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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Hugo von Se. Bertin erzählt wird, der im Jahre 879 in der Schlacht
bei Thum tapfer gegen die Normannen focht, dennoch öffnete sich, wenn er
sonst danach begehrte, seiner Thätigkeit ein weites Feld. Seine Wirksamkeit
reichte weit über das Kloster hinaus, er erschien neben den übrigen geistlichen
und weltlichen Herren auf den Landtagen der Provinz und befand sich oft im
Gefolge des Markgrafen. Selbst bei der Zusammenkunft, welche im Jahre
1222 Kaiser Friedrich der Zweite mit dem Papste Honorius zu Verona hatte,
war der Probst des Petersberges gegenwärtig, und von dem Probst Walther
beklagt es der Chronist ausdrücklich, daß er durch das Uebermaß von Ge¬
schäften, die er für sich und Andere zu besorgen hatte, zu sehr in Anspruch ge¬
nommen worden sei, um den innern Verhältnissen des Klosters die nöthige
Sorgfalt zuwenden zu tonnen. Waren ja doch die Geistlichen die Einzigen,
die mit der Feder umzugehen wußten, und daher bei allen Geschäften, die das
Mein und Dein betrafen, so unentbehrlich wie heut zu Tage Advocat und
Notar, und wie es daher, überhaupt wenige Urkunden gibt, die nicht auch
von Geistlichen als Zeugen unterschrieben sind, so legen die Namen der Pe-
tersberger Pröbste, die sich unter vielen derselben finden, Zeugniß dafür ab,
daß ihr Beistand'bei derartigen Verhandlungen häufig erfordert wurde.

Vor Allem standen sie natürlich in vielfachem Verkehr mit ihren Schuh¬
herren, den Fürsten aus dem wettinischen Hause. Der Markgraf Konrad hatte
verordnet, daß jedesmal der älteste von seinen Nachkommen die Vogtei über
das Kloster haben, die Mönche jedoch ihrem Vogte nicht anders als aus gu¬
tem Willen zu irgend einem weltlichen Dienste verpflichtet sein sollten. Er hatte
es ferner zur Begräbnißstätte für sich und seine Familie und deren Dienstleute
ausersehen und damit zwischen ihnen und dem Kloster nach der Anschauung
der Zeit ein enges Pietätsvcrhäitniß geknüpft. Denn schöpften jene eine Be¬
ruhigung aus der Gewißheit, daß sie dereinst auf den Ruf der Posaune zum
Weltgericht innerhalb des geweihten Klosterraumes sich aus dem Grabe erhe¬
ben würden, so zog dieses einen noch viel reelleren Gewinn daraus, indem
Keiner die Stätte, an der er und seine Geliebten ruhen sollten, mit dankbaren
Vermächtnissen zu bedenken vergaß. Markgraf Heinrich der Erlauchte gab dem
Kloster Zelle, weil seine erste Gemahlin Agnes darin begraben lag, eine jähr¬
liche Rente von 7 Mark Silber, sein Sohn Albrecht verschrieb demselben Klo¬
ster 150 Mark zur Belohnung der Dienstbeflissenheit, welche die Mönche bei
der Bestattung seines Vaters bewiesen hatten, und die verwittwete Markgräfin
beschenkte sie ebendeshalb mit den ihr gehörigen Gütern in zwei benachbarten
Dörfern. Kein Wunder, daß die Mönche einen großen Werth auf solchen
Vorzug legten. Umständlich erzählt daher der Chronist, wie die Markgräfin
Luitgard doch noch ihr Begräbnis; auf dem Petersberge gefunden, nachdem
sie aus einem Besuche bei ihrer Tochter, der Aebtissin des Nonnenklosters zu


Hugo von Se. Bertin erzählt wird, der im Jahre 879 in der Schlacht
bei Thum tapfer gegen die Normannen focht, dennoch öffnete sich, wenn er
sonst danach begehrte, seiner Thätigkeit ein weites Feld. Seine Wirksamkeit
reichte weit über das Kloster hinaus, er erschien neben den übrigen geistlichen
und weltlichen Herren auf den Landtagen der Provinz und befand sich oft im
Gefolge des Markgrafen. Selbst bei der Zusammenkunft, welche im Jahre
1222 Kaiser Friedrich der Zweite mit dem Papste Honorius zu Verona hatte,
war der Probst des Petersberges gegenwärtig, und von dem Probst Walther
beklagt es der Chronist ausdrücklich, daß er durch das Uebermaß von Ge¬
schäften, die er für sich und Andere zu besorgen hatte, zu sehr in Anspruch ge¬
nommen worden sei, um den innern Verhältnissen des Klosters die nöthige
Sorgfalt zuwenden zu tonnen. Waren ja doch die Geistlichen die Einzigen,
die mit der Feder umzugehen wußten, und daher bei allen Geschäften, die das
Mein und Dein betrafen, so unentbehrlich wie heut zu Tage Advocat und
Notar, und wie es daher, überhaupt wenige Urkunden gibt, die nicht auch
von Geistlichen als Zeugen unterschrieben sind, so legen die Namen der Pe-
tersberger Pröbste, die sich unter vielen derselben finden, Zeugniß dafür ab,
daß ihr Beistand'bei derartigen Verhandlungen häufig erfordert wurde.

Vor Allem standen sie natürlich in vielfachem Verkehr mit ihren Schuh¬
herren, den Fürsten aus dem wettinischen Hause. Der Markgraf Konrad hatte
verordnet, daß jedesmal der älteste von seinen Nachkommen die Vogtei über
das Kloster haben, die Mönche jedoch ihrem Vogte nicht anders als aus gu¬
tem Willen zu irgend einem weltlichen Dienste verpflichtet sein sollten. Er hatte
es ferner zur Begräbnißstätte für sich und seine Familie und deren Dienstleute
ausersehen und damit zwischen ihnen und dem Kloster nach der Anschauung
der Zeit ein enges Pietätsvcrhäitniß geknüpft. Denn schöpften jene eine Be¬
ruhigung aus der Gewißheit, daß sie dereinst auf den Ruf der Posaune zum
Weltgericht innerhalb des geweihten Klosterraumes sich aus dem Grabe erhe¬
ben würden, so zog dieses einen noch viel reelleren Gewinn daraus, indem
Keiner die Stätte, an der er und seine Geliebten ruhen sollten, mit dankbaren
Vermächtnissen zu bedenken vergaß. Markgraf Heinrich der Erlauchte gab dem
Kloster Zelle, weil seine erste Gemahlin Agnes darin begraben lag, eine jähr¬
liche Rente von 7 Mark Silber, sein Sohn Albrecht verschrieb demselben Klo¬
ster 150 Mark zur Belohnung der Dienstbeflissenheit, welche die Mönche bei
der Bestattung seines Vaters bewiesen hatten, und die verwittwete Markgräfin
beschenkte sie ebendeshalb mit den ihr gehörigen Gütern in zwei benachbarten
Dörfern. Kein Wunder, daß die Mönche einen großen Werth auf solchen
Vorzug legten. Umständlich erzählt daher der Chronist, wie die Markgräfin
Luitgard doch noch ihr Begräbnis; auf dem Petersberge gefunden, nachdem
sie aus einem Besuche bei ihrer Tochter, der Aebtissin des Nonnenklosters zu


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[0406] Hugo von Se. Bertin erzählt wird, der im Jahre 879 in der Schlacht bei Thum tapfer gegen die Normannen focht, dennoch öffnete sich, wenn er sonst danach begehrte, seiner Thätigkeit ein weites Feld. Seine Wirksamkeit reichte weit über das Kloster hinaus, er erschien neben den übrigen geistlichen und weltlichen Herren auf den Landtagen der Provinz und befand sich oft im Gefolge des Markgrafen. Selbst bei der Zusammenkunft, welche im Jahre 1222 Kaiser Friedrich der Zweite mit dem Papste Honorius zu Verona hatte, war der Probst des Petersberges gegenwärtig, und von dem Probst Walther beklagt es der Chronist ausdrücklich, daß er durch das Uebermaß von Ge¬ schäften, die er für sich und Andere zu besorgen hatte, zu sehr in Anspruch ge¬ nommen worden sei, um den innern Verhältnissen des Klosters die nöthige Sorgfalt zuwenden zu tonnen. Waren ja doch die Geistlichen die Einzigen, die mit der Feder umzugehen wußten, und daher bei allen Geschäften, die das Mein und Dein betrafen, so unentbehrlich wie heut zu Tage Advocat und Notar, und wie es daher, überhaupt wenige Urkunden gibt, die nicht auch von Geistlichen als Zeugen unterschrieben sind, so legen die Namen der Pe- tersberger Pröbste, die sich unter vielen derselben finden, Zeugniß dafür ab, daß ihr Beistand'bei derartigen Verhandlungen häufig erfordert wurde. Vor Allem standen sie natürlich in vielfachem Verkehr mit ihren Schuh¬ herren, den Fürsten aus dem wettinischen Hause. Der Markgraf Konrad hatte verordnet, daß jedesmal der älteste von seinen Nachkommen die Vogtei über das Kloster haben, die Mönche jedoch ihrem Vogte nicht anders als aus gu¬ tem Willen zu irgend einem weltlichen Dienste verpflichtet sein sollten. Er hatte es ferner zur Begräbnißstätte für sich und seine Familie und deren Dienstleute ausersehen und damit zwischen ihnen und dem Kloster nach der Anschauung der Zeit ein enges Pietätsvcrhäitniß geknüpft. Denn schöpften jene eine Be¬ ruhigung aus der Gewißheit, daß sie dereinst auf den Ruf der Posaune zum Weltgericht innerhalb des geweihten Klosterraumes sich aus dem Grabe erhe¬ ben würden, so zog dieses einen noch viel reelleren Gewinn daraus, indem Keiner die Stätte, an der er und seine Geliebten ruhen sollten, mit dankbaren Vermächtnissen zu bedenken vergaß. Markgraf Heinrich der Erlauchte gab dem Kloster Zelle, weil seine erste Gemahlin Agnes darin begraben lag, eine jähr¬ liche Rente von 7 Mark Silber, sein Sohn Albrecht verschrieb demselben Klo¬ ster 150 Mark zur Belohnung der Dienstbeflissenheit, welche die Mönche bei der Bestattung seines Vaters bewiesen hatten, und die verwittwete Markgräfin beschenkte sie ebendeshalb mit den ihr gehörigen Gütern in zwei benachbarten Dörfern. Kein Wunder, daß die Mönche einen großen Werth auf solchen Vorzug legten. Umständlich erzählt daher der Chronist, wie die Markgräfin Luitgard doch noch ihr Begräbnis; auf dem Petersberge gefunden, nachdem sie aus einem Besuche bei ihrer Tochter, der Aebtissin des Nonnenklosters zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/406>, abgerufen am 16.01.2025.