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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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folger übergehen konnte, sich aus den unechten Jsidor gründet, der erst nach
den Zeiten Ludwigs des Frommen zum Vorschein kommt, so kann selbstver¬
ständlich von einem Erbtheil des heiligen Petrus nicht die Rede sein.

Erst in der Mitte des 8. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung soll denn
auch der Kirchenstaat durch die sogenannte "Schenkung Pipins" entstanden
sein. Um diese Zeit hatten sich diejenigen Gegenden Italiens, welche bis da¬
hin noch die Oberherrschaft des oströmischen Reiches anerkannt hatten, in
Folge der Bilderstreitigkeiten, unabhängig gemacht, die kaiserlichen Beamten
vertrieben und selbstgewähltc Beamte an ihre Spitze gestellt. Diese Bewe¬
gungen waren aber insonderheit von der Geistlichkeit ausgegangen, und dem¬
zufolge erkannte dann auch die Stadt Rom mit ihrem Gebiete die Herrschaft des
römischen Bischofs an, so wie auch Ravenna und Umgegend dem Erzbischof von
Ravenna huldigte. Nun führte aber die Ausbreitung der Longobardenherrschaft
und die dadurch dem römischen Bischof drohende Gefahr zu einer Verbindung
desselben mit dem Frankenkönig Pipin. Pipin übergab das den Langobarden ab¬
genommene Gebiet dem heiligen Petrus (act sanctum ?lernen tiÄcliäit.; Lin-
tmrä), sich selbst aber machte er zum Patricias oder Statthalter und Schutz¬
herrn desselben. Unter seiner Hoheit erhielt nun der Papst das Herzogthum
Rom, d. i. einen etwa 10 Meilen breiten Küstenstrich von der Gegend von
Riedl und Sutri bis nach Ceprnno und Terracina sich erstreckend; ferner das
lLxarchat Ravenna nebst der sogenannten Pentapolis, d. i. das Gebiet zwischen
den Apenninen und dem Adriatischen Meere vom Po bis gegen Ancona hin.
Allein daß damit eine Schenkung von Seiten Pipins gemeint sei, ist mehr
als zweifelhaft, denn wenn auch seitdem der Papst sich nach dem Vorbilde
des byzantinischen Hofes mit einem Hofstaat von Beamten umgab und die
^noch und tribmii als Verwaltungsbeamte bestellte: so sah doch Pipins
Sohn und Nachfolger, Karl der Große, schon vor seiner Kaiserkwnuug, die
richterlichen Behörden des Papstes als sich, dem Patricius, untergeordnet an
und bestimmte, daß der fränkische Gesandte bei der Papstwahl gegenwärtig
sein könnte. Sobald Karl aber Kaiser war, nahm er die obcrhcrrschastlichen
Rechte über Rom als ein unveräußerliches Zubehör der kaiserlichen Gewalt
Anspruch. Alle römischen Beamten und Würdenträger, ohne ihrer Ver¬
pflichtungen gegen den Papst entbunden zu werden, waren zugleich kaiserliche
^ante; sie und das gesammte römische Volk mußten dem Kaiser schwören.
Der Kaiser hielt einen ständigen Sendboten in Rom, als seinen Stellvertreter;
"eben demselben stand ein päpstlicher Sendbote. War der Kaiser nicht selbst
Rom. so ließ er sich auch wol durch den Herzog von Spoleto vertreten.
Fällen wo Bischöfe und Beamte vor den Kaiser belangt wurden. -- Nach
Karls des Großen Tode, unter dessen schwachem Nachfolger, sank die kaiscr-
''che Gewalt in Rom und mit ihr die päpstliche. Ludwigs des Frommen


folger übergehen konnte, sich aus den unechten Jsidor gründet, der erst nach
den Zeiten Ludwigs des Frommen zum Vorschein kommt, so kann selbstver¬
ständlich von einem Erbtheil des heiligen Petrus nicht die Rede sein.

Erst in der Mitte des 8. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung soll denn
auch der Kirchenstaat durch die sogenannte „Schenkung Pipins" entstanden
sein. Um diese Zeit hatten sich diejenigen Gegenden Italiens, welche bis da¬
hin noch die Oberherrschaft des oströmischen Reiches anerkannt hatten, in
Folge der Bilderstreitigkeiten, unabhängig gemacht, die kaiserlichen Beamten
vertrieben und selbstgewähltc Beamte an ihre Spitze gestellt. Diese Bewe¬
gungen waren aber insonderheit von der Geistlichkeit ausgegangen, und dem¬
zufolge erkannte dann auch die Stadt Rom mit ihrem Gebiete die Herrschaft des
römischen Bischofs an, so wie auch Ravenna und Umgegend dem Erzbischof von
Ravenna huldigte. Nun führte aber die Ausbreitung der Longobardenherrschaft
und die dadurch dem römischen Bischof drohende Gefahr zu einer Verbindung
desselben mit dem Frankenkönig Pipin. Pipin übergab das den Langobarden ab¬
genommene Gebiet dem heiligen Petrus (act sanctum ?lernen tiÄcliäit.; Lin-
tmrä), sich selbst aber machte er zum Patricias oder Statthalter und Schutz¬
herrn desselben. Unter seiner Hoheit erhielt nun der Papst das Herzogthum
Rom, d. i. einen etwa 10 Meilen breiten Küstenstrich von der Gegend von
Riedl und Sutri bis nach Ceprnno und Terracina sich erstreckend; ferner das
lLxarchat Ravenna nebst der sogenannten Pentapolis, d. i. das Gebiet zwischen
den Apenninen und dem Adriatischen Meere vom Po bis gegen Ancona hin.
Allein daß damit eine Schenkung von Seiten Pipins gemeint sei, ist mehr
als zweifelhaft, denn wenn auch seitdem der Papst sich nach dem Vorbilde
des byzantinischen Hofes mit einem Hofstaat von Beamten umgab und die
^noch und tribmii als Verwaltungsbeamte bestellte: so sah doch Pipins
Sohn und Nachfolger, Karl der Große, schon vor seiner Kaiserkwnuug, die
richterlichen Behörden des Papstes als sich, dem Patricius, untergeordnet an
und bestimmte, daß der fränkische Gesandte bei der Papstwahl gegenwärtig
sein könnte. Sobald Karl aber Kaiser war, nahm er die obcrhcrrschastlichen
Rechte über Rom als ein unveräußerliches Zubehör der kaiserlichen Gewalt
Anspruch. Alle römischen Beamten und Würdenträger, ohne ihrer Ver¬
pflichtungen gegen den Papst entbunden zu werden, waren zugleich kaiserliche
^ante; sie und das gesammte römische Volk mußten dem Kaiser schwören.
Der Kaiser hielt einen ständigen Sendboten in Rom, als seinen Stellvertreter;
"eben demselben stand ein päpstlicher Sendbote. War der Kaiser nicht selbst
Rom. so ließ er sich auch wol durch den Herzog von Spoleto vertreten.
Fällen wo Bischöfe und Beamte vor den Kaiser belangt wurden. — Nach
Karls des Großen Tode, unter dessen schwachem Nachfolger, sank die kaiscr-
''che Gewalt in Rom und mit ihr die päpstliche. Ludwigs des Frommen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/503>, abgerufen am 02.10.2024.