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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Einmal zeigte er einigen Diplomaten den Entwurf einer Verfassung, hatte
aber nicht den Muth, denselben dem König vorzulegen und bat einen Adju¬
tanten des Kaisers Napoleon, Noguet, ihn Sr. Majestät zu Präsentiren, als
ob es ein Vorschlag der französischen Regierung sei. Die letzten Monate des
Jahres 1859 vergingen in unfruchtbarem Schwanken darüber, ob man den
pariser Congreß beschicken solle; im Innern geschah nichts zur Besserung, im
Gegentheil nach den veröffentlichten Depeschen des französischen Gesandten
Baron Bremer wurden die Verfolgungen nur heftiger betrieben. Ein Cir-
cnlar des Polizeiministcrs Ajofsa an die Intendanten befiehlt: "ohne die ge¬
ringste Zögerung gefangen zu nehmen quiccmque otkrirait ach Äsments -So
cuIrigMitu et möML av simples Londons," und erwartet deu Beweis durch
die That, daß die Adressaten von der Wichtigkeit dieses Befehls durchdrungen
seien. Später befiehlt er in einem geheimen Circular, alle die festzusetzen,
welche Sympathien für die Bewegung zeigen, eventuell sogar die, welche da¬
rüber sprechen oder Nachrichten davon verlangen.

Es läßt sich begreifen,' daß bei einem solchen Zustande die Expedition
Garibaldis nur der Funke war, der in ein Pulverfaß flog. Eine geistreiche
und wie es scheint wohlunterrichtete Feder des neuesten Heftes der preußischen
Jahrbücher führt den Zug des kühnen Mannes auf die Anregung Napoleons
zurück, der dadurch dem Grafen Cavour Verlegenheiten bereiten wollte. Wir
wollen dies dahin gestellt sein lassen, jedenfalls hat Garjbaldi sich nicht an
diesen Mandatar gebunden, und seine unerwartet raschen Fortschritte konnten
dem Ccibinct der Tuilerien nicht willkommen sein.- Herr v. Persigny ward
beauftragt, England eine gemeinsame Intervention vorzuschlagen, um den
Dictator Siciliens zu verhindern, seine Operationen auf das Festland auszu¬
dehnen. Aber Lord John Russell will nicht darauf eingehen, obwol er da¬
mals noch erklärt, "daß es gewiß viel vortheilhafter für Italien sei, zwei
Gruppen von verbündeten Staaten zu bilden, als nach einer vielleicht un¬
möglichen Einheit zu streben, die jedenfalls sofort zu einem neuen Kriege mit
Oestreich führen müsse." Beide Mächte riethen daher in Neapel zu weitern Nefor"
men und zum Abschluß eiuer Allianz mit Piemont. Die Noth machte den Hos
nachgiebig, eine liberale Verfassung ward gewährt, die Herren Monna und
Winspeare gingen.nach Turin ab. Aber es war dem Grafen Cavour nicht
zu verdenken, wenn er etwas mißtrauisch auf diese Anervietuugen sah und
erwiderte, daß man eine weitere Consolidirung der Zustände in Neapel ab'
warte" müsse. Inzwischen setzte Garibaldi über die Meerenge und rückte un
Eilmarsch auf Neapel, wo er eine provisorische Negierung bildete. ^Hier saw-
weiten sich nun um ihn, dessen Patriotismus und Tapferkeit niemand bezwei¬
felt, dessen geringe politische Einsicht aber die Depeschen Elliots auss n""
zeigen, die extremen Männer der Revolution, Mazzini an der Spitze, die U"-


Einmal zeigte er einigen Diplomaten den Entwurf einer Verfassung, hatte
aber nicht den Muth, denselben dem König vorzulegen und bat einen Adju¬
tanten des Kaisers Napoleon, Noguet, ihn Sr. Majestät zu Präsentiren, als
ob es ein Vorschlag der französischen Regierung sei. Die letzten Monate des
Jahres 1859 vergingen in unfruchtbarem Schwanken darüber, ob man den
pariser Congreß beschicken solle; im Innern geschah nichts zur Besserung, im
Gegentheil nach den veröffentlichten Depeschen des französischen Gesandten
Baron Bremer wurden die Verfolgungen nur heftiger betrieben. Ein Cir-
cnlar des Polizeiministcrs Ajofsa an die Intendanten befiehlt: „ohne die ge¬
ringste Zögerung gefangen zu nehmen quiccmque otkrirait ach Äsments -So
cuIrigMitu et möML av simples Londons," und erwartet deu Beweis durch
die That, daß die Adressaten von der Wichtigkeit dieses Befehls durchdrungen
seien. Später befiehlt er in einem geheimen Circular, alle die festzusetzen,
welche Sympathien für die Bewegung zeigen, eventuell sogar die, welche da¬
rüber sprechen oder Nachrichten davon verlangen.

Es läßt sich begreifen,' daß bei einem solchen Zustande die Expedition
Garibaldis nur der Funke war, der in ein Pulverfaß flog. Eine geistreiche
und wie es scheint wohlunterrichtete Feder des neuesten Heftes der preußischen
Jahrbücher führt den Zug des kühnen Mannes auf die Anregung Napoleons
zurück, der dadurch dem Grafen Cavour Verlegenheiten bereiten wollte. Wir
wollen dies dahin gestellt sein lassen, jedenfalls hat Garjbaldi sich nicht an
diesen Mandatar gebunden, und seine unerwartet raschen Fortschritte konnten
dem Ccibinct der Tuilerien nicht willkommen sein.- Herr v. Persigny ward
beauftragt, England eine gemeinsame Intervention vorzuschlagen, um den
Dictator Siciliens zu verhindern, seine Operationen auf das Festland auszu¬
dehnen. Aber Lord John Russell will nicht darauf eingehen, obwol er da¬
mals noch erklärt, „daß es gewiß viel vortheilhafter für Italien sei, zwei
Gruppen von verbündeten Staaten zu bilden, als nach einer vielleicht un¬
möglichen Einheit zu streben, die jedenfalls sofort zu einem neuen Kriege mit
Oestreich führen müsse." Beide Mächte riethen daher in Neapel zu weitern Nefor"
men und zum Abschluß eiuer Allianz mit Piemont. Die Noth machte den Hos
nachgiebig, eine liberale Verfassung ward gewährt, die Herren Monna und
Winspeare gingen.nach Turin ab. Aber es war dem Grafen Cavour nicht
zu verdenken, wenn er etwas mißtrauisch auf diese Anervietuugen sah und
erwiderte, daß man eine weitere Consolidirung der Zustände in Neapel ab'
warte» müsse. Inzwischen setzte Garibaldi über die Meerenge und rückte un
Eilmarsch auf Neapel, wo er eine provisorische Negierung bildete. ^Hier saw-
weiten sich nun um ihn, dessen Patriotismus und Tapferkeit niemand bezwei¬
felt, dessen geringe politische Einsicht aber die Depeschen Elliots auss n""
zeigen, die extremen Männer der Revolution, Mazzini an der Spitze, die U»-


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[0374] Einmal zeigte er einigen Diplomaten den Entwurf einer Verfassung, hatte aber nicht den Muth, denselben dem König vorzulegen und bat einen Adju¬ tanten des Kaisers Napoleon, Noguet, ihn Sr. Majestät zu Präsentiren, als ob es ein Vorschlag der französischen Regierung sei. Die letzten Monate des Jahres 1859 vergingen in unfruchtbarem Schwanken darüber, ob man den pariser Congreß beschicken solle; im Innern geschah nichts zur Besserung, im Gegentheil nach den veröffentlichten Depeschen des französischen Gesandten Baron Bremer wurden die Verfolgungen nur heftiger betrieben. Ein Cir- cnlar des Polizeiministcrs Ajofsa an die Intendanten befiehlt: „ohne die ge¬ ringste Zögerung gefangen zu nehmen quiccmque otkrirait ach Äsments -So cuIrigMitu et möML av simples Londons," und erwartet deu Beweis durch die That, daß die Adressaten von der Wichtigkeit dieses Befehls durchdrungen seien. Später befiehlt er in einem geheimen Circular, alle die festzusetzen, welche Sympathien für die Bewegung zeigen, eventuell sogar die, welche da¬ rüber sprechen oder Nachrichten davon verlangen. Es läßt sich begreifen,' daß bei einem solchen Zustande die Expedition Garibaldis nur der Funke war, der in ein Pulverfaß flog. Eine geistreiche und wie es scheint wohlunterrichtete Feder des neuesten Heftes der preußischen Jahrbücher führt den Zug des kühnen Mannes auf die Anregung Napoleons zurück, der dadurch dem Grafen Cavour Verlegenheiten bereiten wollte. Wir wollen dies dahin gestellt sein lassen, jedenfalls hat Garjbaldi sich nicht an diesen Mandatar gebunden, und seine unerwartet raschen Fortschritte konnten dem Ccibinct der Tuilerien nicht willkommen sein.- Herr v. Persigny ward beauftragt, England eine gemeinsame Intervention vorzuschlagen, um den Dictator Siciliens zu verhindern, seine Operationen auf das Festland auszu¬ dehnen. Aber Lord John Russell will nicht darauf eingehen, obwol er da¬ mals noch erklärt, „daß es gewiß viel vortheilhafter für Italien sei, zwei Gruppen von verbündeten Staaten zu bilden, als nach einer vielleicht un¬ möglichen Einheit zu streben, die jedenfalls sofort zu einem neuen Kriege mit Oestreich führen müsse." Beide Mächte riethen daher in Neapel zu weitern Nefor" men und zum Abschluß eiuer Allianz mit Piemont. Die Noth machte den Hos nachgiebig, eine liberale Verfassung ward gewährt, die Herren Monna und Winspeare gingen.nach Turin ab. Aber es war dem Grafen Cavour nicht zu verdenken, wenn er etwas mißtrauisch auf diese Anervietuugen sah und erwiderte, daß man eine weitere Consolidirung der Zustände in Neapel ab' warte» müsse. Inzwischen setzte Garibaldi über die Meerenge und rückte un Eilmarsch auf Neapel, wo er eine provisorische Negierung bildete. ^Hier saw- weiten sich nun um ihn, dessen Patriotismus und Tapferkeit niemand bezwei¬ felt, dessen geringe politische Einsicht aber die Depeschen Elliots auss n"" zeigen, die extremen Männer der Revolution, Mazzini an der Spitze, die U»-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/374>, abgerufen am 15.01.2025.