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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Urkunde, durch weiche Heinrich fast ganz Italien dem heiligen Petrus übergeben
haben sollte. -- Nachdem Kaiser Heinins der Dritte den König von Ungarn.
Alm, unterworfen und des Lebens beraubt hatte, schickte er 1044 die Lanze
dieses Königs nach Rom. wo sie an einer Thür der damaligen Peterskirche
aufgehängt wurde. Die Papste leiten daraus ab, daß der Kaiser ihnen Un¬
garn unterworfen habe. -- Außer den genannten Beweisen zur Beglaubigung
einer Schenkung des Erbtheils Petri und des Exarchats an den Papst, wird
noch ein Diplom Ludwigs des Frommen erwähnt, über welches das Nähere
zu erfahren nur nicht vergönnt ist.

Den ersten Grund zu einem wirklichen Eigenthum des Papstes legte die durch
ihre Burg Canossa, wo Heinrich der Vierte vor Gregor dem Siebenten Buße that,
so bekannte Markgräfin Mathilde. Aus persönlicher Achtung gegen Papst Gre¬
gor den Siebenten und aus innigem Einverständnis; mit seinen Bestrebungen
vermachte sie, obgleich dem jungen Wels von Baiern vermählt, dem Papste
alle ihre Güter "vains. mög. borg,, Mre xroxriewtis." Gräfin Mathilde über¬
lebte freilich Gregor den Siebenten noch über dreißig Jahre, und von ihrem
Tode an wurde die Erbschaft den Päpsten über anderthalb Jahrhunderte lang
bestritten.

Als Mathilde 1116 starb, nahm sofort Kaiser Heinrich der Fünfte von
den Mathildischen Gütern Besitz 1) als Verwandter, 2) als Kaiser. Die Güter
waren theils Eigenthum, theils Reichslehen. Der folgende Kaiser, Lothar
ohn Supplingenburg, erkannte das Eigenthumsrecht des Papstes dadurch an,
daß er das Mathildische Allod vonJnnocenz dem Zweiten als päpstliches Lehen
nahm gegen eine jährliche Abgabe von hundert Mark Silbers. Lothar be¬
lehnte wieder seinen Schwiegersohn, Heinrich den Stolzen, mit dem Mathil¬
dischen Allod, und beide Fürsten leisteten dafür dem Papste den Eid der Treue.
Dabei gingen sie den Vorbehalt ein, daß nach ihrem Tode die genannten
Güter, mit dem Reichslehen, dem Herzogthum Spoleto, an den Papst zurück¬
fallen sollten. Kaiser Friedrich der Erste nahm davon nicht weiter Notiz und
belehnte Wels von Baiern mit den Mathildischen Gütern (1158). Als er aber
später von Heinrich dem Löwen verlassen und bei Legnano besiegt, sich in Venedig
fast noch tiefer vor dem Papst demüthigen mußte, als Heinrich der Vierte in Ca¬
nossa, nahm er vom Papste den Nießbrauch der Mathildischen Güter auf fünf¬
zehn Jahre an. Der Kaiser erlebte den Ablauf dieses Termins nicht. Sein Sohn
und Nachfolger Heinrich der Sechste, nachdem er 1194 von Sicilien Besitz ge¬
nommen hatte, überwies seinem Bruder Philipp (von Schwaben) törram clo-
wimre UgMiläaö, worauf der päpstliche Bannfluch über ihn ausgesprochen
wurde. Philipp sah sich nach seines Bruders Tode veranlaßt, nach Deutsch¬
land zu gehen und gegen seine frühere Absicht die Krone selbst zu nehmen.
Da bestritt Papst Innocenz der Dritte ihm den Besitz der Mathildischen Güter


Urkunde, durch weiche Heinrich fast ganz Italien dem heiligen Petrus übergeben
haben sollte. — Nachdem Kaiser Heinins der Dritte den König von Ungarn.
Alm, unterworfen und des Lebens beraubt hatte, schickte er 1044 die Lanze
dieses Königs nach Rom. wo sie an einer Thür der damaligen Peterskirche
aufgehängt wurde. Die Papste leiten daraus ab, daß der Kaiser ihnen Un¬
garn unterworfen habe. — Außer den genannten Beweisen zur Beglaubigung
einer Schenkung des Erbtheils Petri und des Exarchats an den Papst, wird
noch ein Diplom Ludwigs des Frommen erwähnt, über welches das Nähere
zu erfahren nur nicht vergönnt ist.

Den ersten Grund zu einem wirklichen Eigenthum des Papstes legte die durch
ihre Burg Canossa, wo Heinrich der Vierte vor Gregor dem Siebenten Buße that,
so bekannte Markgräfin Mathilde. Aus persönlicher Achtung gegen Papst Gre¬
gor den Siebenten und aus innigem Einverständnis; mit seinen Bestrebungen
vermachte sie, obgleich dem jungen Wels von Baiern vermählt, dem Papste
alle ihre Güter „vains. mög. borg,, Mre xroxriewtis." Gräfin Mathilde über¬
lebte freilich Gregor den Siebenten noch über dreißig Jahre, und von ihrem
Tode an wurde die Erbschaft den Päpsten über anderthalb Jahrhunderte lang
bestritten.

Als Mathilde 1116 starb, nahm sofort Kaiser Heinrich der Fünfte von
den Mathildischen Gütern Besitz 1) als Verwandter, 2) als Kaiser. Die Güter
waren theils Eigenthum, theils Reichslehen. Der folgende Kaiser, Lothar
ohn Supplingenburg, erkannte das Eigenthumsrecht des Papstes dadurch an,
daß er das Mathildische Allod vonJnnocenz dem Zweiten als päpstliches Lehen
nahm gegen eine jährliche Abgabe von hundert Mark Silbers. Lothar be¬
lehnte wieder seinen Schwiegersohn, Heinrich den Stolzen, mit dem Mathil¬
dischen Allod, und beide Fürsten leisteten dafür dem Papste den Eid der Treue.
Dabei gingen sie den Vorbehalt ein, daß nach ihrem Tode die genannten
Güter, mit dem Reichslehen, dem Herzogthum Spoleto, an den Papst zurück¬
fallen sollten. Kaiser Friedrich der Erste nahm davon nicht weiter Notiz und
belehnte Wels von Baiern mit den Mathildischen Gütern (1158). Als er aber
später von Heinrich dem Löwen verlassen und bei Legnano besiegt, sich in Venedig
fast noch tiefer vor dem Papst demüthigen mußte, als Heinrich der Vierte in Ca¬
nossa, nahm er vom Papste den Nießbrauch der Mathildischen Güter auf fünf¬
zehn Jahre an. Der Kaiser erlebte den Ablauf dieses Termins nicht. Sein Sohn
und Nachfolger Heinrich der Sechste, nachdem er 1194 von Sicilien Besitz ge¬
nommen hatte, überwies seinem Bruder Philipp (von Schwaben) törram clo-
wimre UgMiläaö, worauf der päpstliche Bannfluch über ihn ausgesprochen
wurde. Philipp sah sich nach seines Bruders Tode veranlaßt, nach Deutsch¬
land zu gehen und gegen seine frühere Absicht die Krone selbst zu nehmen.
Da bestritt Papst Innocenz der Dritte ihm den Besitz der Mathildischen Güter


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[0505] Urkunde, durch weiche Heinrich fast ganz Italien dem heiligen Petrus übergeben haben sollte. — Nachdem Kaiser Heinins der Dritte den König von Ungarn. Alm, unterworfen und des Lebens beraubt hatte, schickte er 1044 die Lanze dieses Königs nach Rom. wo sie an einer Thür der damaligen Peterskirche aufgehängt wurde. Die Papste leiten daraus ab, daß der Kaiser ihnen Un¬ garn unterworfen habe. — Außer den genannten Beweisen zur Beglaubigung einer Schenkung des Erbtheils Petri und des Exarchats an den Papst, wird noch ein Diplom Ludwigs des Frommen erwähnt, über welches das Nähere zu erfahren nur nicht vergönnt ist. Den ersten Grund zu einem wirklichen Eigenthum des Papstes legte die durch ihre Burg Canossa, wo Heinrich der Vierte vor Gregor dem Siebenten Buße that, so bekannte Markgräfin Mathilde. Aus persönlicher Achtung gegen Papst Gre¬ gor den Siebenten und aus innigem Einverständnis; mit seinen Bestrebungen vermachte sie, obgleich dem jungen Wels von Baiern vermählt, dem Papste alle ihre Güter „vains. mög. borg,, Mre xroxriewtis." Gräfin Mathilde über¬ lebte freilich Gregor den Siebenten noch über dreißig Jahre, und von ihrem Tode an wurde die Erbschaft den Päpsten über anderthalb Jahrhunderte lang bestritten. Als Mathilde 1116 starb, nahm sofort Kaiser Heinrich der Fünfte von den Mathildischen Gütern Besitz 1) als Verwandter, 2) als Kaiser. Die Güter waren theils Eigenthum, theils Reichslehen. Der folgende Kaiser, Lothar ohn Supplingenburg, erkannte das Eigenthumsrecht des Papstes dadurch an, daß er das Mathildische Allod vonJnnocenz dem Zweiten als päpstliches Lehen nahm gegen eine jährliche Abgabe von hundert Mark Silbers. Lothar be¬ lehnte wieder seinen Schwiegersohn, Heinrich den Stolzen, mit dem Mathil¬ dischen Allod, und beide Fürsten leisteten dafür dem Papste den Eid der Treue. Dabei gingen sie den Vorbehalt ein, daß nach ihrem Tode die genannten Güter, mit dem Reichslehen, dem Herzogthum Spoleto, an den Papst zurück¬ fallen sollten. Kaiser Friedrich der Erste nahm davon nicht weiter Notiz und belehnte Wels von Baiern mit den Mathildischen Gütern (1158). Als er aber später von Heinrich dem Löwen verlassen und bei Legnano besiegt, sich in Venedig fast noch tiefer vor dem Papst demüthigen mußte, als Heinrich der Vierte in Ca¬ nossa, nahm er vom Papste den Nießbrauch der Mathildischen Güter auf fünf¬ zehn Jahre an. Der Kaiser erlebte den Ablauf dieses Termins nicht. Sein Sohn und Nachfolger Heinrich der Sechste, nachdem er 1194 von Sicilien Besitz ge¬ nommen hatte, überwies seinem Bruder Philipp (von Schwaben) törram clo- wimre UgMiläaö, worauf der päpstliche Bannfluch über ihn ausgesprochen wurde. Philipp sah sich nach seines Bruders Tode veranlaßt, nach Deutsch¬ land zu gehen und gegen seine frühere Absicht die Krone selbst zu nehmen. Da bestritt Papst Innocenz der Dritte ihm den Besitz der Mathildischen Güter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/505>, abgerufen am 15.01.2025.