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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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und brachte ihm einen Gegner aus, Otto von Braunschweig, der den Besitz
der Mathildischen Güter und des sicilischen Reiches der römischen Kirche zu
sichern schwur und dann als Kaiser anerkannt wurde. Philipp wurde bald,
ein Opfer.der Privatrache, schmählich ermordet; kaum fühlte Otto sich alleiniger
Kaiser, so nahm er sofort 1209 die Mathildischen Güter für das Reich in An¬
spruch und hatte dafür den Bannfluch zu erfahren. Auch einen Gegenkaiser
sandte ihm Innocenz der Dritte in Friedrich dem Zweiten, der. nachdem er sich
die Krone gesichert, am 22. November 1220 dem Papste das ganze Besitzthum
von Radicofani (einem Passe aus der Grenze des Kirchenstaates mit Toscana)
bis Ceprano, also das Erbtheil Petri und einen Theil der Mathildischen Güter,
in einem Vertrage zuschrieb, wobei Alle, die bis dahin Inhaber von Mathil¬
dischen Gütern waren, von dem Eide, den sie dem Kaiser geleistet, entbunden
und dem Papste verpflichtet wurden. Nach dem Untergange der Hohenstaufen
war es dem Stifter des Hauses Habsburg vorbehalten, auch Stifter des Kirchen¬
staates zu werden.

Wenn freilich Rudolf von Habsburg schon im Jahre nach seiner Thron¬
besteigung seinen treuen Schwager, den 'Hohenzollerschen Burggrafen Friedrich
von Nürnberg, mit anderen Abgeordneten nach Lyon schickte und dort die Ka¬
pitulationen Ottos des Vierten und Friedrichs des Zweiten in seinem Namen
anerkennen ließ, auch die in denselben erwähnten päpstlichen Besitzungen zu
schützen versprach: so war damit doch keine Schenkung gemeint; denn 1276
schickte Rudolf den Grafen Heinrich von Fürstenberg und 1278 den Kanzler
Rudolf von Hohcneck nach Italien, um die Städte der Romagna zur Huldi¬
gung für das Reich und für den römischen König aufzufordern. Aber Rudolf
sah sich seit der Besiegung Ottokars durch die Schwierigkeiten, die ihm die
Umwandlung der östreichischen Lande in Habsburgische verursachte, in die Un¬
möglichkeit gesetzt, mit der römischen Kirche in Feindschaft zu leben und wurde
durch den Vertrag vom 14. Februar 1297 der Gründer einer weltlichen Herr¬
schaft des Papstes.

In diesem Vertrage verzichtete er: 1) auf das Gebiet von Radicofani bis
Ceprano. 2) auf das Exarchat Ravenna, 3) auf das Herzogthum Spoleto
und Ancona. Dieser Verzicht geschah nicht nur im Namen des Kaisers, son¬
dern auch des Reiches, und er wurde erst nach erfolgten Willebriefen der Kur¬
fürsten abgeschlossen. Da nun in 1 auch das Mrimonium Laueti ?et.ri be¬
griffen ist, so wurde dies und auch die ganze angebliche Schenkung Pipins
bis dahin als zum Reiche gehörig angesehen, da das Reich nicht auf Etwas
verzichten konnte, auf das es keine Anrechte zu haben glaubte.

Seitdem ist das päpstliche Gebiet gelegentlich befestigt und erweitert, auch
gemindert und annullirt worden und wieder ins Leben gerufen. Noch 1273
kam die kleine Grafschaft Vcnaissin an der Rhone durch Schenkung an den


und brachte ihm einen Gegner aus, Otto von Braunschweig, der den Besitz
der Mathildischen Güter und des sicilischen Reiches der römischen Kirche zu
sichern schwur und dann als Kaiser anerkannt wurde. Philipp wurde bald,
ein Opfer.der Privatrache, schmählich ermordet; kaum fühlte Otto sich alleiniger
Kaiser, so nahm er sofort 1209 die Mathildischen Güter für das Reich in An¬
spruch und hatte dafür den Bannfluch zu erfahren. Auch einen Gegenkaiser
sandte ihm Innocenz der Dritte in Friedrich dem Zweiten, der. nachdem er sich
die Krone gesichert, am 22. November 1220 dem Papste das ganze Besitzthum
von Radicofani (einem Passe aus der Grenze des Kirchenstaates mit Toscana)
bis Ceprano, also das Erbtheil Petri und einen Theil der Mathildischen Güter,
in einem Vertrage zuschrieb, wobei Alle, die bis dahin Inhaber von Mathil¬
dischen Gütern waren, von dem Eide, den sie dem Kaiser geleistet, entbunden
und dem Papste verpflichtet wurden. Nach dem Untergange der Hohenstaufen
war es dem Stifter des Hauses Habsburg vorbehalten, auch Stifter des Kirchen¬
staates zu werden.

Wenn freilich Rudolf von Habsburg schon im Jahre nach seiner Thron¬
besteigung seinen treuen Schwager, den 'Hohenzollerschen Burggrafen Friedrich
von Nürnberg, mit anderen Abgeordneten nach Lyon schickte und dort die Ka¬
pitulationen Ottos des Vierten und Friedrichs des Zweiten in seinem Namen
anerkennen ließ, auch die in denselben erwähnten päpstlichen Besitzungen zu
schützen versprach: so war damit doch keine Schenkung gemeint; denn 1276
schickte Rudolf den Grafen Heinrich von Fürstenberg und 1278 den Kanzler
Rudolf von Hohcneck nach Italien, um die Städte der Romagna zur Huldi¬
gung für das Reich und für den römischen König aufzufordern. Aber Rudolf
sah sich seit der Besiegung Ottokars durch die Schwierigkeiten, die ihm die
Umwandlung der östreichischen Lande in Habsburgische verursachte, in die Un¬
möglichkeit gesetzt, mit der römischen Kirche in Feindschaft zu leben und wurde
durch den Vertrag vom 14. Februar 1297 der Gründer einer weltlichen Herr¬
schaft des Papstes.

In diesem Vertrage verzichtete er: 1) auf das Gebiet von Radicofani bis
Ceprano. 2) auf das Exarchat Ravenna, 3) auf das Herzogthum Spoleto
und Ancona. Dieser Verzicht geschah nicht nur im Namen des Kaisers, son¬
dern auch des Reiches, und er wurde erst nach erfolgten Willebriefen der Kur¬
fürsten abgeschlossen. Da nun in 1 auch das Mrimonium Laueti ?et.ri be¬
griffen ist, so wurde dies und auch die ganze angebliche Schenkung Pipins
bis dahin als zum Reiche gehörig angesehen, da das Reich nicht auf Etwas
verzichten konnte, auf das es keine Anrechte zu haben glaubte.

Seitdem ist das päpstliche Gebiet gelegentlich befestigt und erweitert, auch
gemindert und annullirt worden und wieder ins Leben gerufen. Noch 1273
kam die kleine Grafschaft Vcnaissin an der Rhone durch Schenkung an den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/506>, abgerufen am 15.01.2025.