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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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einen Uebergang zum Mittelhochdeutschen bilden, zeichnet sich das Schwäbische
aus durch Breite und Fülle des Zischlauts. Kaschper. Pohscht. Worscht, das
Schweizerische durch diesen Kehllaut des Eh, in den auch wol das K sich
auflöst.

Als Nebenzweig des Oberdeutschen mit vielfachen Uebergängen in das
niederdeutsche bild'et das Mittelhochdeutsche einen Sprachgürtel, der vom Nieder¬
rhein bis über die Oder reicht. Seine Mundarten sind zahlreich. Die nieder-
rheinische, schwankend zwischen Nieder- und Hochdeutsch, herrscht von Aachen
und Cöln rheinaufwärts bis gen Coblenz. Etwas davon verschieden ist die
mittelrheinische und von dieser abweichend die mainrheinische in den
Landstrichen, wo Mosel, Lahn, Main und Neckar in den Rhein ausmün¬
den. Der Uebergang des chen oder che in el -- Mädchen. Mädche. Matt
^- gehört zu den Merkzeichen der Grenze gegen das rein Oberdeutsche, diese
aber ist ohne scharfen Durchschnitt. An die mainrheinische Mundart grenzt
ostwärts die mainfränkische (hennebcrgischc) am obern Main, an der Reg-
uitz. Eger, Nab und an der Rhön; ihr benachbart ist die westerwäldische
an der Eder und Fulda, die nordwärts bis Cassel reicht. Weiter ostwärts
folgen die thüringische an der Saale und Unstrut, die über Anhalt, Halle ze.
in die Niederlausitz und die Marken auslaufende brandenburgische. südlich
von dieser die meißnische und oberlausitzische zwischen Saale und Miltel-
oder. Verfolgt man die Varietäten dieser Mundarten vom Rhein bis zur
Oder, so sind die Vocallaute fast durchweg unrein, insbesondere das A und
An, I. El und En, -- ödes statt auch, ich globe, heeßt, Leite --. bei den
Mitlautern zeigt sich in ostwärts zunehmendem Maß das Unvermögen, harte
und weiche Laute -- B und P. D und^T, G und K, B und W -- genau
Zu unterscheiden. Wie die Zmige. hat auch das Ohr der Bewohner des mittel-
östlichcn Deutschlands dafür kein scharfes Kriterium. Man lasse z. B. eocligo
Kvtiev oder Packbube, bübischer Pöbel. Bekleidung und Begleitung sprechen!
Ebenso geht von der niedern Saale bis zur Oder das G gern in I über --
^'r jute Jott; umgekehrt wird in Meißen wol ein K daraus -- ksehn --.
ja selbst I wird wol zum K verhärtet -- zu Khanne (Johanni).

In mehr als einer nieder- und mittelhochdeutschen Mundart hat das R
^ne eigenthümliche Rückwirkung auf den vorhergehenden Vocal; daher das
hamburgische Ä in Karl, das magdeburgische A und U in Herzkirsche, das
weißnische E statt I in Berne (Pirna),E statt Ü und I in Thürmer der
Kreuzkirche. Das geht über Deutschland hinaus; der Engländer spricht Sir
Ször, der gemeine Mann ssrMimt. als Szärdschcnt. Das rollende R wird
wiener in den Ebenen als im Gebirge gehört, und zwar dort am wenigsten
den Städten. Dagegen ist ein mattes R längs der Ostseeküste an die
Stelle des D oder T getreten, so im mecklenburgischen Nehr statt Rede. Beir


einen Uebergang zum Mittelhochdeutschen bilden, zeichnet sich das Schwäbische
aus durch Breite und Fülle des Zischlauts. Kaschper. Pohscht. Worscht, das
Schweizerische durch diesen Kehllaut des Eh, in den auch wol das K sich
auflöst.

Als Nebenzweig des Oberdeutschen mit vielfachen Uebergängen in das
niederdeutsche bild'et das Mittelhochdeutsche einen Sprachgürtel, der vom Nieder¬
rhein bis über die Oder reicht. Seine Mundarten sind zahlreich. Die nieder-
rheinische, schwankend zwischen Nieder- und Hochdeutsch, herrscht von Aachen
und Cöln rheinaufwärts bis gen Coblenz. Etwas davon verschieden ist die
mittelrheinische und von dieser abweichend die mainrheinische in den
Landstrichen, wo Mosel, Lahn, Main und Neckar in den Rhein ausmün¬
den. Der Uebergang des chen oder che in el — Mädchen. Mädche. Matt
^- gehört zu den Merkzeichen der Grenze gegen das rein Oberdeutsche, diese
aber ist ohne scharfen Durchschnitt. An die mainrheinische Mundart grenzt
ostwärts die mainfränkische (hennebcrgischc) am obern Main, an der Reg-
uitz. Eger, Nab und an der Rhön; ihr benachbart ist die westerwäldische
an der Eder und Fulda, die nordwärts bis Cassel reicht. Weiter ostwärts
folgen die thüringische an der Saale und Unstrut, die über Anhalt, Halle ze.
in die Niederlausitz und die Marken auslaufende brandenburgische. südlich
von dieser die meißnische und oberlausitzische zwischen Saale und Miltel-
oder. Verfolgt man die Varietäten dieser Mundarten vom Rhein bis zur
Oder, so sind die Vocallaute fast durchweg unrein, insbesondere das A und
An, I. El und En, — ödes statt auch, ich globe, heeßt, Leite —. bei den
Mitlautern zeigt sich in ostwärts zunehmendem Maß das Unvermögen, harte
und weiche Laute — B und P. D und^T, G und K, B und W — genau
Zu unterscheiden. Wie die Zmige. hat auch das Ohr der Bewohner des mittel-
östlichcn Deutschlands dafür kein scharfes Kriterium. Man lasse z. B. eocligo
Kvtiev oder Packbube, bübischer Pöbel. Bekleidung und Begleitung sprechen!
Ebenso geht von der niedern Saale bis zur Oder das G gern in I über —
^'r jute Jott; umgekehrt wird in Meißen wol ein K daraus — ksehn —.
ja selbst I wird wol zum K verhärtet — zu Khanne (Johanni).

In mehr als einer nieder- und mittelhochdeutschen Mundart hat das R
^ne eigenthümliche Rückwirkung auf den vorhergehenden Vocal; daher das
hamburgische Ä in Karl, das magdeburgische A und U in Herzkirsche, das
weißnische E statt I in Berne (Pirna),E statt Ü und I in Thürmer der
Kreuzkirche. Das geht über Deutschland hinaus; der Engländer spricht Sir
Ször, der gemeine Mann ssrMimt. als Szärdschcnt. Das rollende R wird
wiener in den Ebenen als im Gebirge gehört, und zwar dort am wenigsten
den Städten. Dagegen ist ein mattes R längs der Ostseeküste an die
Stelle des D oder T getreten, so im mecklenburgischen Nehr statt Rede. Beir


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/367>, abgerufen am 27.06.2024.