an der Bundesverfassung
etwas zu ändern. Es ist erinnerlich, daß die Mehrheit der zweiten Kammer
ihm im Wesentlichen zustimmte, und daß diese Mehrheit "ber die Wünsche
der deutschen Nation und ohne Zweifel auch ihrer Auftraggeber zur Tages¬
ordnung überging. Seitdem hat die Frage der Bundcskricgsverfassung viele
Stadien durchlaufen, viele Commissionen haben begutachtet, die hohen Mo¬
narchen haben selbst bei persönlicher Begegnung darüber verhandelt, und doch
'se sie noch kaum um einen Schritt vorwärts gerückt. Die preußischen Vor¬
schläge sind vorläufig als gescheitert zu betrachten, die Vereinigungen der süd-
Wcstdcutschcn Staaten zu größerer Annäherung ihrer Organisationen und ge¬
meinsamem Oberbefehl haben, wenigstens bis jetzt, noch keine Resultate gezeigt,
nur die Einführung der gezogenen Geschütze bat begonnen, aber auch nach dieser
Richtung ist die wichtige Frage, wie weit die Widerstandskraft der Bundes-
sestungen der neuen vergrößerten Wucht der Angriffswaffen jetzt noch genügend
sei. noch weit von einer befriedigenden Lösung entfernt.

Es ist hier nicht die Absicht, alle Schwächen des Bundeskriegswesens zu
erörtern. Es gibt Fragen, zu deren Beantwortung man ein langes Studium
bedarf, und andere, welche sich schon beantworten, wenn man den ersten be¬
sten Punkt herausgreift. Um über das Kriegswesen des Bundes klar zu wer¬
den, hat man nicht nöthig, die zahlreichen Compendien des Bundcsrechts zu
studiren. Man kann es wahrlich leichter"haben., Ueberall finden sich Belege,
die alte Klage zu begründen. Hier soll ein einzelner Fall angeführt werden.


Grenjbotcn I. 1801. l l
Die Bmldessestlmg Ulm.

Es ist noch nicht lange her. daß der Minister des Auswärtigen im König¬
reich Bayern, Herr v. Schrenk. bei den Verhandlungen der zweiten Kammer
über die deutsche Frage die Erklärung abgab, die Verfassung des deutschen
Bundes sei auch für Fälle des Krieges genügend, und wenn man dies be¬
zweifle, so mache er darauf aufmerksam, daß während der letzten Verwicklungen
die Kriegsverfassung des Bundes nur nicht voll zur Anwendung gebracht wor¬
den sei. Der Minister glaubte, daß diese Verfassung sich vortrefflich bewährt
haben würde, wenn man ihren Bestimmungen nur nachgekommen wäre; er
erkannte damals überhaupt keine Nothwendigkeit, an der Bundesverfassung
etwas zu ändern. Es ist erinnerlich, daß die Mehrheit der zweiten Kammer
ihm im Wesentlichen zustimmte, und daß diese Mehrheit «ber die Wünsche
der deutschen Nation und ohne Zweifel auch ihrer Auftraggeber zur Tages¬
ordnung überging. Seitdem hat die Frage der Bundcskricgsverfassung viele
Stadien durchlaufen, viele Commissionen haben begutachtet, die hohen Mo¬
narchen haben selbst bei persönlicher Begegnung darüber verhandelt, und doch
'se sie noch kaum um einen Schritt vorwärts gerückt. Die preußischen Vor¬
schläge sind vorläufig als gescheitert zu betrachten, die Vereinigungen der süd-
Wcstdcutschcn Staaten zu größerer Annäherung ihrer Organisationen und ge¬
meinsamem Oberbefehl haben, wenigstens bis jetzt, noch keine Resultate gezeigt,
nur die Einführung der gezogenen Geschütze bat begonnen, aber auch nach dieser
Richtung ist die wichtige Frage, wie weit die Widerstandskraft der Bundes-
sestungen der neuen vergrößerten Wucht der Angriffswaffen jetzt noch genügend
sei. noch weit von einer befriedigenden Lösung entfernt.

Es ist hier nicht die Absicht, alle Schwächen des Bundeskriegswesens zu
erörtern. Es gibt Fragen, zu deren Beantwortung man ein langes Studium
bedarf, und andere, welche sich schon beantworten, wenn man den ersten be¬
sten Punkt herausgreift. Um über das Kriegswesen des Bundes klar zu wer¬
den, hat man nicht nöthig, die zahlreichen Compendien des Bundcsrechts zu
studiren. Man kann es wahrlich leichter»haben., Ueberall finden sich Belege,
die alte Klage zu begründen. Hier soll ein einzelner Fall angeführt werden.


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[0091] Die Bmldessestlmg Ulm. Es ist noch nicht lange her. daß der Minister des Auswärtigen im König¬ reich Bayern, Herr v. Schrenk. bei den Verhandlungen der zweiten Kammer über die deutsche Frage die Erklärung abgab, die Verfassung des deutschen Bundes sei auch für Fälle des Krieges genügend, und wenn man dies be¬ zweifle, so mache er darauf aufmerksam, daß während der letzten Verwicklungen die Kriegsverfassung des Bundes nur nicht voll zur Anwendung gebracht wor¬ den sei. Der Minister glaubte, daß diese Verfassung sich vortrefflich bewährt haben würde, wenn man ihren Bestimmungen nur nachgekommen wäre; er erkannte damals überhaupt keine Nothwendigkeit, an der Bundesverfassung etwas zu ändern. Es ist erinnerlich, daß die Mehrheit der zweiten Kammer ihm im Wesentlichen zustimmte, und daß diese Mehrheit «ber die Wünsche der deutschen Nation und ohne Zweifel auch ihrer Auftraggeber zur Tages¬ ordnung überging. Seitdem hat die Frage der Bundcskricgsverfassung viele Stadien durchlaufen, viele Commissionen haben begutachtet, die hohen Mo¬ narchen haben selbst bei persönlicher Begegnung darüber verhandelt, und doch 'se sie noch kaum um einen Schritt vorwärts gerückt. Die preußischen Vor¬ schläge sind vorläufig als gescheitert zu betrachten, die Vereinigungen der süd- Wcstdcutschcn Staaten zu größerer Annäherung ihrer Organisationen und ge¬ meinsamem Oberbefehl haben, wenigstens bis jetzt, noch keine Resultate gezeigt, nur die Einführung der gezogenen Geschütze bat begonnen, aber auch nach dieser Richtung ist die wichtige Frage, wie weit die Widerstandskraft der Bundes- sestungen der neuen vergrößerten Wucht der Angriffswaffen jetzt noch genügend sei. noch weit von einer befriedigenden Lösung entfernt. Es ist hier nicht die Absicht, alle Schwächen des Bundeskriegswesens zu erörtern. Es gibt Fragen, zu deren Beantwortung man ein langes Studium bedarf, und andere, welche sich schon beantworten, wenn man den ersten be¬ sten Punkt herausgreift. Um über das Kriegswesen des Bundes klar zu wer¬ den, hat man nicht nöthig, die zahlreichen Compendien des Bundcsrechts zu studiren. Man kann es wahrlich leichter»haben., Ueberall finden sich Belege, die alte Klage zu begründen. Hier soll ein einzelner Fall angeführt werden. Grenjbotcn I. 1801. l l

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/91>, abgerufen am 28.08.2024.