Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Ehre der Todten zu gewähren, als dies an dem Orte geschieht, wo sie
lebten und litten. Also frommer Eifer und Schönheitssinn erhält noch auf lange
Zeit Gelegenheit, sich in der edelsten Weise zu bethätigen. Auch giebt es
wenig Städte, welche so gute Gelegenheit zur Errichtung von Statuen geben,
als Berlin: zahlreiche Plätze, zumal in der Nähe der Linden stattliche Ge¬
bäude von monumentalen Charakter. So hat die Hauptstadt eines großen Staa¬
tes, intelligent, voller Kunstsinn, mit edler halben Million Einwohner, jetzt be¬
reits mit behäbigen Wohlstande gut ausgestattet, viele und gute Gelegenheit,
sich selbst zu ehren, indem sie ihre großen Todten ehrt.

Aber um auf diesem, wie auf mehrern andern Gebieten menschlicher Inter¬
essen zu etwas zu kommen, und zwar anständig, ohne kleinlichen Hader, möch¬
ten die Freunde in Berlin einen alten Grundsatz ein wenig besser beach¬
ten. Dieser lautet: Steine, welche einmal festgemauert sind, soll man
nicht wieder auseinanderreißen, und in klarer Sache, wo verständiger
Wille in eine grade Bahn hineingeführt hat, soll man fest vorwärts gehen
und sich nicht durch den unruhigen Wunsch, das Bessere zu finden, begonnenes
Gute stören. Für die Statue Schillers ist eine Stätte ausgewählt, sie ist an
einem großen deutschen Festtage von den höchsten Behörden des Staates feier¬
lich eingeweiht. Kaum ist das geschehn, so erhebt sich die Opposition, zum Theil
aus fremden und ungehörigen Beweggründen. Was schadet die zufällige politische
Partcisarbe einzelner Mitglieder des Schillcrcomitö einem solchen künstlerische"
Unternehmen? Fürchtet man, daß sie den deutschen Dichter mit einer Jacobiner-
mütze darstellen werden? Es scheint uns ein besonderes Zeichen politischer Un¬
reife, wenn man die Partcianiwosität auf jede nichtpolitische Thätigkeit der Ein¬
zelnen überträgt. Auch dem Loyalsten sollte doch der Umstand genügen, daß der
Fürst, welcher jetzt die Machtfülle des preußischen Staats in seiner Person darstellt,
selbst sein Interesse an dem Denkmal.öffentlich dargethan, selbst den Platz bestätigt
hat. W<an aber auch eine Anzahl vornehmer und einflußreicher Männer, welche
noch immer in der Luft vergangener Zeit athmen, dem Unternehmen ihre
Beiträge entziehen. was thuts. ob das Geld vorzugsweise durch die oder jene
Gesellschaft gesammelt wird? Jedenfalls erscheinen die als die wärmsten Ver¬
ehrer des Dichters, welche am meisten beigesteuert haben, und diese haben das
größte Recht sein Denkmal zu setzen. Und gehn wir der Sache auf den Grund,
woher kommt es, daß bei der Schillerfeier d-es Jahres 1859 sich in Berlin so
viele zweifelnd und spröde verhalten haben, die durch ihre rege Betheiligung
dem ganzen Fest jeden Schein einer Parteidemonstration hätten nehmen können?
Man wird als letzten Grund ein unbehilfliches Vornehmthun, vielleicht sogar
einen unwürdigen Mangel an Muth zu beklagen haben.

Wohl aber ziemt sich, daß auch Goethe sein Standbild in Berlin erhält,
wenn das von Schiller errichtet wird. Ja noch mehr, es wäre hübsch ge-


Ehre der Todten zu gewähren, als dies an dem Orte geschieht, wo sie
lebten und litten. Also frommer Eifer und Schönheitssinn erhält noch auf lange
Zeit Gelegenheit, sich in der edelsten Weise zu bethätigen. Auch giebt es
wenig Städte, welche so gute Gelegenheit zur Errichtung von Statuen geben,
als Berlin: zahlreiche Plätze, zumal in der Nähe der Linden stattliche Ge¬
bäude von monumentalen Charakter. So hat die Hauptstadt eines großen Staa¬
tes, intelligent, voller Kunstsinn, mit edler halben Million Einwohner, jetzt be¬
reits mit behäbigen Wohlstande gut ausgestattet, viele und gute Gelegenheit,
sich selbst zu ehren, indem sie ihre großen Todten ehrt.

Aber um auf diesem, wie auf mehrern andern Gebieten menschlicher Inter¬
essen zu etwas zu kommen, und zwar anständig, ohne kleinlichen Hader, möch¬
ten die Freunde in Berlin einen alten Grundsatz ein wenig besser beach¬
ten. Dieser lautet: Steine, welche einmal festgemauert sind, soll man
nicht wieder auseinanderreißen, und in klarer Sache, wo verständiger
Wille in eine grade Bahn hineingeführt hat, soll man fest vorwärts gehen
und sich nicht durch den unruhigen Wunsch, das Bessere zu finden, begonnenes
Gute stören. Für die Statue Schillers ist eine Stätte ausgewählt, sie ist an
einem großen deutschen Festtage von den höchsten Behörden des Staates feier¬
lich eingeweiht. Kaum ist das geschehn, so erhebt sich die Opposition, zum Theil
aus fremden und ungehörigen Beweggründen. Was schadet die zufällige politische
Partcisarbe einzelner Mitglieder des Schillcrcomitö einem solchen künstlerische»
Unternehmen? Fürchtet man, daß sie den deutschen Dichter mit einer Jacobiner-
mütze darstellen werden? Es scheint uns ein besonderes Zeichen politischer Un¬
reife, wenn man die Partcianiwosität auf jede nichtpolitische Thätigkeit der Ein¬
zelnen überträgt. Auch dem Loyalsten sollte doch der Umstand genügen, daß der
Fürst, welcher jetzt die Machtfülle des preußischen Staats in seiner Person darstellt,
selbst sein Interesse an dem Denkmal.öffentlich dargethan, selbst den Platz bestätigt
hat. W<an aber auch eine Anzahl vornehmer und einflußreicher Männer, welche
noch immer in der Luft vergangener Zeit athmen, dem Unternehmen ihre
Beiträge entziehen. was thuts. ob das Geld vorzugsweise durch die oder jene
Gesellschaft gesammelt wird? Jedenfalls erscheinen die als die wärmsten Ver¬
ehrer des Dichters, welche am meisten beigesteuert haben, und diese haben das
größte Recht sein Denkmal zu setzen. Und gehn wir der Sache auf den Grund,
woher kommt es, daß bei der Schillerfeier d-es Jahres 1859 sich in Berlin so
viele zweifelnd und spröde verhalten haben, die durch ihre rege Betheiligung
dem ganzen Fest jeden Schein einer Parteidemonstration hätten nehmen können?
Man wird als letzten Grund ein unbehilfliches Vornehmthun, vielleicht sogar
einen unwürdigen Mangel an Muth zu beklagen haben.

Wohl aber ziemt sich, daß auch Goethe sein Standbild in Berlin erhält,
wenn das von Schiller errichtet wird. Ja noch mehr, es wäre hübsch ge-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0030" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110924"/>
          <p xml:id="ID_40" prev="#ID_39"> Ehre der Todten zu gewähren, als dies an dem Orte geschieht, wo sie<lb/>
lebten und litten. Also frommer Eifer und Schönheitssinn erhält noch auf lange<lb/>
Zeit Gelegenheit, sich in der edelsten Weise zu bethätigen. Auch giebt es<lb/>
wenig Städte, welche so gute Gelegenheit zur Errichtung von Statuen geben,<lb/>
als Berlin: zahlreiche Plätze, zumal in der Nähe der Linden stattliche Ge¬<lb/>
bäude von monumentalen Charakter. So hat die Hauptstadt eines großen Staa¬<lb/>
tes, intelligent, voller Kunstsinn, mit edler halben Million Einwohner, jetzt be¬<lb/>
reits mit behäbigen Wohlstande gut ausgestattet, viele und gute Gelegenheit,<lb/>
sich selbst zu ehren, indem sie ihre großen Todten ehrt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_41"> Aber um auf diesem, wie auf mehrern andern Gebieten menschlicher Inter¬<lb/>
essen zu etwas zu kommen, und zwar anständig, ohne kleinlichen Hader, möch¬<lb/>
ten die Freunde in Berlin einen alten Grundsatz ein wenig besser beach¬<lb/>
ten. Dieser lautet: Steine, welche einmal festgemauert sind, soll man<lb/>
nicht wieder auseinanderreißen, und in klarer Sache, wo verständiger<lb/>
Wille in eine grade Bahn hineingeführt hat, soll man fest vorwärts gehen<lb/>
und sich nicht durch den unruhigen Wunsch, das Bessere zu finden, begonnenes<lb/>
Gute stören. Für die Statue Schillers ist eine Stätte ausgewählt, sie ist an<lb/>
einem großen deutschen Festtage von den höchsten Behörden des Staates feier¬<lb/>
lich eingeweiht. Kaum ist das geschehn, so erhebt sich die Opposition, zum Theil<lb/>
aus fremden und ungehörigen Beweggründen. Was schadet die zufällige politische<lb/>
Partcisarbe einzelner Mitglieder des Schillcrcomitö einem solchen künstlerische»<lb/>
Unternehmen? Fürchtet man, daß sie den deutschen Dichter mit einer Jacobiner-<lb/>
mütze darstellen werden? Es scheint uns ein besonderes Zeichen politischer Un¬<lb/>
reife, wenn man die Partcianiwosität auf jede nichtpolitische Thätigkeit der Ein¬<lb/>
zelnen überträgt. Auch dem Loyalsten sollte doch der Umstand genügen, daß der<lb/>
Fürst, welcher jetzt die Machtfülle des preußischen Staats in seiner Person darstellt,<lb/>
selbst sein Interesse an dem Denkmal.öffentlich dargethan, selbst den Platz bestätigt<lb/>
hat. W&lt;an aber auch eine Anzahl vornehmer und einflußreicher Männer, welche<lb/>
noch immer in der Luft vergangener Zeit athmen, dem Unternehmen ihre<lb/>
Beiträge entziehen. was thuts. ob das Geld vorzugsweise durch die oder jene<lb/>
Gesellschaft gesammelt wird? Jedenfalls erscheinen die als die wärmsten Ver¬<lb/>
ehrer des Dichters, welche am meisten beigesteuert haben, und diese haben das<lb/>
größte Recht sein Denkmal zu setzen. Und gehn wir der Sache auf den Grund,<lb/>
woher kommt es, daß bei der Schillerfeier d-es Jahres 1859 sich in Berlin so<lb/>
viele zweifelnd und spröde verhalten haben, die durch ihre rege Betheiligung<lb/>
dem ganzen Fest jeden Schein einer Parteidemonstration hätten nehmen können?<lb/>
Man wird als letzten Grund ein unbehilfliches Vornehmthun, vielleicht sogar<lb/>
einen unwürdigen Mangel an Muth zu beklagen haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_42" next="#ID_43"> Wohl aber ziemt sich, daß auch Goethe sein Standbild in Berlin erhält,<lb/>
wenn das von Schiller errichtet wird.  Ja noch mehr, es wäre hübsch ge-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0030] Ehre der Todten zu gewähren, als dies an dem Orte geschieht, wo sie lebten und litten. Also frommer Eifer und Schönheitssinn erhält noch auf lange Zeit Gelegenheit, sich in der edelsten Weise zu bethätigen. Auch giebt es wenig Städte, welche so gute Gelegenheit zur Errichtung von Statuen geben, als Berlin: zahlreiche Plätze, zumal in der Nähe der Linden stattliche Ge¬ bäude von monumentalen Charakter. So hat die Hauptstadt eines großen Staa¬ tes, intelligent, voller Kunstsinn, mit edler halben Million Einwohner, jetzt be¬ reits mit behäbigen Wohlstande gut ausgestattet, viele und gute Gelegenheit, sich selbst zu ehren, indem sie ihre großen Todten ehrt. Aber um auf diesem, wie auf mehrern andern Gebieten menschlicher Inter¬ essen zu etwas zu kommen, und zwar anständig, ohne kleinlichen Hader, möch¬ ten die Freunde in Berlin einen alten Grundsatz ein wenig besser beach¬ ten. Dieser lautet: Steine, welche einmal festgemauert sind, soll man nicht wieder auseinanderreißen, und in klarer Sache, wo verständiger Wille in eine grade Bahn hineingeführt hat, soll man fest vorwärts gehen und sich nicht durch den unruhigen Wunsch, das Bessere zu finden, begonnenes Gute stören. Für die Statue Schillers ist eine Stätte ausgewählt, sie ist an einem großen deutschen Festtage von den höchsten Behörden des Staates feier¬ lich eingeweiht. Kaum ist das geschehn, so erhebt sich die Opposition, zum Theil aus fremden und ungehörigen Beweggründen. Was schadet die zufällige politische Partcisarbe einzelner Mitglieder des Schillcrcomitö einem solchen künstlerische» Unternehmen? Fürchtet man, daß sie den deutschen Dichter mit einer Jacobiner- mütze darstellen werden? Es scheint uns ein besonderes Zeichen politischer Un¬ reife, wenn man die Partcianiwosität auf jede nichtpolitische Thätigkeit der Ein¬ zelnen überträgt. Auch dem Loyalsten sollte doch der Umstand genügen, daß der Fürst, welcher jetzt die Machtfülle des preußischen Staats in seiner Person darstellt, selbst sein Interesse an dem Denkmal.öffentlich dargethan, selbst den Platz bestätigt hat. W<an aber auch eine Anzahl vornehmer und einflußreicher Männer, welche noch immer in der Luft vergangener Zeit athmen, dem Unternehmen ihre Beiträge entziehen. was thuts. ob das Geld vorzugsweise durch die oder jene Gesellschaft gesammelt wird? Jedenfalls erscheinen die als die wärmsten Ver¬ ehrer des Dichters, welche am meisten beigesteuert haben, und diese haben das größte Recht sein Denkmal zu setzen. Und gehn wir der Sache auf den Grund, woher kommt es, daß bei der Schillerfeier d-es Jahres 1859 sich in Berlin so viele zweifelnd und spröde verhalten haben, die durch ihre rege Betheiligung dem ganzen Fest jeden Schein einer Parteidemonstration hätten nehmen können? Man wird als letzten Grund ein unbehilfliches Vornehmthun, vielleicht sogar einen unwürdigen Mangel an Muth zu beklagen haben. Wohl aber ziemt sich, daß auch Goethe sein Standbild in Berlin erhält, wenn das von Schiller errichtet wird. Ja noch mehr, es wäre hübsch ge-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/30
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/30>, abgerufen am 29.06.2024.