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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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lich im Etschthal, wird mehr und mehr verwälscht. Zwar hat mitten unter
Italienern bei den sedes oommuni des Vicentinischen. etwa 30,000 (50,000?)
Köpfen, und einigen Tausenden der Bewohner der trsäioi commun um
Verona, sich das Deutsche als Volkssprache erhalten, doch ist es sehr verun¬
staltet und nicht außer Gefahr, vom Italienischen gänzlich überflutet zu wer¬
den. Oestlich von Tirol setzt das Deutsche sich an der Drau fort nach Kärn-
then. wo es ansehnliches Gebiet. Klagenfurt, Vliland und Windisch-Feistritz!c.
gewonnen hat. In Pvntafel (Ponteba) trifft es mit dem Italienischen und
Slavischen zusammen. Eine Merkwürdige Sprachinsel hat es in dem slavischen
Krain, dem Ländchen Gottschee mit 34 deutsch redenden Orten, deren Be¬
völkerung von fränkischen Ansiedlern aus dem vierzehnten Jahrhundert stammt.
Von Steiermark und Oestreich aus verzweigt es sich nach dem westlichen
Ungarn in die Gegend um den Neusiedler See. .Dem Slnvismus längs der
gesammten Ostgrenze überlegen und in stetigem Fortschreiten, nach einem
ungefähren Ueberschlag alle fünfzig Jahre über eine Meile slavischer Zunge
hinaus, hat es erst in neuerer Zeit durch slavische Sprachinsurrection Hemmungen
erfahren; doch haben die Sprachgrenzen sich dadurch wenig verschoben. Diese
sind nicht gradlinig oder im Zusammenhange fortlaufend; Vorsprünge und
Enclaven gibt es zu beiden Seiten. In wenig geschlossenen Massen hat das
Deutsche sich ausgebreitet über einen Theil Mährens, wo Brunn, Olmütz und
Znaim großentheils sich dazu bekennen und das Kuhländl nebst den Schön-
hengstern eine interessante sprachliche Sporade darstellt, ferner über den Böh-
werwald, die nördlichen Landschaften Böhmens und mehrere größere Städte,
als Prag, Budweis, Pilsen, Bunzlau, Lcitmeritz -- zusammen dritthalb Sie¬
bentel Deutsche gegen fünftehalb Siebentel Slaven, dann über das Riesen¬
gebirge und Niederschlesien, wo die Oder eine Strecke weit die Sprachscheide
bildet, im östreichischen Schlesien Jägemdorf deutsch, Troppau slavisch ist
endlich über das westliche Posensche, das deutsche Ansiedler schon im zwölften
und dreizehnten Jahrhundert, darauf seit dem siebzehnten Jahrhundert empfing,
bis zu zwei Fünfteln der Bevölkerung, und einen ansehnlichen Theil West¬
preußens an der Weichselmündung und um Thorn und Bromberg. Dante
bildet sich die Brücke nach dem einst zum Reich gerechneten, räumlich aber
davon entlegenen vormaligen Ordenslande Preußen, wo der winzige Ueberrest
dn fremdzungigen Eingeborenen in Preußisch Lithauen nur noch schwachen
Widerstand leistet, und nach den ebenfalls mit dem deutschen Reiche einst
verbunden gewesenen russischen Ostseeprovinzen, wo das Deutsche sich nicht
so lebenskräftig bewiesen hat. Innerhalb des Bereichs deutscher Zunge
den alten Reichsgrenzen sind die Wenden der Lausitz und die pommer-
schen Cassuben als vereinzelte Glieder der slavischen Völkerfamilie zurück¬
geblieben.^.."


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lich im Etschthal, wird mehr und mehr verwälscht. Zwar hat mitten unter
Italienern bei den sedes oommuni des Vicentinischen. etwa 30,000 (50,000?)
Köpfen, und einigen Tausenden der Bewohner der trsäioi commun um
Verona, sich das Deutsche als Volkssprache erhalten, doch ist es sehr verun¬
staltet und nicht außer Gefahr, vom Italienischen gänzlich überflutet zu wer¬
den. Oestlich von Tirol setzt das Deutsche sich an der Drau fort nach Kärn-
then. wo es ansehnliches Gebiet. Klagenfurt, Vliland und Windisch-Feistritz!c.
gewonnen hat. In Pvntafel (Ponteba) trifft es mit dem Italienischen und
Slavischen zusammen. Eine Merkwürdige Sprachinsel hat es in dem slavischen
Krain, dem Ländchen Gottschee mit 34 deutsch redenden Orten, deren Be¬
völkerung von fränkischen Ansiedlern aus dem vierzehnten Jahrhundert stammt.
Von Steiermark und Oestreich aus verzweigt es sich nach dem westlichen
Ungarn in die Gegend um den Neusiedler See. .Dem Slnvismus längs der
gesammten Ostgrenze überlegen und in stetigem Fortschreiten, nach einem
ungefähren Ueberschlag alle fünfzig Jahre über eine Meile slavischer Zunge
hinaus, hat es erst in neuerer Zeit durch slavische Sprachinsurrection Hemmungen
erfahren; doch haben die Sprachgrenzen sich dadurch wenig verschoben. Diese
sind nicht gradlinig oder im Zusammenhange fortlaufend; Vorsprünge und
Enclaven gibt es zu beiden Seiten. In wenig geschlossenen Massen hat das
Deutsche sich ausgebreitet über einen Theil Mährens, wo Brunn, Olmütz und
Znaim großentheils sich dazu bekennen und das Kuhländl nebst den Schön-
hengstern eine interessante sprachliche Sporade darstellt, ferner über den Böh-
werwald, die nördlichen Landschaften Böhmens und mehrere größere Städte,
als Prag, Budweis, Pilsen, Bunzlau, Lcitmeritz — zusammen dritthalb Sie¬
bentel Deutsche gegen fünftehalb Siebentel Slaven, dann über das Riesen¬
gebirge und Niederschlesien, wo die Oder eine Strecke weit die Sprachscheide
bildet, im östreichischen Schlesien Jägemdorf deutsch, Troppau slavisch ist
endlich über das westliche Posensche, das deutsche Ansiedler schon im zwölften
und dreizehnten Jahrhundert, darauf seit dem siebzehnten Jahrhundert empfing,
bis zu zwei Fünfteln der Bevölkerung, und einen ansehnlichen Theil West¬
preußens an der Weichselmündung und um Thorn und Bromberg. Dante
bildet sich die Brücke nach dem einst zum Reich gerechneten, räumlich aber
davon entlegenen vormaligen Ordenslande Preußen, wo der winzige Ueberrest
dn fremdzungigen Eingeborenen in Preußisch Lithauen nur noch schwachen
Widerstand leistet, und nach den ebenfalls mit dem deutschen Reiche einst
verbunden gewesenen russischen Ostseeprovinzen, wo das Deutsche sich nicht
so lebenskräftig bewiesen hat. Innerhalb des Bereichs deutscher Zunge
den alten Reichsgrenzen sind die Wenden der Lausitz und die pommer-
schen Cassuben als vereinzelte Glieder der slavischen Völkerfamilie zurück¬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/365>, abgerufen am 15.01.2025.