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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Bete", Messelesen u"d Kasteiung des Leibes beschäftigt. Nichts könnte irriger
sein. Die Klöster standen in der allermannigfaltigsten Berührung mit allen
übrigen Kreisen der menschlichen Gesellschaft, in welcher sie ein wesentliches
Glied bildeten und eine Menge von Pflichten erfüllten, die heutzutage auf an¬
dere Kreise übergegangen sind. Um dies, sowie die obigen allgemeinen An¬
deutungen zu veranschaulichen, knüpfen wir an die Geschichte eines einzelnen
Klosters, nämlich des auf dem Petersberge bei Halle, an, über dessen Schick¬
sale wir durch die Ehronik, welche ein Mönch desselben im Anfang des drei¬
zehnten Jahrhunderts aufgezeichnet hat. hinlänglich genau unterrichtet sind.

Den Bau dieses Klosters begann Graf Dedo von Wettin im Jahre 1124
auf "der lichten Höhe", wo zeither die Slaven ihrem weißen Gotte Opfer ge¬
schlachtet hatten. Man wählte in neubekehrten Gegenden für geistliche Stif¬
tungen gern solche Orte, welche schon dem heidnischen Cultus für heilig gegol¬
ten hatten, um den Götzendienst durch die Verehrung des wahren Gottes zu
ersetzen, man schob also den christlichen Gott den heidnischen Göttern förmlich
unter, ein Verfahren, das zwar unläugbar die Bekehrung erleichterte, aber
auch wesentlich dazu beitrug, daß der alte heidnische Aberglaube, durch das
neue Dogma nur leis übertüncht, im Christenthum fortwucherte. Da der Graf
noch vor Vollendung des Baues eine Pilgerfahrt in das gelobte Land unter¬
nahm, so übertrug er die Fortsetzung des heiligen Werkes seinem Bruder
Konrad, dem großen Markgrafen von Meißen, und angefeuert durch die Fröm¬
migkeit seiner Gemahlin Luitgard nahm dieser sich desselben mit solchem Eifer
um, daß gewöhnlich er und nicht Dedo als Gründer des Klosters genannt
wird. Im Jahre 1139 war es vollendet, neben der Kirche erhoben sich die
Zellen der Mönche nebst den übrigen nothwendigen Gebäuden. Papst Hono-
nus ertheilte ihm bereitwillig seine Bestätigung, und der Markgraf sorgte für
eine ansehnliche Ausstattung, indem er ihm Güter in 51 Dörfern, 120 Hufen
Wald und das Patronat über zwei Kirchen gab, und bei Konrad's Tode be¬
saß es schon 182 Acker Landes, die sich nachher durch viele Schenkungen noch
""sehnlich erweiterten. Das neue Kloster wurde dem' Apostelfürsten Petrus ge¬
weiht, und dieser verfehlte auch nicht, sich für diese Aufmerksamkeit durch ver¬
miedene Wunder, die an dem Orte geschahen, erkenntlich zu zeigen.

Der Convent der Mönche, Augustinerordens, zählte ungefähr 30 Mit¬
glieder, eine Zahl, welche als die durchschnittliche in den größern Klöstern
angesehen werden kann. An ihrer Spitze stand der Probst, ein Mann von
nicht geringer Bedeutung schon deshalb, weil in seiner Hand die Verwaltung
des beträchtlichen Klostergutes lag. Zwar wgren unter den Vorstehern des
Petersberges keine von kriegerischen Neigungen, die in früheren Zeiten an
^eistljchcn nicht selten waren, wo mancher wehrhafte Abt um der Spitze seiner
Reisigen in eigener Person zu Felde zog. wie beispielsweise von dein Abt


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Bete», Messelesen u»d Kasteiung des Leibes beschäftigt. Nichts könnte irriger
sein. Die Klöster standen in der allermannigfaltigsten Berührung mit allen
übrigen Kreisen der menschlichen Gesellschaft, in welcher sie ein wesentliches
Glied bildeten und eine Menge von Pflichten erfüllten, die heutzutage auf an¬
dere Kreise übergegangen sind. Um dies, sowie die obigen allgemeinen An¬
deutungen zu veranschaulichen, knüpfen wir an die Geschichte eines einzelnen
Klosters, nämlich des auf dem Petersberge bei Halle, an, über dessen Schick¬
sale wir durch die Ehronik, welche ein Mönch desselben im Anfang des drei¬
zehnten Jahrhunderts aufgezeichnet hat. hinlänglich genau unterrichtet sind.

Den Bau dieses Klosters begann Graf Dedo von Wettin im Jahre 1124
auf „der lichten Höhe", wo zeither die Slaven ihrem weißen Gotte Opfer ge¬
schlachtet hatten. Man wählte in neubekehrten Gegenden für geistliche Stif¬
tungen gern solche Orte, welche schon dem heidnischen Cultus für heilig gegol¬
ten hatten, um den Götzendienst durch die Verehrung des wahren Gottes zu
ersetzen, man schob also den christlichen Gott den heidnischen Göttern förmlich
unter, ein Verfahren, das zwar unläugbar die Bekehrung erleichterte, aber
auch wesentlich dazu beitrug, daß der alte heidnische Aberglaube, durch das
neue Dogma nur leis übertüncht, im Christenthum fortwucherte. Da der Graf
noch vor Vollendung des Baues eine Pilgerfahrt in das gelobte Land unter¬
nahm, so übertrug er die Fortsetzung des heiligen Werkes seinem Bruder
Konrad, dem großen Markgrafen von Meißen, und angefeuert durch die Fröm¬
migkeit seiner Gemahlin Luitgard nahm dieser sich desselben mit solchem Eifer
um, daß gewöhnlich er und nicht Dedo als Gründer des Klosters genannt
wird. Im Jahre 1139 war es vollendet, neben der Kirche erhoben sich die
Zellen der Mönche nebst den übrigen nothwendigen Gebäuden. Papst Hono-
nus ertheilte ihm bereitwillig seine Bestätigung, und der Markgraf sorgte für
eine ansehnliche Ausstattung, indem er ihm Güter in 51 Dörfern, 120 Hufen
Wald und das Patronat über zwei Kirchen gab, und bei Konrad's Tode be¬
saß es schon 182 Acker Landes, die sich nachher durch viele Schenkungen noch
"«sehnlich erweiterten. Das neue Kloster wurde dem' Apostelfürsten Petrus ge¬
weiht, und dieser verfehlte auch nicht, sich für diese Aufmerksamkeit durch ver¬
miedene Wunder, die an dem Orte geschahen, erkenntlich zu zeigen.

Der Convent der Mönche, Augustinerordens, zählte ungefähr 30 Mit¬
glieder, eine Zahl, welche als die durchschnittliche in den größern Klöstern
angesehen werden kann. An ihrer Spitze stand der Probst, ein Mann von
nicht geringer Bedeutung schon deshalb, weil in seiner Hand die Verwaltung
des beträchtlichen Klostergutes lag. Zwar wgren unter den Vorstehern des
Petersberges keine von kriegerischen Neigungen, die in früheren Zeiten an
^eistljchcn nicht selten waren, wo mancher wehrhafte Abt um der Spitze seiner
Reisigen in eigener Person zu Felde zog. wie beispielsweise von dein Abt


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[0405] Bete», Messelesen u»d Kasteiung des Leibes beschäftigt. Nichts könnte irriger sein. Die Klöster standen in der allermannigfaltigsten Berührung mit allen übrigen Kreisen der menschlichen Gesellschaft, in welcher sie ein wesentliches Glied bildeten und eine Menge von Pflichten erfüllten, die heutzutage auf an¬ dere Kreise übergegangen sind. Um dies, sowie die obigen allgemeinen An¬ deutungen zu veranschaulichen, knüpfen wir an die Geschichte eines einzelnen Klosters, nämlich des auf dem Petersberge bei Halle, an, über dessen Schick¬ sale wir durch die Ehronik, welche ein Mönch desselben im Anfang des drei¬ zehnten Jahrhunderts aufgezeichnet hat. hinlänglich genau unterrichtet sind. Den Bau dieses Klosters begann Graf Dedo von Wettin im Jahre 1124 auf „der lichten Höhe", wo zeither die Slaven ihrem weißen Gotte Opfer ge¬ schlachtet hatten. Man wählte in neubekehrten Gegenden für geistliche Stif¬ tungen gern solche Orte, welche schon dem heidnischen Cultus für heilig gegol¬ ten hatten, um den Götzendienst durch die Verehrung des wahren Gottes zu ersetzen, man schob also den christlichen Gott den heidnischen Göttern förmlich unter, ein Verfahren, das zwar unläugbar die Bekehrung erleichterte, aber auch wesentlich dazu beitrug, daß der alte heidnische Aberglaube, durch das neue Dogma nur leis übertüncht, im Christenthum fortwucherte. Da der Graf noch vor Vollendung des Baues eine Pilgerfahrt in das gelobte Land unter¬ nahm, so übertrug er die Fortsetzung des heiligen Werkes seinem Bruder Konrad, dem großen Markgrafen von Meißen, und angefeuert durch die Fröm¬ migkeit seiner Gemahlin Luitgard nahm dieser sich desselben mit solchem Eifer um, daß gewöhnlich er und nicht Dedo als Gründer des Klosters genannt wird. Im Jahre 1139 war es vollendet, neben der Kirche erhoben sich die Zellen der Mönche nebst den übrigen nothwendigen Gebäuden. Papst Hono- nus ertheilte ihm bereitwillig seine Bestätigung, und der Markgraf sorgte für eine ansehnliche Ausstattung, indem er ihm Güter in 51 Dörfern, 120 Hufen Wald und das Patronat über zwei Kirchen gab, und bei Konrad's Tode be¬ saß es schon 182 Acker Landes, die sich nachher durch viele Schenkungen noch "«sehnlich erweiterten. Das neue Kloster wurde dem' Apostelfürsten Petrus ge¬ weiht, und dieser verfehlte auch nicht, sich für diese Aufmerksamkeit durch ver¬ miedene Wunder, die an dem Orte geschahen, erkenntlich zu zeigen. Der Convent der Mönche, Augustinerordens, zählte ungefähr 30 Mit¬ glieder, eine Zahl, welche als die durchschnittliche in den größern Klöstern angesehen werden kann. An ihrer Spitze stand der Probst, ein Mann von nicht geringer Bedeutung schon deshalb, weil in seiner Hand die Verwaltung des beträchtlichen Klostergutes lag. Zwar wgren unter den Vorstehern des Petersberges keine von kriegerischen Neigungen, die in früheren Zeiten an ^eistljchcn nicht selten waren, wo mancher wehrhafte Abt um der Spitze seiner Reisigen in eigener Person zu Felde zog. wie beispielsweise von dein Abt 50*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/405>, abgerufen am 16.01.2025.