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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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gewann man früher aus den Beeren des Waldes, man läßt anch diese jetzt lieber
verfaulen, als daß man sich der Schnüffelei der "Finanzier" unterzöge. Ehe
der Tabaksverkauf Staatsmonopol wurde, wurde in Tirol viel Tabak gebaut,
namentlich eine Varietät für den Hausgebrauch, welche feinen Nasen zwar
unerträglich und daher nicht verkäuflich war, aber doch das harte Klima ver¬
trug. Hätte das Aerar den Anbau erlaubt, so würde es gewiß wenig Scha¬
den erlitten haben, um so weniger als die Bauern jetzt ihren Bedarf vom
Auslande einschmuggelten. Sie kamen bei jedem Anlaß auf diesen Gegenstand
zurück und verlangten auch 1848 das Recht des freien Anbaues, welches ihnen .
Erzherzog Johann auf dem Markte zu Imst zugestand. Leider zog es die
Regierung, als die Gefahr vorüber war, sogleich wieder zurück und hinterließ
dadurch in allen Gemüthern einen scharfen Stachel. Neuerdings wurde der
Anbau wieder gestattet, jedoch unter solchen Klauseln, daß sich niemand damit
befassen mag und der Verdruß nur gesteigert wurde.

Das siud Alles Dinge, welche sich auf den Geldbeutel, bei dem über¬
haupt die Gemüthlichkeit aufhört, beziehen. Fragen wir nun nach dem Rechts¬
zustand des Landes. Zuerst wurde ihm, als hätte es sich wie andere Pro¬
vinzen in offenem Aufruhr befunden, sein urkundlich und vertragsmäßig ver¬
briefter Landtag, in so weit Metternich seine Befugnisse nicht bereits eskamotirt
hatte, genommen. Bürger und Bauern, welche im natürlichen Verlauf der Zeiten
das Uebergewicht über die privilegirten Stände des Klerus und Adels errun¬
gen, hatten auf dem Landtage von 1848 die ihnen gebührende größere An¬
zahl Stimmen erhalten. Waren auch die alten Stände für alle Verständigen
längst ein Gegenstand des Spottes geworden, so sehnte man sich doch nach
einem Organe, um die Wünsche einer hartgeprüftcn und dennoch treu ergebe-,
nen Bevölkerung vor die Stufen des Thrones zu bringen. Herr von Bach
hielt es jedoch für bequemer, in lautloser Stille zu regieren; um über die Be¬
dürfnisse der Provinzen ins Klare zu kommen, genügten ja die offiziellen Be¬
richte aus den Kanzleien. Als die Siege Napoleons des Dritten Oestreich
von Grünne und Bach befreit hatten, wollte man den Provinzen wieder
Statute geben. Die Statthaltern berief in Tirol Männer ihres Vertrauens
und nicht des Volkes, welche über die Sache berathen sollten. Was sie zu
Stande brachten, genügte wol den Ansprüchen von Klerus und Adel, was je'
doch Herr Geheimrath Goluchowski. diese verunglückte zweite Auflage von
Bach, als Landesstatut veröffentlichte, rief nur einen Schrei des Unwillens
durch ganz Tirol hervor, einen so lauten Schrei, daß man ihn nach einer be¬
liebten Phrase hoher Herren nicht mehr als das Geschwätz einiger Idealisten
und Kaffeehauspvlitiker erklären konnte.

Und wie stand es während dieser Epoche mit der persönlichen Sicherheit?
Bisher hallten die Gerichtsdiener. meist ortskundige, geachtete Männer, aus-


gewann man früher aus den Beeren des Waldes, man läßt anch diese jetzt lieber
verfaulen, als daß man sich der Schnüffelei der „Finanzier" unterzöge. Ehe
der Tabaksverkauf Staatsmonopol wurde, wurde in Tirol viel Tabak gebaut,
namentlich eine Varietät für den Hausgebrauch, welche feinen Nasen zwar
unerträglich und daher nicht verkäuflich war, aber doch das harte Klima ver¬
trug. Hätte das Aerar den Anbau erlaubt, so würde es gewiß wenig Scha¬
den erlitten haben, um so weniger als die Bauern jetzt ihren Bedarf vom
Auslande einschmuggelten. Sie kamen bei jedem Anlaß auf diesen Gegenstand
zurück und verlangten auch 1848 das Recht des freien Anbaues, welches ihnen .
Erzherzog Johann auf dem Markte zu Imst zugestand. Leider zog es die
Regierung, als die Gefahr vorüber war, sogleich wieder zurück und hinterließ
dadurch in allen Gemüthern einen scharfen Stachel. Neuerdings wurde der
Anbau wieder gestattet, jedoch unter solchen Klauseln, daß sich niemand damit
befassen mag und der Verdruß nur gesteigert wurde.

Das siud Alles Dinge, welche sich auf den Geldbeutel, bei dem über¬
haupt die Gemüthlichkeit aufhört, beziehen. Fragen wir nun nach dem Rechts¬
zustand des Landes. Zuerst wurde ihm, als hätte es sich wie andere Pro¬
vinzen in offenem Aufruhr befunden, sein urkundlich und vertragsmäßig ver¬
briefter Landtag, in so weit Metternich seine Befugnisse nicht bereits eskamotirt
hatte, genommen. Bürger und Bauern, welche im natürlichen Verlauf der Zeiten
das Uebergewicht über die privilegirten Stände des Klerus und Adels errun¬
gen, hatten auf dem Landtage von 1848 die ihnen gebührende größere An¬
zahl Stimmen erhalten. Waren auch die alten Stände für alle Verständigen
längst ein Gegenstand des Spottes geworden, so sehnte man sich doch nach
einem Organe, um die Wünsche einer hartgeprüftcn und dennoch treu ergebe-,
nen Bevölkerung vor die Stufen des Thrones zu bringen. Herr von Bach
hielt es jedoch für bequemer, in lautloser Stille zu regieren; um über die Be¬
dürfnisse der Provinzen ins Klare zu kommen, genügten ja die offiziellen Be¬
richte aus den Kanzleien. Als die Siege Napoleons des Dritten Oestreich
von Grünne und Bach befreit hatten, wollte man den Provinzen wieder
Statute geben. Die Statthaltern berief in Tirol Männer ihres Vertrauens
und nicht des Volkes, welche über die Sache berathen sollten. Was sie zu
Stande brachten, genügte wol den Ansprüchen von Klerus und Adel, was je'
doch Herr Geheimrath Goluchowski. diese verunglückte zweite Auflage von
Bach, als Landesstatut veröffentlichte, rief nur einen Schrei des Unwillens
durch ganz Tirol hervor, einen so lauten Schrei, daß man ihn nach einer be¬
liebten Phrase hoher Herren nicht mehr als das Geschwätz einiger Idealisten
und Kaffeehauspvlitiker erklären konnte.

Und wie stand es während dieser Epoche mit der persönlichen Sicherheit?
Bisher hallten die Gerichtsdiener. meist ortskundige, geachtete Männer, aus-


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[0384] gewann man früher aus den Beeren des Waldes, man läßt anch diese jetzt lieber verfaulen, als daß man sich der Schnüffelei der „Finanzier" unterzöge. Ehe der Tabaksverkauf Staatsmonopol wurde, wurde in Tirol viel Tabak gebaut, namentlich eine Varietät für den Hausgebrauch, welche feinen Nasen zwar unerträglich und daher nicht verkäuflich war, aber doch das harte Klima ver¬ trug. Hätte das Aerar den Anbau erlaubt, so würde es gewiß wenig Scha¬ den erlitten haben, um so weniger als die Bauern jetzt ihren Bedarf vom Auslande einschmuggelten. Sie kamen bei jedem Anlaß auf diesen Gegenstand zurück und verlangten auch 1848 das Recht des freien Anbaues, welches ihnen . Erzherzog Johann auf dem Markte zu Imst zugestand. Leider zog es die Regierung, als die Gefahr vorüber war, sogleich wieder zurück und hinterließ dadurch in allen Gemüthern einen scharfen Stachel. Neuerdings wurde der Anbau wieder gestattet, jedoch unter solchen Klauseln, daß sich niemand damit befassen mag und der Verdruß nur gesteigert wurde. Das siud Alles Dinge, welche sich auf den Geldbeutel, bei dem über¬ haupt die Gemüthlichkeit aufhört, beziehen. Fragen wir nun nach dem Rechts¬ zustand des Landes. Zuerst wurde ihm, als hätte es sich wie andere Pro¬ vinzen in offenem Aufruhr befunden, sein urkundlich und vertragsmäßig ver¬ briefter Landtag, in so weit Metternich seine Befugnisse nicht bereits eskamotirt hatte, genommen. Bürger und Bauern, welche im natürlichen Verlauf der Zeiten das Uebergewicht über die privilegirten Stände des Klerus und Adels errun¬ gen, hatten auf dem Landtage von 1848 die ihnen gebührende größere An¬ zahl Stimmen erhalten. Waren auch die alten Stände für alle Verständigen längst ein Gegenstand des Spottes geworden, so sehnte man sich doch nach einem Organe, um die Wünsche einer hartgeprüftcn und dennoch treu ergebe-, nen Bevölkerung vor die Stufen des Thrones zu bringen. Herr von Bach hielt es jedoch für bequemer, in lautloser Stille zu regieren; um über die Be¬ dürfnisse der Provinzen ins Klare zu kommen, genügten ja die offiziellen Be¬ richte aus den Kanzleien. Als die Siege Napoleons des Dritten Oestreich von Grünne und Bach befreit hatten, wollte man den Provinzen wieder Statute geben. Die Statthaltern berief in Tirol Männer ihres Vertrauens und nicht des Volkes, welche über die Sache berathen sollten. Was sie zu Stande brachten, genügte wol den Ansprüchen von Klerus und Adel, was je' doch Herr Geheimrath Goluchowski. diese verunglückte zweite Auflage von Bach, als Landesstatut veröffentlichte, rief nur einen Schrei des Unwillens durch ganz Tirol hervor, einen so lauten Schrei, daß man ihn nach einer be¬ liebten Phrase hoher Herren nicht mehr als das Geschwätz einiger Idealisten und Kaffeehauspvlitiker erklären konnte. Und wie stand es während dieser Epoche mit der persönlichen Sicherheit? Bisher hallten die Gerichtsdiener. meist ortskundige, geachtete Männer, aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/384>, abgerufen am 16.01.2025.