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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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ich nun vermerk, daß ihr meine Diener mir keiner wie der andere gerathen
und der fromm Mann, der Einsiedl. allein meinem Hausmeister zugefallen,
habe ich nach vielem hin und her Gedenken bei mir gleich beschlossen, daß
ich heurathen will und sind mir also etlich Heurat antragen worden. Erst-
liehen ein Gräfin von Mötsch, welche gar reich und vermöglich sei, ungefähr¬
lich bei 2i Jahren alt; solle aber an einem Fuß einen Mangel haben und
auf der einen Seiten bucklet sein. Zum andern so sei ein Wittib vorhanden,
so zuvor zwen Männer und bei keinem ein Kind gehabt, solle ziemlich reich und
nit scheußlich sein und ist ein Freifrau von Eben bei 30 Jahr alt. Zum
dritten wäre ein Fräulein von Schlitters vorhanden, so inniglich schön, aber
bös und hoffärtig. Letztlichen ein Fräulein von Rottenburg, so ungefähr ein
oder zwei Jahr jünger als ich, nit besonders schön aber auch nit gar scheu߬
lich, gleichwol arm aber von gutem ehelichen Geschlecht und Herkommen,
fruchtbarem Stamme, gottesfürchtigen Vater und Mutter, sei auch das Fräu¬
lein selbst gottesfürchtig und züchtig. Darum weil ich gleichsam irrig bin
und mich auf das Heurathen nit viel verstehe, was rathet ihr mir?" Nun be¬
ginnt eine lange heftige Debatte, wo jeder eine der Frauen kräftig empfiehlt.
Die Rede des Secretärs deutet in manchem Zuge an die lieblichsten Stelle"
deutscher Volkslieder -- Ferdinand mochte, als er sie niederschrieb, wol an die
Reize seiner Philippine gedacht haben. Sie verdient hier mitgetheilt zu
werden.

Der Secretär: "Gnädiger Herr, ich halt viel von einem schönen Mäd-
lein, ob einer schon zu Zeiten etwas leiden muß. Wenn man darnach in
das Bett kommt, so vergißt man dessen Alles und mahnt mich gleich, als
wann man in einer Comödie einen schönen jungen Gesellen in Teufels Klei¬
der steckt und wann er dieselben Kleider wegthut, so bleibt darnach die schöne
Creatur Gottes da stehen. Also auch, wann ein schönes Weibsbild eine"
Mann schon den ganzen Tag martert und plagt; zu Nacht zieht sie sich im
Schlafkämmerlein aus bis auf ihr Hemdelein von feiner durchsichtiger Lu"<
wand, steht da auf ihren schneeweißen Schenklein und eh man das Licht
ablöscht, so sieht der Mann durch das dünne Hemd ihren schneeweißen Leib,
legt sich darnach zu ihm, nimmt ihn in ihre Arme, da wird dann sein
erfreut. Sie sieht ihn mit ihrem lieben holdseligen Gesicht freundlich und
lachend an, alsdann erscheinen in ihren rosenfarbnen Wänglei" die holdseeu'
gen Grüblein und sind ihre Augen gerichtet wie einem Falken, so nach dew
Reiger in die Höhe sehen thut. Da wird dann aus dem Leid eine Freude
und vergißt man alles Unmuthes."

Der Jüngling heirathet schließlich das Fräulein von Rottenburg. N""
thut sich der Himmel wieder auf. und die Engel singen wieder den Ps"to<
I,a>nah.t.ö Äommum ac terra, äraconös!


ich nun vermerk, daß ihr meine Diener mir keiner wie der andere gerathen
und der fromm Mann, der Einsiedl. allein meinem Hausmeister zugefallen,
habe ich nach vielem hin und her Gedenken bei mir gleich beschlossen, daß
ich heurathen will und sind mir also etlich Heurat antragen worden. Erst-
liehen ein Gräfin von Mötsch, welche gar reich und vermöglich sei, ungefähr¬
lich bei 2i Jahren alt; solle aber an einem Fuß einen Mangel haben und
auf der einen Seiten bucklet sein. Zum andern so sei ein Wittib vorhanden,
so zuvor zwen Männer und bei keinem ein Kind gehabt, solle ziemlich reich und
nit scheußlich sein und ist ein Freifrau von Eben bei 30 Jahr alt. Zum
dritten wäre ein Fräulein von Schlitters vorhanden, so inniglich schön, aber
bös und hoffärtig. Letztlichen ein Fräulein von Rottenburg, so ungefähr ein
oder zwei Jahr jünger als ich, nit besonders schön aber auch nit gar scheu߬
lich, gleichwol arm aber von gutem ehelichen Geschlecht und Herkommen,
fruchtbarem Stamme, gottesfürchtigen Vater und Mutter, sei auch das Fräu¬
lein selbst gottesfürchtig und züchtig. Darum weil ich gleichsam irrig bin
und mich auf das Heurathen nit viel verstehe, was rathet ihr mir?" Nun be¬
ginnt eine lange heftige Debatte, wo jeder eine der Frauen kräftig empfiehlt.
Die Rede des Secretärs deutet in manchem Zuge an die lieblichsten Stelle»
deutscher Volkslieder — Ferdinand mochte, als er sie niederschrieb, wol an die
Reize seiner Philippine gedacht haben. Sie verdient hier mitgetheilt zu
werden.

Der Secretär: „Gnädiger Herr, ich halt viel von einem schönen Mäd-
lein, ob einer schon zu Zeiten etwas leiden muß. Wenn man darnach in
das Bett kommt, so vergißt man dessen Alles und mahnt mich gleich, als
wann man in einer Comödie einen schönen jungen Gesellen in Teufels Klei¬
der steckt und wann er dieselben Kleider wegthut, so bleibt darnach die schöne
Creatur Gottes da stehen. Also auch, wann ein schönes Weibsbild eine»
Mann schon den ganzen Tag martert und plagt; zu Nacht zieht sie sich im
Schlafkämmerlein aus bis auf ihr Hemdelein von feiner durchsichtiger Lu»<
wand, steht da auf ihren schneeweißen Schenklein und eh man das Licht
ablöscht, so sieht der Mann durch das dünne Hemd ihren schneeweißen Leib,
legt sich darnach zu ihm, nimmt ihn in ihre Arme, da wird dann sein
erfreut. Sie sieht ihn mit ihrem lieben holdseligen Gesicht freundlich und
lachend an, alsdann erscheinen in ihren rosenfarbnen Wänglei» die holdseeu'
gen Grüblein und sind ihre Augen gerichtet wie einem Falken, so nach dew
Reiger in die Höhe sehen thut. Da wird dann aus dem Leid eine Freude
und vergißt man alles Unmuthes."

Der Jüngling heirathet schließlich das Fräulein von Rottenburg. N""
thut sich der Himmel wieder auf. und die Engel singen wieder den Ps"to<
I,a>nah.t.ö Äommum ac terra, äraconös!


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[0234] ich nun vermerk, daß ihr meine Diener mir keiner wie der andere gerathen und der fromm Mann, der Einsiedl. allein meinem Hausmeister zugefallen, habe ich nach vielem hin und her Gedenken bei mir gleich beschlossen, daß ich heurathen will und sind mir also etlich Heurat antragen worden. Erst- liehen ein Gräfin von Mötsch, welche gar reich und vermöglich sei, ungefähr¬ lich bei 2i Jahren alt; solle aber an einem Fuß einen Mangel haben und auf der einen Seiten bucklet sein. Zum andern so sei ein Wittib vorhanden, so zuvor zwen Männer und bei keinem ein Kind gehabt, solle ziemlich reich und nit scheußlich sein und ist ein Freifrau von Eben bei 30 Jahr alt. Zum dritten wäre ein Fräulein von Schlitters vorhanden, so inniglich schön, aber bös und hoffärtig. Letztlichen ein Fräulein von Rottenburg, so ungefähr ein oder zwei Jahr jünger als ich, nit besonders schön aber auch nit gar scheu߬ lich, gleichwol arm aber von gutem ehelichen Geschlecht und Herkommen, fruchtbarem Stamme, gottesfürchtigen Vater und Mutter, sei auch das Fräu¬ lein selbst gottesfürchtig und züchtig. Darum weil ich gleichsam irrig bin und mich auf das Heurathen nit viel verstehe, was rathet ihr mir?" Nun be¬ ginnt eine lange heftige Debatte, wo jeder eine der Frauen kräftig empfiehlt. Die Rede des Secretärs deutet in manchem Zuge an die lieblichsten Stelle» deutscher Volkslieder — Ferdinand mochte, als er sie niederschrieb, wol an die Reize seiner Philippine gedacht haben. Sie verdient hier mitgetheilt zu werden. Der Secretär: „Gnädiger Herr, ich halt viel von einem schönen Mäd- lein, ob einer schon zu Zeiten etwas leiden muß. Wenn man darnach in das Bett kommt, so vergißt man dessen Alles und mahnt mich gleich, als wann man in einer Comödie einen schönen jungen Gesellen in Teufels Klei¬ der steckt und wann er dieselben Kleider wegthut, so bleibt darnach die schöne Creatur Gottes da stehen. Also auch, wann ein schönes Weibsbild eine» Mann schon den ganzen Tag martert und plagt; zu Nacht zieht sie sich im Schlafkämmerlein aus bis auf ihr Hemdelein von feiner durchsichtiger Lu»< wand, steht da auf ihren schneeweißen Schenklein und eh man das Licht ablöscht, so sieht der Mann durch das dünne Hemd ihren schneeweißen Leib, legt sich darnach zu ihm, nimmt ihn in ihre Arme, da wird dann sein erfreut. Sie sieht ihn mit ihrem lieben holdseligen Gesicht freundlich und lachend an, alsdann erscheinen in ihren rosenfarbnen Wänglei» die holdseeu' gen Grüblein und sind ihre Augen gerichtet wie einem Falken, so nach dew Reiger in die Höhe sehen thut. Da wird dann aus dem Leid eine Freude und vergißt man alles Unmuthes." Der Jüngling heirathet schließlich das Fräulein von Rottenburg. N"" thut sich der Himmel wieder auf. und die Engel singen wieder den Ps"to< I,a>nah.t.ö Äommum ac terra, äraconös!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/234>, abgerufen am 23.07.2024.