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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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ältester Sohn Lothar stellte noch einmal, als er 824 nach Rom gekommen
our, Ordnung und Macht her. Er erließ damals eine Konstitution, welche
der Papst schriftlich anerkannte und die fortan jeder Papst anerkennen sollte,
ehe seine Ordination erfolgte. Nach dieser Konstitution bestellten beide, Kai¬
ser und Papst, ihre Sendboten in Rom zur Beaufsichtigung der Beamten
(äuee8 und.juäiees), welche der Papst ernennt und die von dem Kaiser ver¬
pflichtet werden. -- Nach Lothar verfällt die kaiserliche Herrschaft immer mehr.
Papst Johann der Achte (872--882) erließ eine Bulle mit dem merkwürdigen
Datum imperators äomino ?ohn Lliristo, und seit Karl dem Kahlen schon gab
es keinen kaiserlichen Sendboten mehr in Rom. Mithin ging die weltliche
Herrschaft auf die Päpste allein über, in Wahrheit aber verfiel sie den römi¬
schen Adelsfamilien, oder auch den Angriffen der Nachbarn: der Markgrafen
von Camerino, der Herzoge von Spoleto, der norditalischen Könige. In Rom
selbst waren seit der pipinischen Zeit aus den päpstlichen Hofbeamten, deren
Stellen erblich geworden waren, mächtige Adelsgeschlechter entstanden. Der
Papst wurde vom römischen Volke gewählt, aber der Adel übte auf die Wahl
überwiegenden Einfluß. Bald brachte Alberich die Herrschaft an sich, machte
sich zum Fürsten und Senator der Römer. Er ließ noch den Papst neben
sich bestehen; sein Sohn Octavian aber, als die Herrschaft auf ihn überging,
machte sich selbst zugleich zum Papst. Acht Jahre konnte er sich behaupten;
dann wurde König Otto der Erste über die Alpen gerufen, den er zum Kai¬
ser krönte. Seitdem war es mit der weltlichen Herrschaft des Papstes wie¬
der zu Ende. Kaiser Otto der Erste trat als höchster Gesetzgeber. Richter und
Kriegsfürst der Römer auf und nahm ihnen sogar die Besetzung des Stuh¬
les Petri. indem er selbst Päpste einsetzte. Ottos Enkel machte sogar- Rom zu
seiner Residenz. Nun berufen sich die Anhänger des Papstthums auf eine
von Kaiser Otto dem Ersten am 13. Februar 962 ausgestellte Urkunde, welche
dem Papste alle Länder zuspricht, die einst Pipin dem heiligen Petrus bestimmte.
Diese Urkunde. aus Purpurpergament mit goldenen Buchstaben geschrieben,
wird im Archive der Päpste aufbewahrt. Sie ist, sagt Giesebrecht, wie Inhalt
und Form beweiset, ein Betrug, und weil dieser Betrug sehr offenbarlich ist,
so wird sie noch jetzt Niemandem in die Hand gegeben. Kaiser Otto hat
vielmehr das italische Reich in seinem ganzen Umfange sich und seinen Nach¬
folgern erhalten und kein Stück Land dem heiligen Petrus geschenkt. Eine
andere vom Kaiser Heinrich dem Zweiten den 26. Juni 1024 ausgestellte Ur¬
kunde, in der das bekanntlich von diesem Kaiser gegründete Bisthum Baw-
berg, wie auch Fulda unter den besonderen Schutz des römischen Bischofs ge¬
stellt und dem heiligen Petrus gleichsam zum Eigenthum übertragen, auch zu
gewissen Dienstleistungen an die römische Kirche versuchtet wird, diente später
zum Anhalt sür die Fälschung einer großen Schenkungs- und Bestätigungs-


ältester Sohn Lothar stellte noch einmal, als er 824 nach Rom gekommen
our, Ordnung und Macht her. Er erließ damals eine Konstitution, welche
der Papst schriftlich anerkannte und die fortan jeder Papst anerkennen sollte,
ehe seine Ordination erfolgte. Nach dieser Konstitution bestellten beide, Kai¬
ser und Papst, ihre Sendboten in Rom zur Beaufsichtigung der Beamten
(äuee8 und.juäiees), welche der Papst ernennt und die von dem Kaiser ver¬
pflichtet werden. — Nach Lothar verfällt die kaiserliche Herrschaft immer mehr.
Papst Johann der Achte (872—882) erließ eine Bulle mit dem merkwürdigen
Datum imperators äomino ?ohn Lliristo, und seit Karl dem Kahlen schon gab
es keinen kaiserlichen Sendboten mehr in Rom. Mithin ging die weltliche
Herrschaft auf die Päpste allein über, in Wahrheit aber verfiel sie den römi¬
schen Adelsfamilien, oder auch den Angriffen der Nachbarn: der Markgrafen
von Camerino, der Herzoge von Spoleto, der norditalischen Könige. In Rom
selbst waren seit der pipinischen Zeit aus den päpstlichen Hofbeamten, deren
Stellen erblich geworden waren, mächtige Adelsgeschlechter entstanden. Der
Papst wurde vom römischen Volke gewählt, aber der Adel übte auf die Wahl
überwiegenden Einfluß. Bald brachte Alberich die Herrschaft an sich, machte
sich zum Fürsten und Senator der Römer. Er ließ noch den Papst neben
sich bestehen; sein Sohn Octavian aber, als die Herrschaft auf ihn überging,
machte sich selbst zugleich zum Papst. Acht Jahre konnte er sich behaupten;
dann wurde König Otto der Erste über die Alpen gerufen, den er zum Kai¬
ser krönte. Seitdem war es mit der weltlichen Herrschaft des Papstes wie¬
der zu Ende. Kaiser Otto der Erste trat als höchster Gesetzgeber. Richter und
Kriegsfürst der Römer auf und nahm ihnen sogar die Besetzung des Stuh¬
les Petri. indem er selbst Päpste einsetzte. Ottos Enkel machte sogar- Rom zu
seiner Residenz. Nun berufen sich die Anhänger des Papstthums auf eine
von Kaiser Otto dem Ersten am 13. Februar 962 ausgestellte Urkunde, welche
dem Papste alle Länder zuspricht, die einst Pipin dem heiligen Petrus bestimmte.
Diese Urkunde. aus Purpurpergament mit goldenen Buchstaben geschrieben,
wird im Archive der Päpste aufbewahrt. Sie ist, sagt Giesebrecht, wie Inhalt
und Form beweiset, ein Betrug, und weil dieser Betrug sehr offenbarlich ist,
so wird sie noch jetzt Niemandem in die Hand gegeben. Kaiser Otto hat
vielmehr das italische Reich in seinem ganzen Umfange sich und seinen Nach¬
folgern erhalten und kein Stück Land dem heiligen Petrus geschenkt. Eine
andere vom Kaiser Heinrich dem Zweiten den 26. Juni 1024 ausgestellte Ur¬
kunde, in der das bekanntlich von diesem Kaiser gegründete Bisthum Baw-
berg, wie auch Fulda unter den besonderen Schutz des römischen Bischofs ge¬
stellt und dem heiligen Petrus gleichsam zum Eigenthum übertragen, auch zu
gewissen Dienstleistungen an die römische Kirche versuchtet wird, diente später
zum Anhalt sür die Fälschung einer großen Schenkungs- und Bestätigungs-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/504>, abgerufen am 15.01.2025.