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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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ein dritter hinzu, "nein, sondern die kleinen Fäden, mit denen die Reifen
zusammengebunden sind, die halten den Wein im Faß; so scheint das
Schweigen wol klein und wird von gar Vielen gering geachtet, und doch ist
es der Nerv des Klostcrlebens."

Man sieht, wie ganz äußerlich diese Mittel sind. Auch entbehrten diese
aus den Klöstern selbst hervorgegangenen Reformversuche jedes dauernden
Erfolges. Die Verspottung der Mönche und Nonnen, die frivole Freude über
die Aufdeckung ihres leichtfertigen, schamlosen Treibens kehrt in der profanen
Literatur ebenso regelmäßig wieder wie in der geistlichen die bittersten Klagen
über dies heillose Wesen; nichts vermochte die Lust um Scandal reichlicher
zu befriedigen als dieses Thema. Es-ist daher ganz irrig, die ersten An¬
griffe auf die Klöster von den Reformatoren herzuleiten, diese haben nur zu¬
erst den Grundirrthum des ganzen Instituts bestimmt ausgesprochen und seine
Beseitigung gefordert, während niam bisher sich immer vergeblich bemüht
hatte, dasselbe zu regeneriren. Noch viel irriger ist die Anklage, daß sie sich der
Anfeindung der Klöster als einer Waffe im Kampfe gegen die herrschende
Kirche bedient hätten; ganz im Gegentheil erklärt sich der reißend schnelle
Erfolg der Reformation zum großen Theil aus der alte Schichten der dama¬
ligen Welt gleichmäßig durchdringenden Entrüstung und Scham über die gänz¬
liche Versunkenheit der Klostergeistlichen sowol wie der Weltgeistlichen, aus
der allgemeinem Verachtung gegen einen Stand, der sich des besonderen Be¬
sitzes der göttlichen Gnade rühmte, während er durch sein Beispiel das sitt¬
liche Bewußtsein empörte. So war es in der That ein ernstes und wahres
Wort, welches die Hussiten in der den Reichsständen 1431 überreichten Apo¬
logie aussprachen: "Ob wir sie verjagen und ihre Klöster brechen, damit
stören wir nicht den Dienst Gottes, sondern die Besten jder Teufel. Etwa"
glaubten wir auch, sie wären heilig, und da wir sie recht erkannten und ver¬
merkten ihr Leben und ihre Werte, erkannten wir, daß sie sind heilige Gleis¬
ner und demüthige Schalle und Buben. Und wenn ihr sie erkennet, ihr wür¬
det sie frisch zerstören also wir." -- Eine Bewegung analog derjenigen, welche
die Klöster ins Leben gerufen hatte, richtete sich jetzt gegen die Klöster: hatt.e
mau sich damals aus der Verwilderung der Welt in die Klöster geflüchtet, s"
rettete man sich jetzt aus der Verwilderung der Kirche in den protestantischen
Glauben.

Ein treues und deutliches Bild von den inneren Verhältnissen der Klöster
läßt sich nur durch Zusammenstellung vieler zerstreuter Details gewinne".
Zunächst darf man die Verhältnisse der heute noch vorhandenen nicht auf d>e
des Mittelalters übertragen wollen, sonst denkt man sie sich nur zu leicht von
allem Verkehr mit der Außenwelt abgesondert, ihre Bewohner vom Anblick
jedes profanen Menschengesichis abgeschlossen, mit nichts als mit Singen,


ein dritter hinzu, „nein, sondern die kleinen Fäden, mit denen die Reifen
zusammengebunden sind, die halten den Wein im Faß; so scheint das
Schweigen wol klein und wird von gar Vielen gering geachtet, und doch ist
es der Nerv des Klostcrlebens."

Man sieht, wie ganz äußerlich diese Mittel sind. Auch entbehrten diese
aus den Klöstern selbst hervorgegangenen Reformversuche jedes dauernden
Erfolges. Die Verspottung der Mönche und Nonnen, die frivole Freude über
die Aufdeckung ihres leichtfertigen, schamlosen Treibens kehrt in der profanen
Literatur ebenso regelmäßig wieder wie in der geistlichen die bittersten Klagen
über dies heillose Wesen; nichts vermochte die Lust um Scandal reichlicher
zu befriedigen als dieses Thema. Es-ist daher ganz irrig, die ersten An¬
griffe auf die Klöster von den Reformatoren herzuleiten, diese haben nur zu¬
erst den Grundirrthum des ganzen Instituts bestimmt ausgesprochen und seine
Beseitigung gefordert, während niam bisher sich immer vergeblich bemüht
hatte, dasselbe zu regeneriren. Noch viel irriger ist die Anklage, daß sie sich der
Anfeindung der Klöster als einer Waffe im Kampfe gegen die herrschende
Kirche bedient hätten; ganz im Gegentheil erklärt sich der reißend schnelle
Erfolg der Reformation zum großen Theil aus der alte Schichten der dama¬
ligen Welt gleichmäßig durchdringenden Entrüstung und Scham über die gänz¬
liche Versunkenheit der Klostergeistlichen sowol wie der Weltgeistlichen, aus
der allgemeinem Verachtung gegen einen Stand, der sich des besonderen Be¬
sitzes der göttlichen Gnade rühmte, während er durch sein Beispiel das sitt¬
liche Bewußtsein empörte. So war es in der That ein ernstes und wahres
Wort, welches die Hussiten in der den Reichsständen 1431 überreichten Apo¬
logie aussprachen: „Ob wir sie verjagen und ihre Klöster brechen, damit
stören wir nicht den Dienst Gottes, sondern die Besten jder Teufel. Etwa»
glaubten wir auch, sie wären heilig, und da wir sie recht erkannten und ver¬
merkten ihr Leben und ihre Werte, erkannten wir, daß sie sind heilige Gleis¬
ner und demüthige Schalle und Buben. Und wenn ihr sie erkennet, ihr wür¬
det sie frisch zerstören also wir." — Eine Bewegung analog derjenigen, welche
die Klöster ins Leben gerufen hatte, richtete sich jetzt gegen die Klöster: hatt.e
mau sich damals aus der Verwilderung der Welt in die Klöster geflüchtet, s"
rettete man sich jetzt aus der Verwilderung der Kirche in den protestantischen
Glauben.

Ein treues und deutliches Bild von den inneren Verhältnissen der Klöster
läßt sich nur durch Zusammenstellung vieler zerstreuter Details gewinne».
Zunächst darf man die Verhältnisse der heute noch vorhandenen nicht auf d>e
des Mittelalters übertragen wollen, sonst denkt man sie sich nur zu leicht von
allem Verkehr mit der Außenwelt abgesondert, ihre Bewohner vom Anblick
jedes profanen Menschengesichis abgeschlossen, mit nichts als mit Singen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/404>, abgerufen am 15.01.2025.