Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Gerbstädt, während ihr Gemahl gerade auf einem Kreuzzug begriffen war,
das Zeitliche gesegnet hatte und vom Grafen von Mansfeld im dortigen Klo¬
ster beigesetzt worden war. Ueber solche Eigenmächtigkeit gerieth aber der
heimkehrende Wittwer in solchen Zorn, daß jener, um ihn zu besänftigen,
die Leiche den Gerbstädtcr Nonnen des Nachts heimlich entführte und sie, zur
großen Genugthuung der Petersberger Mönche, in ihr rechtmäßiges Begräbnis;
brachte.

Hier gedachte ja auch Konrad an ihrer Seite zu ruhen, aber noch ehe
der Tod ihn dahin rief, zog er sich, seines wildbewegten Lebens müde, in
sein geliebtes Kloster zurück. Es war ein denkwürdiger Tag in der Geschichte
des Petersberges, an welchem der gewaltige Fürst in Gegenwart des Mark¬
grafen Albrecht des Bären und einer großen Zahl geistlicher und weltlicher
Herren vor dem Altar des h. Petrus seine Länder unter seine fünf Sohne
vertheilte, alle dem Kloster gemachten Schenkungen nochmals feierlich von
ihnen bestätigen ließ, und dann aus der Hand seines Neffen, des Erzbischofs
Wichmann von Magdeburg, die Mönchskutte empfing, die er nicht lange tra¬
gen sollte: zwei Monate darauf wurde er in ihr ins Grab gelegt.

Von seinen Nachkommen bewahrte jedoch nur ein Theil dem Kloster die
gleiche Zuneigung. Ihr ältester Zweig -- mit einem Seufzer berichtet es der,
Chronist -- wählte sich sehr bald ein eigenes Erbbegräbnis;. Hedwig, Mark¬
graf Otto des Reichen Gemahlin, hatte keine Lust, ein Kloster zu bereichern,
über das nicht ihre Söhne ausschließlich die Bogtei haben sollten, und be¬
stimmte ihn, das Kloster Altzelle an der Mulde zu bauen. Eine andere Frau,
auch Hedwig geheißen, war schuld, daß auch der jüngere Zweig, die Grafen
von Breue, nicht auf dem Petersberge begraben liegen; nachdem sie Wittwe
geworden, gedachte sie ihr leichtfertiges Leben auf dem Petersberge ervanlich
ZU beschließen, ihr Ruf war aber so schlecht, daß man ihre Bitte abschlug,
und zum Trotz stiftete sie das Kloster Breue. Andere Wettiner wählten Do-
brilugk oder Zschillen zu ihrem Begräbniß, aber im Leben blieben sie noch
lange in vielfacher Berührung mit dem alten Familienkloster auf dem Peters¬
berge.

Gewiß gehörte der Pförtner des Klosters nicht zu den müßigen Leuten,
am wenigsten an solchen Tagen wie der, wo Markgraf Dietrich der Bedrängte
von Meißen seine Getreuen zu gemeinschaftlicher Be-rathung dahin beschicken
hatte. Es vertraten aber auch für gewöhnlich die Klöster damals in gewisser
Weise die Stelle unserer heutigen Hotels; denn diese sind erst in der letzten
Zuk des Mittelalters zugleich mit dem Aufblühen der Städte aufgekommen.
Die unentgeltliche Aufnahme, welche noch heutzutage die Flut der Schweizer-
reiscnden in den Hospizen der Alpenpässe findet, ist nichts als ein kleiner
Ueberrest einer im Mjttelnlter von den Klöstern allgemein geübten Sitte. Bie-


Gerbstädt, während ihr Gemahl gerade auf einem Kreuzzug begriffen war,
das Zeitliche gesegnet hatte und vom Grafen von Mansfeld im dortigen Klo¬
ster beigesetzt worden war. Ueber solche Eigenmächtigkeit gerieth aber der
heimkehrende Wittwer in solchen Zorn, daß jener, um ihn zu besänftigen,
die Leiche den Gerbstädtcr Nonnen des Nachts heimlich entführte und sie, zur
großen Genugthuung der Petersberger Mönche, in ihr rechtmäßiges Begräbnis;
brachte.

Hier gedachte ja auch Konrad an ihrer Seite zu ruhen, aber noch ehe
der Tod ihn dahin rief, zog er sich, seines wildbewegten Lebens müde, in
sein geliebtes Kloster zurück. Es war ein denkwürdiger Tag in der Geschichte
des Petersberges, an welchem der gewaltige Fürst in Gegenwart des Mark¬
grafen Albrecht des Bären und einer großen Zahl geistlicher und weltlicher
Herren vor dem Altar des h. Petrus seine Länder unter seine fünf Sohne
vertheilte, alle dem Kloster gemachten Schenkungen nochmals feierlich von
ihnen bestätigen ließ, und dann aus der Hand seines Neffen, des Erzbischofs
Wichmann von Magdeburg, die Mönchskutte empfing, die er nicht lange tra¬
gen sollte: zwei Monate darauf wurde er in ihr ins Grab gelegt.

Von seinen Nachkommen bewahrte jedoch nur ein Theil dem Kloster die
gleiche Zuneigung. Ihr ältester Zweig — mit einem Seufzer berichtet es der,
Chronist — wählte sich sehr bald ein eigenes Erbbegräbnis;. Hedwig, Mark¬
graf Otto des Reichen Gemahlin, hatte keine Lust, ein Kloster zu bereichern,
über das nicht ihre Söhne ausschließlich die Bogtei haben sollten, und be¬
stimmte ihn, das Kloster Altzelle an der Mulde zu bauen. Eine andere Frau,
auch Hedwig geheißen, war schuld, daß auch der jüngere Zweig, die Grafen
von Breue, nicht auf dem Petersberge begraben liegen; nachdem sie Wittwe
geworden, gedachte sie ihr leichtfertiges Leben auf dem Petersberge ervanlich
ZU beschließen, ihr Ruf war aber so schlecht, daß man ihre Bitte abschlug,
und zum Trotz stiftete sie das Kloster Breue. Andere Wettiner wählten Do-
brilugk oder Zschillen zu ihrem Begräbniß, aber im Leben blieben sie noch
lange in vielfacher Berührung mit dem alten Familienkloster auf dem Peters¬
berge.

Gewiß gehörte der Pförtner des Klosters nicht zu den müßigen Leuten,
am wenigsten an solchen Tagen wie der, wo Markgraf Dietrich der Bedrängte
von Meißen seine Getreuen zu gemeinschaftlicher Be-rathung dahin beschicken
hatte. Es vertraten aber auch für gewöhnlich die Klöster damals in gewisser
Weise die Stelle unserer heutigen Hotels; denn diese sind erst in der letzten
Zuk des Mittelalters zugleich mit dem Aufblühen der Städte aufgekommen.
Die unentgeltliche Aufnahme, welche noch heutzutage die Flut der Schweizer-
reiscnden in den Hospizen der Alpenpässe findet, ist nichts als ein kleiner
Ueberrest einer im Mjttelnlter von den Klöstern allgemein geübten Sitte. Bie-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0407" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111301"/>
          <p xml:id="ID_1360" prev="#ID_1359"> Gerbstädt, während ihr Gemahl gerade auf einem Kreuzzug begriffen war,<lb/>
das Zeitliche gesegnet hatte und vom Grafen von Mansfeld im dortigen Klo¬<lb/>
ster beigesetzt worden war. Ueber solche Eigenmächtigkeit gerieth aber der<lb/>
heimkehrende Wittwer in solchen Zorn, daß jener, um ihn zu besänftigen,<lb/>
die Leiche den Gerbstädtcr Nonnen des Nachts heimlich entführte und sie, zur<lb/>
großen Genugthuung der Petersberger Mönche, in ihr rechtmäßiges Begräbnis;<lb/>
brachte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1361"> Hier gedachte ja auch Konrad an ihrer Seite zu ruhen, aber noch ehe<lb/>
der Tod ihn dahin rief, zog er sich, seines wildbewegten Lebens müde, in<lb/>
sein geliebtes Kloster zurück. Es war ein denkwürdiger Tag in der Geschichte<lb/>
des Petersberges, an welchem der gewaltige Fürst in Gegenwart des Mark¬<lb/>
grafen Albrecht des Bären und einer großen Zahl geistlicher und weltlicher<lb/>
Herren vor dem Altar des h. Petrus seine Länder unter seine fünf Sohne<lb/>
vertheilte, alle dem Kloster gemachten Schenkungen nochmals feierlich von<lb/>
ihnen bestätigen ließ, und dann aus der Hand seines Neffen, des Erzbischofs<lb/>
Wichmann von Magdeburg, die Mönchskutte empfing, die er nicht lange tra¬<lb/>
gen sollte: zwei Monate darauf wurde er in ihr ins Grab gelegt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1362"> Von seinen Nachkommen bewahrte jedoch nur ein Theil dem Kloster die<lb/>
gleiche Zuneigung. Ihr ältester Zweig &#x2014; mit einem Seufzer berichtet es der,<lb/>
Chronist &#x2014; wählte sich sehr bald ein eigenes Erbbegräbnis;. Hedwig, Mark¬<lb/>
graf Otto des Reichen Gemahlin, hatte keine Lust, ein Kloster zu bereichern,<lb/>
über das nicht ihre Söhne ausschließlich die Bogtei haben sollten, und be¬<lb/>
stimmte ihn, das Kloster Altzelle an der Mulde zu bauen. Eine andere Frau,<lb/>
auch Hedwig geheißen, war schuld, daß auch der jüngere Zweig, die Grafen<lb/>
von Breue, nicht auf dem Petersberge begraben liegen; nachdem sie Wittwe<lb/>
geworden, gedachte sie ihr leichtfertiges Leben auf dem Petersberge ervanlich<lb/>
ZU beschließen, ihr Ruf war aber so schlecht, daß man ihre Bitte abschlug,<lb/>
und zum Trotz stiftete sie das Kloster Breue. Andere Wettiner wählten Do-<lb/>
brilugk oder Zschillen zu ihrem Begräbniß, aber im Leben blieben sie noch<lb/>
lange in vielfacher Berührung mit dem alten Familienkloster auf dem Peters¬<lb/>
berge.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1363" next="#ID_1364"> Gewiß gehörte der Pförtner des Klosters nicht zu den müßigen Leuten,<lb/>
am wenigsten an solchen Tagen wie der, wo Markgraf Dietrich der Bedrängte<lb/>
von Meißen seine Getreuen zu gemeinschaftlicher Be-rathung dahin beschicken<lb/>
hatte. Es vertraten aber auch für gewöhnlich die Klöster damals in gewisser<lb/>
Weise die Stelle unserer heutigen Hotels; denn diese sind erst in der letzten<lb/>
Zuk des Mittelalters zugleich mit dem Aufblühen der Städte aufgekommen.<lb/>
Die unentgeltliche Aufnahme, welche noch heutzutage die Flut der Schweizer-<lb/>
reiscnden in den Hospizen der Alpenpässe findet, ist nichts als ein kleiner<lb/>
Ueberrest einer im Mjttelnlter von den Klöstern allgemein geübten Sitte. Bie-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0407] Gerbstädt, während ihr Gemahl gerade auf einem Kreuzzug begriffen war, das Zeitliche gesegnet hatte und vom Grafen von Mansfeld im dortigen Klo¬ ster beigesetzt worden war. Ueber solche Eigenmächtigkeit gerieth aber der heimkehrende Wittwer in solchen Zorn, daß jener, um ihn zu besänftigen, die Leiche den Gerbstädtcr Nonnen des Nachts heimlich entführte und sie, zur großen Genugthuung der Petersberger Mönche, in ihr rechtmäßiges Begräbnis; brachte. Hier gedachte ja auch Konrad an ihrer Seite zu ruhen, aber noch ehe der Tod ihn dahin rief, zog er sich, seines wildbewegten Lebens müde, in sein geliebtes Kloster zurück. Es war ein denkwürdiger Tag in der Geschichte des Petersberges, an welchem der gewaltige Fürst in Gegenwart des Mark¬ grafen Albrecht des Bären und einer großen Zahl geistlicher und weltlicher Herren vor dem Altar des h. Petrus seine Länder unter seine fünf Sohne vertheilte, alle dem Kloster gemachten Schenkungen nochmals feierlich von ihnen bestätigen ließ, und dann aus der Hand seines Neffen, des Erzbischofs Wichmann von Magdeburg, die Mönchskutte empfing, die er nicht lange tra¬ gen sollte: zwei Monate darauf wurde er in ihr ins Grab gelegt. Von seinen Nachkommen bewahrte jedoch nur ein Theil dem Kloster die gleiche Zuneigung. Ihr ältester Zweig — mit einem Seufzer berichtet es der, Chronist — wählte sich sehr bald ein eigenes Erbbegräbnis;. Hedwig, Mark¬ graf Otto des Reichen Gemahlin, hatte keine Lust, ein Kloster zu bereichern, über das nicht ihre Söhne ausschließlich die Bogtei haben sollten, und be¬ stimmte ihn, das Kloster Altzelle an der Mulde zu bauen. Eine andere Frau, auch Hedwig geheißen, war schuld, daß auch der jüngere Zweig, die Grafen von Breue, nicht auf dem Petersberge begraben liegen; nachdem sie Wittwe geworden, gedachte sie ihr leichtfertiges Leben auf dem Petersberge ervanlich ZU beschließen, ihr Ruf war aber so schlecht, daß man ihre Bitte abschlug, und zum Trotz stiftete sie das Kloster Breue. Andere Wettiner wählten Do- brilugk oder Zschillen zu ihrem Begräbniß, aber im Leben blieben sie noch lange in vielfacher Berührung mit dem alten Familienkloster auf dem Peters¬ berge. Gewiß gehörte der Pförtner des Klosters nicht zu den müßigen Leuten, am wenigsten an solchen Tagen wie der, wo Markgraf Dietrich der Bedrängte von Meißen seine Getreuen zu gemeinschaftlicher Be-rathung dahin beschicken hatte. Es vertraten aber auch für gewöhnlich die Klöster damals in gewisser Weise die Stelle unserer heutigen Hotels; denn diese sind erst in der letzten Zuk des Mittelalters zugleich mit dem Aufblühen der Städte aufgekommen. Die unentgeltliche Aufnahme, welche noch heutzutage die Flut der Schweizer- reiscnden in den Hospizen der Alpenpässe findet, ist nichts als ein kleiner Ueberrest einer im Mjttelnlter von den Klöstern allgemein geübten Sitte. Bie-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/407
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/407>, abgerufen am 15.01.2025.