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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Die Frau: O mein Herr, ich bin die vergangene Nacht bei meinem Herz¬
allerliebsten gelegen, hat mich der Richter eingesperrt, und ist um ein Pfund
Silber zu thun; so will er mich nit auslassen, bis es bezahlt werde.

Der Fromme: Laß dich den ledig machen, der bei dir gelegen ist.

Der Knecht: Mein Herzlich. wir wollen heut wieder ein guts Mütlein
mit einander haben. Gehab dich nur wol, du mußt mir das Pfund wol be¬
zahlen.

Die Frau: O mein Lieb, ich bin dein, du magst es mit mir machen wie
du willt. (Indeß kommt ein junger Gesell.)

Der junge Gesell: Es gilt mein's auch!

Der Knecht: Sie gehört mir zu und nit dir.

Der junge Gesell: Sie gehört mir soviel zu, als dir ums Geld!

Der Knecht: Du leugst in Hals hinein.

Der junge Gesell: El so leugst du selbst und wehr dich mein!

(der junge Gesell wird erstochen, der Knecht flieht).

Der junge Gesell: Ach ich hab genug!

Nun tritt der Richter auf, läßt die Leiche vom Arzt beschauen und be¬
graben, was die faulen Knechte nicht thun wollen. Sie geben armen Pilgern
ihr Brot und werden von diesen sammt der Leiche durch das Stadtthor hinaus¬
getragen.

Nun öffnet sich der Himmel, wir erblicken die heilige Dreifaltigkeit auf
ihrem Throne, die Christenheit sendet ihren Vertreter, welcher die h, Mutter
Gottes um Fürbitte anruft, worauf Christus den Frommen und Bußfertigen
Gnade, den Sündern Strafe verheißt, die Engel schließen mit dem Lodge-
^ug: Leatus venter, <mi te xvrlavit.

Nun geht der Jüngling mit seinem Hofgesind wieder in den Vordergrund.
Die Scene, welche sich jetzt vor unseren Augen abspinnt, ist jedenfalls sowol
was die Charakteristik als den Dialog anlangt, die gelungenste des ganzen
Stückes, so daß man dem Erzherzog eine gewisse poetische Anlage nicht ab¬
brechen kann. Ebenso lernen wir in ihm einen guten Beobachter des mensch¬
lichen Lebens kennen, dessen väterliche Herrschaft zu den besten Erinnerungen
Tirols zählt, wo noch manche schöne Sage an ihn und seine Philippine er-
'"nere. Wir geben von der Scene nur den Inhalt und einige Reden, weil
^ für den vollständigen Abdruck an diesem Orte zu lang wäre. Zuerst cr¬
ust der Jüngling das Wort:

Jüngling: Ich weiß mich noch wol zu erinnern, daß der gottesfürchtig
nvinn, alt Mann bei mir gewesen und mir viel von der Welt Lauf gesagt,
Elches ich, wie er's gemeldet, in der Zeit zum Theil gesehen, gehört und
fahren; muß auch wol gedenken und daraus schöpfen, daß Gottes Gnad
" ihm gewesen und ein göttliches Leben um einen Einsiedl sei. Dieweil


Die Frau: O mein Herr, ich bin die vergangene Nacht bei meinem Herz¬
allerliebsten gelegen, hat mich der Richter eingesperrt, und ist um ein Pfund
Silber zu thun; so will er mich nit auslassen, bis es bezahlt werde.

Der Fromme: Laß dich den ledig machen, der bei dir gelegen ist.

Der Knecht: Mein Herzlich. wir wollen heut wieder ein guts Mütlein
mit einander haben. Gehab dich nur wol, du mußt mir das Pfund wol be¬
zahlen.

Die Frau: O mein Lieb, ich bin dein, du magst es mit mir machen wie
du willt. (Indeß kommt ein junger Gesell.)

Der junge Gesell: Es gilt mein's auch!

Der Knecht: Sie gehört mir zu und nit dir.

Der junge Gesell: Sie gehört mir soviel zu, als dir ums Geld!

Der Knecht: Du leugst in Hals hinein.

Der junge Gesell: El so leugst du selbst und wehr dich mein!

(der junge Gesell wird erstochen, der Knecht flieht).

Der junge Gesell: Ach ich hab genug!

Nun tritt der Richter auf, läßt die Leiche vom Arzt beschauen und be¬
graben, was die faulen Knechte nicht thun wollen. Sie geben armen Pilgern
ihr Brot und werden von diesen sammt der Leiche durch das Stadtthor hinaus¬
getragen.

Nun öffnet sich der Himmel, wir erblicken die heilige Dreifaltigkeit auf
ihrem Throne, die Christenheit sendet ihren Vertreter, welcher die h, Mutter
Gottes um Fürbitte anruft, worauf Christus den Frommen und Bußfertigen
Gnade, den Sündern Strafe verheißt, die Engel schließen mit dem Lodge-
^ug: Leatus venter, <mi te xvrlavit.

Nun geht der Jüngling mit seinem Hofgesind wieder in den Vordergrund.
Die Scene, welche sich jetzt vor unseren Augen abspinnt, ist jedenfalls sowol
was die Charakteristik als den Dialog anlangt, die gelungenste des ganzen
Stückes, so daß man dem Erzherzog eine gewisse poetische Anlage nicht ab¬
brechen kann. Ebenso lernen wir in ihm einen guten Beobachter des mensch¬
lichen Lebens kennen, dessen väterliche Herrschaft zu den besten Erinnerungen
Tirols zählt, wo noch manche schöne Sage an ihn und seine Philippine er-
'"nere. Wir geben von der Scene nur den Inhalt und einige Reden, weil
^ für den vollständigen Abdruck an diesem Orte zu lang wäre. Zuerst cr¬
ust der Jüngling das Wort:

Jüngling: Ich weiß mich noch wol zu erinnern, daß der gottesfürchtig
nvinn, alt Mann bei mir gewesen und mir viel von der Welt Lauf gesagt,
Elches ich, wie er's gemeldet, in der Zeit zum Theil gesehen, gehört und
fahren; muß auch wol gedenken und daraus schöpfen, daß Gottes Gnad
" ihm gewesen und ein göttliches Leben um einen Einsiedl sei. Dieweil


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[0233] Die Frau: O mein Herr, ich bin die vergangene Nacht bei meinem Herz¬ allerliebsten gelegen, hat mich der Richter eingesperrt, und ist um ein Pfund Silber zu thun; so will er mich nit auslassen, bis es bezahlt werde. Der Fromme: Laß dich den ledig machen, der bei dir gelegen ist. Der Knecht: Mein Herzlich. wir wollen heut wieder ein guts Mütlein mit einander haben. Gehab dich nur wol, du mußt mir das Pfund wol be¬ zahlen. Die Frau: O mein Lieb, ich bin dein, du magst es mit mir machen wie du willt. (Indeß kommt ein junger Gesell.) Der junge Gesell: Es gilt mein's auch! Der Knecht: Sie gehört mir zu und nit dir. Der junge Gesell: Sie gehört mir soviel zu, als dir ums Geld! Der Knecht: Du leugst in Hals hinein. Der junge Gesell: El so leugst du selbst und wehr dich mein! (der junge Gesell wird erstochen, der Knecht flieht). Der junge Gesell: Ach ich hab genug! Nun tritt der Richter auf, läßt die Leiche vom Arzt beschauen und be¬ graben, was die faulen Knechte nicht thun wollen. Sie geben armen Pilgern ihr Brot und werden von diesen sammt der Leiche durch das Stadtthor hinaus¬ getragen. Nun öffnet sich der Himmel, wir erblicken die heilige Dreifaltigkeit auf ihrem Throne, die Christenheit sendet ihren Vertreter, welcher die h, Mutter Gottes um Fürbitte anruft, worauf Christus den Frommen und Bußfertigen Gnade, den Sündern Strafe verheißt, die Engel schließen mit dem Lodge- ^ug: Leatus venter, <mi te xvrlavit. Nun geht der Jüngling mit seinem Hofgesind wieder in den Vordergrund. Die Scene, welche sich jetzt vor unseren Augen abspinnt, ist jedenfalls sowol was die Charakteristik als den Dialog anlangt, die gelungenste des ganzen Stückes, so daß man dem Erzherzog eine gewisse poetische Anlage nicht ab¬ brechen kann. Ebenso lernen wir in ihm einen guten Beobachter des mensch¬ lichen Lebens kennen, dessen väterliche Herrschaft zu den besten Erinnerungen Tirols zählt, wo noch manche schöne Sage an ihn und seine Philippine er- '"nere. Wir geben von der Scene nur den Inhalt und einige Reden, weil ^ für den vollständigen Abdruck an diesem Orte zu lang wäre. Zuerst cr¬ ust der Jüngling das Wort: Jüngling: Ich weiß mich noch wol zu erinnern, daß der gottesfürchtig nvinn, alt Mann bei mir gewesen und mir viel von der Welt Lauf gesagt, Elches ich, wie er's gemeldet, in der Zeit zum Theil gesehen, gehört und fahren; muß auch wol gedenken und daraus schöpfen, daß Gottes Gnad " ihm gewesen und ein göttliches Leben um einen Einsiedl sei. Dieweil

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/233>, abgerufen am 23.07.2024.