Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gereicht, die Ordnung aufrecht zu erhalten, und sie wurden dabei gern von
der Bevölkerung unterstützt. Da schuf man das Corps der Gensdarmen, diese
blinde Vorsehung einer verblendeten Negierung. Mit glänzenden Pickelhauben,
geflochtenen Fangschnüren und weißen Handschuhen geschmückt, patroullirten sie
Paar um Paar zu bestimmten Stunden auf der Straße, belästigten harmlose
Reisende, so daß diese nicht hundert Schritte ohne Paß hinter dem Wagen
zurückbleiben konnten, wenn sie nicht arretirt werden wollten, wie dies so¬
gar einem Bezirksrichter auf dem Brenner widerfuhr, und sorgten auf den Dör¬
fern für den Nachwuchs der Jugend, während Diebe und Vagabunden ihnen
aus dem Weg gingen und die Seitenthäler aufsuchten. Wie einer ihrer Offi¬
ziere mit Selbstgefühl versicherte, war auch eigentlich die niedere Polizei für
sie nur Nebensache, ihre Aufgabe lag höher, sie sollten spioniren, ob niemand
etwas gegen die Negierung und die Dynastie äußere und dabei eine geheime
Controlle über die Beamten üben, welche ihrer Denunciation schutzlos preis¬
gegeben waren und sich daher vor jedem Wachtmeister bücken mußten. Selbst
Kellnerinnen forderten sie auf, ihnen über die Gespräche ihrer Gäste Mittheilung
zu machen. Man kann sich leicht denken, mit welchen Augen unsere fleißigen, viel'
geplagten Bauern diese Müßiggänger, für deren Verpflegung sie zu sorgen
hatten, betrachteten. Dazu kommt noch der schöne Paragraph 63 über Maje-
stätsbeleidigung, welchen mau überdies durch geheime Jnstructionen an die
Landesgerichtsräthe verschärft hatte, und dessen Handhabung ehrgeizige Be¬
amte benützten, um sich nach oben beliebt zu machen. Wie man verfuhr,
wöge ein Beispiel zeigen. Ein Herr trank in einem Wirthshause einen Schop¬
pen Wein. Da er kein Kleingeld hatte, sagte die Kellnerin: "Zahlen Sie ein
anderes Mal, hat ja der Kaiser auch Schulden!" Sie wurde denuncirt und
wegen Majestätsbeleidigung eingesperrt. Um den Verkehr noch unsicherer zu
wachen, wurde nebst den Gensdarmen ein Schwarm geheimer Denuncianten
aus "Um Ständen bezahlt, welche ihr Brot auch uicht umsonst essen wollte"
und alle geselligen Beziehungen vergifteten. Dem Briefgeheimnis; wollte nie¬
wand mehr vertrauen. Man versäumte lieber Wochen und Monate, um eine
sichere Gelegenheit zu erwarten, wenn man Mittheilungen irgend einer Art ma¬
chen wollte, von denen mau nicht wünschte, daß jemand anderes als der
Adressat sie sehe. Oh die politische Corruption wirklich so groß war, thut nichts
Zur Sache, genug, daß man dieselbe für so groß hielt. War die Freiheit des
wündtichcn. schriftlichen Wortes auf diese Weise unterbunden, so ha-ete man
die Presse vollständig gefesselt, so daß sie. gleichviel ob offiziell oder nicht.
Zur Lüge verurtheilt war. Nicht einmal schweigen durfte sie, wenn sie wollte;
Wem schrieb ihr vor, wie sie die Fragen des Tages aufzufassen habe. Aus-
wärtige Journale wurden confiscire und auf ihre Mitarbeiter im Inlande
geahndet. So wurde ein Advocat in Botzen wegen einiger mißliebiger


gereicht, die Ordnung aufrecht zu erhalten, und sie wurden dabei gern von
der Bevölkerung unterstützt. Da schuf man das Corps der Gensdarmen, diese
blinde Vorsehung einer verblendeten Negierung. Mit glänzenden Pickelhauben,
geflochtenen Fangschnüren und weißen Handschuhen geschmückt, patroullirten sie
Paar um Paar zu bestimmten Stunden auf der Straße, belästigten harmlose
Reisende, so daß diese nicht hundert Schritte ohne Paß hinter dem Wagen
zurückbleiben konnten, wenn sie nicht arretirt werden wollten, wie dies so¬
gar einem Bezirksrichter auf dem Brenner widerfuhr, und sorgten auf den Dör¬
fern für den Nachwuchs der Jugend, während Diebe und Vagabunden ihnen
aus dem Weg gingen und die Seitenthäler aufsuchten. Wie einer ihrer Offi¬
ziere mit Selbstgefühl versicherte, war auch eigentlich die niedere Polizei für
sie nur Nebensache, ihre Aufgabe lag höher, sie sollten spioniren, ob niemand
etwas gegen die Negierung und die Dynastie äußere und dabei eine geheime
Controlle über die Beamten üben, welche ihrer Denunciation schutzlos preis¬
gegeben waren und sich daher vor jedem Wachtmeister bücken mußten. Selbst
Kellnerinnen forderten sie auf, ihnen über die Gespräche ihrer Gäste Mittheilung
zu machen. Man kann sich leicht denken, mit welchen Augen unsere fleißigen, viel'
geplagten Bauern diese Müßiggänger, für deren Verpflegung sie zu sorgen
hatten, betrachteten. Dazu kommt noch der schöne Paragraph 63 über Maje-
stätsbeleidigung, welchen mau überdies durch geheime Jnstructionen an die
Landesgerichtsräthe verschärft hatte, und dessen Handhabung ehrgeizige Be¬
amte benützten, um sich nach oben beliebt zu machen. Wie man verfuhr,
wöge ein Beispiel zeigen. Ein Herr trank in einem Wirthshause einen Schop¬
pen Wein. Da er kein Kleingeld hatte, sagte die Kellnerin: „Zahlen Sie ein
anderes Mal, hat ja der Kaiser auch Schulden!" Sie wurde denuncirt und
wegen Majestätsbeleidigung eingesperrt. Um den Verkehr noch unsicherer zu
wachen, wurde nebst den Gensdarmen ein Schwarm geheimer Denuncianten
aus «Um Ständen bezahlt, welche ihr Brot auch uicht umsonst essen wollte»
und alle geselligen Beziehungen vergifteten. Dem Briefgeheimnis; wollte nie¬
wand mehr vertrauen. Man versäumte lieber Wochen und Monate, um eine
sichere Gelegenheit zu erwarten, wenn man Mittheilungen irgend einer Art ma¬
chen wollte, von denen mau nicht wünschte, daß jemand anderes als der
Adressat sie sehe. Oh die politische Corruption wirklich so groß war, thut nichts
Zur Sache, genug, daß man dieselbe für so groß hielt. War die Freiheit des
wündtichcn. schriftlichen Wortes auf diese Weise unterbunden, so ha-ete man
die Presse vollständig gefesselt, so daß sie. gleichviel ob offiziell oder nicht.
Zur Lüge verurtheilt war. Nicht einmal schweigen durfte sie, wenn sie wollte;
Wem schrieb ihr vor, wie sie die Fragen des Tages aufzufassen habe. Aus-
wärtige Journale wurden confiscire und auf ihre Mitarbeiter im Inlande
geahndet. So wurde ein Advocat in Botzen wegen einiger mißliebiger


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0385" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111279"/>
          <p xml:id="ID_1296" prev="#ID_1295" next="#ID_1297"> gereicht, die Ordnung aufrecht zu erhalten, und sie wurden dabei gern von<lb/>
der Bevölkerung unterstützt. Da schuf man das Corps der Gensdarmen, diese<lb/>
blinde Vorsehung einer verblendeten Negierung. Mit glänzenden Pickelhauben,<lb/>
geflochtenen Fangschnüren und weißen Handschuhen geschmückt, patroullirten sie<lb/>
Paar um Paar zu bestimmten Stunden auf der Straße, belästigten harmlose<lb/>
Reisende, so daß diese nicht hundert Schritte ohne Paß hinter dem Wagen<lb/>
zurückbleiben konnten, wenn sie nicht arretirt werden wollten, wie dies so¬<lb/>
gar einem Bezirksrichter auf dem Brenner widerfuhr, und sorgten auf den Dör¬<lb/>
fern für den Nachwuchs der Jugend, während Diebe und Vagabunden ihnen<lb/>
aus dem Weg gingen und die Seitenthäler aufsuchten. Wie einer ihrer Offi¬<lb/>
ziere mit Selbstgefühl versicherte, war auch eigentlich die niedere Polizei für<lb/>
sie nur Nebensache, ihre Aufgabe lag höher, sie sollten spioniren, ob niemand<lb/>
etwas gegen die Negierung und die Dynastie äußere und dabei eine geheime<lb/>
Controlle über die Beamten üben, welche ihrer Denunciation schutzlos preis¬<lb/>
gegeben waren und sich daher vor jedem Wachtmeister bücken mußten. Selbst<lb/>
Kellnerinnen forderten sie auf, ihnen über die Gespräche ihrer Gäste Mittheilung<lb/>
zu machen. Man kann sich leicht denken, mit welchen Augen unsere fleißigen, viel'<lb/>
geplagten Bauern diese Müßiggänger, für deren Verpflegung sie zu sorgen<lb/>
hatten, betrachteten. Dazu kommt noch der schöne Paragraph 63 über Maje-<lb/>
stätsbeleidigung, welchen mau überdies durch geheime Jnstructionen an die<lb/>
Landesgerichtsräthe verschärft hatte, und dessen Handhabung ehrgeizige Be¬<lb/>
amte benützten, um sich nach oben beliebt zu machen. Wie man verfuhr,<lb/>
wöge ein Beispiel zeigen. Ein Herr trank in einem Wirthshause einen Schop¬<lb/>
pen Wein. Da er kein Kleingeld hatte, sagte die Kellnerin: &#x201E;Zahlen Sie ein<lb/>
anderes Mal, hat ja der Kaiser auch Schulden!" Sie wurde denuncirt und<lb/>
wegen Majestätsbeleidigung eingesperrt. Um den Verkehr noch unsicherer zu<lb/>
wachen, wurde nebst den Gensdarmen ein Schwarm geheimer Denuncianten<lb/>
aus «Um Ständen bezahlt, welche ihr Brot auch uicht umsonst essen wollte»<lb/>
und alle geselligen Beziehungen vergifteten. Dem Briefgeheimnis; wollte nie¬<lb/>
wand mehr vertrauen. Man versäumte lieber Wochen und Monate, um eine<lb/>
sichere Gelegenheit zu erwarten, wenn man Mittheilungen irgend einer Art ma¬<lb/>
chen wollte, von denen mau nicht wünschte, daß jemand anderes als der<lb/>
Adressat sie sehe. Oh die politische Corruption wirklich so groß war, thut nichts<lb/>
Zur Sache, genug, daß man dieselbe für so groß hielt. War die Freiheit des<lb/>
wündtichcn. schriftlichen Wortes auf diese Weise unterbunden, so ha-ete man<lb/>
die Presse vollständig gefesselt, so daß sie. gleichviel ob offiziell oder nicht.<lb/>
Zur Lüge verurtheilt war. Nicht einmal schweigen durfte sie, wenn sie wollte;<lb/>
Wem schrieb ihr vor, wie sie die Fragen des Tages aufzufassen habe. Aus-<lb/>
wärtige Journale wurden confiscire und auf ihre Mitarbeiter im Inlande<lb/>
geahndet.  So wurde ein Advocat in Botzen wegen einiger mißliebiger</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0385] gereicht, die Ordnung aufrecht zu erhalten, und sie wurden dabei gern von der Bevölkerung unterstützt. Da schuf man das Corps der Gensdarmen, diese blinde Vorsehung einer verblendeten Negierung. Mit glänzenden Pickelhauben, geflochtenen Fangschnüren und weißen Handschuhen geschmückt, patroullirten sie Paar um Paar zu bestimmten Stunden auf der Straße, belästigten harmlose Reisende, so daß diese nicht hundert Schritte ohne Paß hinter dem Wagen zurückbleiben konnten, wenn sie nicht arretirt werden wollten, wie dies so¬ gar einem Bezirksrichter auf dem Brenner widerfuhr, und sorgten auf den Dör¬ fern für den Nachwuchs der Jugend, während Diebe und Vagabunden ihnen aus dem Weg gingen und die Seitenthäler aufsuchten. Wie einer ihrer Offi¬ ziere mit Selbstgefühl versicherte, war auch eigentlich die niedere Polizei für sie nur Nebensache, ihre Aufgabe lag höher, sie sollten spioniren, ob niemand etwas gegen die Negierung und die Dynastie äußere und dabei eine geheime Controlle über die Beamten üben, welche ihrer Denunciation schutzlos preis¬ gegeben waren und sich daher vor jedem Wachtmeister bücken mußten. Selbst Kellnerinnen forderten sie auf, ihnen über die Gespräche ihrer Gäste Mittheilung zu machen. Man kann sich leicht denken, mit welchen Augen unsere fleißigen, viel' geplagten Bauern diese Müßiggänger, für deren Verpflegung sie zu sorgen hatten, betrachteten. Dazu kommt noch der schöne Paragraph 63 über Maje- stätsbeleidigung, welchen mau überdies durch geheime Jnstructionen an die Landesgerichtsräthe verschärft hatte, und dessen Handhabung ehrgeizige Be¬ amte benützten, um sich nach oben beliebt zu machen. Wie man verfuhr, wöge ein Beispiel zeigen. Ein Herr trank in einem Wirthshause einen Schop¬ pen Wein. Da er kein Kleingeld hatte, sagte die Kellnerin: „Zahlen Sie ein anderes Mal, hat ja der Kaiser auch Schulden!" Sie wurde denuncirt und wegen Majestätsbeleidigung eingesperrt. Um den Verkehr noch unsicherer zu wachen, wurde nebst den Gensdarmen ein Schwarm geheimer Denuncianten aus «Um Ständen bezahlt, welche ihr Brot auch uicht umsonst essen wollte» und alle geselligen Beziehungen vergifteten. Dem Briefgeheimnis; wollte nie¬ wand mehr vertrauen. Man versäumte lieber Wochen und Monate, um eine sichere Gelegenheit zu erwarten, wenn man Mittheilungen irgend einer Art ma¬ chen wollte, von denen mau nicht wünschte, daß jemand anderes als der Adressat sie sehe. Oh die politische Corruption wirklich so groß war, thut nichts Zur Sache, genug, daß man dieselbe für so groß hielt. War die Freiheit des wündtichcn. schriftlichen Wortes auf diese Weise unterbunden, so ha-ete man die Presse vollständig gefesselt, so daß sie. gleichviel ob offiziell oder nicht. Zur Lüge verurtheilt war. Nicht einmal schweigen durfte sie, wenn sie wollte; Wem schrieb ihr vor, wie sie die Fragen des Tages aufzufassen habe. Aus- wärtige Journale wurden confiscire und auf ihre Mitarbeiter im Inlande geahndet. So wurde ein Advocat in Botzen wegen einiger mißliebiger

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/385
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/385>, abgerufen am 15.01.2025.