Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.klare. Schiller hat den Anfang auch nicht getadelt, sondern ihn nur als Noch eine beiläufige Bemerkung. In der erwähnten Abhandlung über Ueber Haller als Kunstrichter hat Mörikofcr wenig gesagt, wir wollen klare. Schiller hat den Anfang auch nicht getadelt, sondern ihn nur als Noch eine beiläufige Bemerkung. In der erwähnten Abhandlung über Ueber Haller als Kunstrichter hat Mörikofcr wenig gesagt, wir wollen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0284" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111178"/> <p xml:id="ID_963" prev="#ID_962"> klare. Schiller hat den Anfang auch nicht getadelt, sondern ihn nur als<lb/> charakteristisch für die sentimentale Poesie in, Gegensatz zur naiven dargestellt. Bei<lb/> größerer Belesenheit in den Alten würde er manche Parallelstelle gefunden haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_964"> Noch eine beiläufige Bemerkung. In der erwähnten Abhandlung über<lb/> naive und sentimentale Poesie, die sehr viel richtige Winke enthält, die man<lb/> aber um Alles in der Welt nicht als einen Abschluß betrachten darf, theilt<lb/> Schiller die sentimentale Poesie in Elegie, Satire und Idylle ein. Wir<lb/> sind überzeugt, daß ihn zu dieser Eintheilung, die sonst eigentlich durch gar<lb/> nichts gerechtfertigt wird, die Lecture Hallers bestimmt hat: hier die Satire,<lb/> dort das Alpenidyll, dort die Elegie an Marianne.</p><lb/> <p xml:id="ID_965" next="#ID_966"> Ueber Haller als Kunstrichter hat Mörikofcr wenig gesagt, wir wollen<lb/> Einiges hinzufügen, da Haller seil 1747 in den Göttinger gelehrten Anzeigen<lb/> einen nicht unerheblichen Einfluß ausgeübt hat. Schon das Programm ist tref¬<lb/> fend und sehr umsichtig: er fordert eine scharfe und strenge Kritik, weil man<lb/> sonst gar nichtß nützt. Gleich im folgenden Jahr, unmittelbar nach dem Er¬<lb/> scheinen der drei ersten Gesänge des Messias, gibt er eine kurze Kritik —<lb/> soviel uns bekannt, die erste. „Uns ist diese neue Art von deutschen Versen<lb/> gar nicht anstößig, obwohl andere sein mögen, denen die vielen Dactylen<lb/> hüpfend und die Spondeen holpricht vorkommen. Wir lassen uns dadurch<lb/> gar nicht hindern eine ungemeine nachdrückliche, poetische und erhabene Kraft<lb/> in den Ausdrücken zu finden, die wir in unserer Sprache noch selten fo mil-<lb/> tonisch bemerkt haben." In der Vorrede zur Allsgabe seiner Gedichte von<lb/> 1768 sagt er, rüden er seine eigene Methode rechtfertigt: „aber die Dichter,<lb/> die nach uns auf den deutschen Parnaß traten, gingen in dem neuen Schwunge<lb/> ihres Vortrags unendlich weiter. Sie entsetzten den Nenn von seiner so lange<lb/> -ungestörten Herrschaft und führten dabei das römische und griechische Sylbcn-<lb/> maß ein. Da aber die Trochäen und Dactylen im Deutschen fast unmöglich<lb/> den Wohlklang der Alten erlangen können, da der Spondeus im deutschen<lb/> Verse fast unerträglich ist, da die vielen E und die gehäuften Consonanten<lb/> die I, O, A und U der Alten und die fließende Abwechselung mit Selbst¬<lb/> lauter u nicht ersetzen können, so wurde der Urheber der deutschen Hexameter<lb/> genöthigt, dieser sich allzusehr der reimlosen Rede nähernden Art zu dich¬<lb/> ten durch andere Mittel den über die Prosa sich erhebenden Anstand der<lb/> Poesie zu geben. Man führte neue, zusammengesetzte emphatische Wörtcrein; man<lb/> gab selbst der Sprache eine neue Wortfügung, die mit den alten Sprachen näher<lb/> übereinkommt. Glückliche Dichter wagten sich an die neue Art zu dichten und<lb/> gaben ihr, wie alle großen Beispiele thun, einen Vorzug und den Beifall<lb/> des größten Theils der deutschen Nation." Er läßt das gelten, behauptet<lb/> aber für sich das Recht der alten Formen. — 1771 schreibt er in der Göttinger<lb/> gelehrten Zeitung: „freilich sehn wir lieber Klopstocks Werke sich vcrvielsälN-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0284]
klare. Schiller hat den Anfang auch nicht getadelt, sondern ihn nur als
charakteristisch für die sentimentale Poesie in, Gegensatz zur naiven dargestellt. Bei
größerer Belesenheit in den Alten würde er manche Parallelstelle gefunden haben.
Noch eine beiläufige Bemerkung. In der erwähnten Abhandlung über
naive und sentimentale Poesie, die sehr viel richtige Winke enthält, die man
aber um Alles in der Welt nicht als einen Abschluß betrachten darf, theilt
Schiller die sentimentale Poesie in Elegie, Satire und Idylle ein. Wir
sind überzeugt, daß ihn zu dieser Eintheilung, die sonst eigentlich durch gar
nichts gerechtfertigt wird, die Lecture Hallers bestimmt hat: hier die Satire,
dort das Alpenidyll, dort die Elegie an Marianne.
Ueber Haller als Kunstrichter hat Mörikofcr wenig gesagt, wir wollen
Einiges hinzufügen, da Haller seil 1747 in den Göttinger gelehrten Anzeigen
einen nicht unerheblichen Einfluß ausgeübt hat. Schon das Programm ist tref¬
fend und sehr umsichtig: er fordert eine scharfe und strenge Kritik, weil man
sonst gar nichtß nützt. Gleich im folgenden Jahr, unmittelbar nach dem Er¬
scheinen der drei ersten Gesänge des Messias, gibt er eine kurze Kritik —
soviel uns bekannt, die erste. „Uns ist diese neue Art von deutschen Versen
gar nicht anstößig, obwohl andere sein mögen, denen die vielen Dactylen
hüpfend und die Spondeen holpricht vorkommen. Wir lassen uns dadurch
gar nicht hindern eine ungemeine nachdrückliche, poetische und erhabene Kraft
in den Ausdrücken zu finden, die wir in unserer Sprache noch selten fo mil-
tonisch bemerkt haben." In der Vorrede zur Allsgabe seiner Gedichte von
1768 sagt er, rüden er seine eigene Methode rechtfertigt: „aber die Dichter,
die nach uns auf den deutschen Parnaß traten, gingen in dem neuen Schwunge
ihres Vortrags unendlich weiter. Sie entsetzten den Nenn von seiner so lange
-ungestörten Herrschaft und führten dabei das römische und griechische Sylbcn-
maß ein. Da aber die Trochäen und Dactylen im Deutschen fast unmöglich
den Wohlklang der Alten erlangen können, da der Spondeus im deutschen
Verse fast unerträglich ist, da die vielen E und die gehäuften Consonanten
die I, O, A und U der Alten und die fließende Abwechselung mit Selbst¬
lauter u nicht ersetzen können, so wurde der Urheber der deutschen Hexameter
genöthigt, dieser sich allzusehr der reimlosen Rede nähernden Art zu dich¬
ten durch andere Mittel den über die Prosa sich erhebenden Anstand der
Poesie zu geben. Man führte neue, zusammengesetzte emphatische Wörtcrein; man
gab selbst der Sprache eine neue Wortfügung, die mit den alten Sprachen näher
übereinkommt. Glückliche Dichter wagten sich an die neue Art zu dichten und
gaben ihr, wie alle großen Beispiele thun, einen Vorzug und den Beifall
des größten Theils der deutschen Nation." Er läßt das gelten, behauptet
aber für sich das Recht der alten Formen. — 1771 schreibt er in der Göttinger
gelehrten Zeitung: „freilich sehn wir lieber Klopstocks Werke sich vcrvielsälN-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |