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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Wesen, wenn die Freunde und Verehrer Goethes durch kräftige Theilnahme
und Einwirkung auf das Schillerfest von vorn herein den Plan einer Auf¬
richtung von zwei Statuen populär gemacht hatten. Da dies aber nicht ge¬
schehen ist, welches Recht haben sie. jetzt einen bereits gefaßten Entschluß,
ein begonnenes Unternehmen zu stören? Es ist nicht wunderbar, daß ihre
Opposition und ihr Eingreifen auch einen gewissen Eigensinn der Andern,
welche nur das Schillcrdcnknial im Auge hatten, hervorgerufen bat. Das
Recht der letztern aber ist das ältere und bessere.

Der Einwu^s darf nicht im Ernst gemacht werden, daß zwei Statuen sich
der gegebenen Oertlichkeit, dem Raum vor der Treppe des Schauspielhauses,
besser anpassen würden als eine.' Offenbar ist der erwählte Raum weder
für eine, noch für zwei Statuen vorzugsweise günstig. Er ist weder für eine
noch für zwei unbedingt ungünstig. Es ist eben Aufgabe sowohl des erfin¬
denden Bildhauers, als der helfenden Künste, welche den Raum um das
Denkmal zu schmücken haben, ihn so viel als möglich anzupassen. Wir
zweifeln nicht, daß das bei zwei Statuen geschehen kann, es wird bei einer
nicht weniger möglich sein.

Selbst wer die Trennung beider Statuen als eiuen Uebelstand betrachtet --
und dieser Uebelstand ist in der That nicht groß -- der soll ihn als einen jetzt
cingetretncn Zwang respectiren. Die Statue Goethes wird in Berlin mehr
als einen Platz finden, dem sie zum Schmucke gereichen kann. Der Lust¬
garten vor dem alten Museum scheint uns wie dazu gemacht, die Standbilder
zahlreicher Vorkämpfer in Kunst und Wissenschaft aufzunehmen. Auch die
weite und unvollständige Begrenzung dieses Saumes ist kein wesentliches Hin¬
derniß; die Kunst des Gärtners, welche dort noch viel zu thun Gelegenheit
hat, vermag in der weiten Fläche wenigstens für die größere Hälfte des
Jahres eine Zahl geschmackvoll umgrenzter Räume zu schaffen, jedem derselben
einen besondern charakteristischen Schmuck zu verleihen.

Wenn also jetzt ein Comite für Errichtung eines Goethedcnkmals zu
Beiträgen auffordert, so ist solche Thätigkeit allerdings erfreulich; vorausgesetzt,
daß man vermeidet, ein bereits früher begonnenes populäres Unternehmen
zu stören. Und noch eine zweite Bemerkung darf nicht unterdrückt werden,
für welche wir schonende Ausdrücke besonders sorgfältig suchen wollen. Wenn
Berlin mit einer halben Million Menschen den Wunsch hat auf einem seiner
Plätze eine Statue Goethe's zu errichten, so entspricht es nicht ganz dem
vornehmen Sinn und Takt, welche den lebenden Dichter selbst ausge¬
richtet haben, daß das Comite die Aufforderung zu Beiträgen durch ganz
Deutschland versendet. Ist Berlin nicht im Stande, ein solches Denkmal
in würdiger Weise herzustellen, so mögen allenfalls noch die Städte heran¬
gezogen werden, über welche die Residenzstadt Preußens als geistiger Mittelpunkt


Wesen, wenn die Freunde und Verehrer Goethes durch kräftige Theilnahme
und Einwirkung auf das Schillerfest von vorn herein den Plan einer Auf¬
richtung von zwei Statuen populär gemacht hatten. Da dies aber nicht ge¬
schehen ist, welches Recht haben sie. jetzt einen bereits gefaßten Entschluß,
ein begonnenes Unternehmen zu stören? Es ist nicht wunderbar, daß ihre
Opposition und ihr Eingreifen auch einen gewissen Eigensinn der Andern,
welche nur das Schillcrdcnknial im Auge hatten, hervorgerufen bat. Das
Recht der letztern aber ist das ältere und bessere.

Der Einwu^s darf nicht im Ernst gemacht werden, daß zwei Statuen sich
der gegebenen Oertlichkeit, dem Raum vor der Treppe des Schauspielhauses,
besser anpassen würden als eine.' Offenbar ist der erwählte Raum weder
für eine, noch für zwei Statuen vorzugsweise günstig. Er ist weder für eine
noch für zwei unbedingt ungünstig. Es ist eben Aufgabe sowohl des erfin¬
denden Bildhauers, als der helfenden Künste, welche den Raum um das
Denkmal zu schmücken haben, ihn so viel als möglich anzupassen. Wir
zweifeln nicht, daß das bei zwei Statuen geschehen kann, es wird bei einer
nicht weniger möglich sein.

Selbst wer die Trennung beider Statuen als eiuen Uebelstand betrachtet —
und dieser Uebelstand ist in der That nicht groß — der soll ihn als einen jetzt
cingetretncn Zwang respectiren. Die Statue Goethes wird in Berlin mehr
als einen Platz finden, dem sie zum Schmucke gereichen kann. Der Lust¬
garten vor dem alten Museum scheint uns wie dazu gemacht, die Standbilder
zahlreicher Vorkämpfer in Kunst und Wissenschaft aufzunehmen. Auch die
weite und unvollständige Begrenzung dieses Saumes ist kein wesentliches Hin¬
derniß; die Kunst des Gärtners, welche dort noch viel zu thun Gelegenheit
hat, vermag in der weiten Fläche wenigstens für die größere Hälfte des
Jahres eine Zahl geschmackvoll umgrenzter Räume zu schaffen, jedem derselben
einen besondern charakteristischen Schmuck zu verleihen.

Wenn also jetzt ein Comite für Errichtung eines Goethedcnkmals zu
Beiträgen auffordert, so ist solche Thätigkeit allerdings erfreulich; vorausgesetzt,
daß man vermeidet, ein bereits früher begonnenes populäres Unternehmen
zu stören. Und noch eine zweite Bemerkung darf nicht unterdrückt werden,
für welche wir schonende Ausdrücke besonders sorgfältig suchen wollen. Wenn
Berlin mit einer halben Million Menschen den Wunsch hat auf einem seiner
Plätze eine Statue Goethe's zu errichten, so entspricht es nicht ganz dem
vornehmen Sinn und Takt, welche den lebenden Dichter selbst ausge¬
richtet haben, daß das Comite die Aufforderung zu Beiträgen durch ganz
Deutschland versendet. Ist Berlin nicht im Stande, ein solches Denkmal
in würdiger Weise herzustellen, so mögen allenfalls noch die Städte heran¬
gezogen werden, über welche die Residenzstadt Preußens als geistiger Mittelpunkt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/31>, abgerufen am 01.07.2024.