Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.Platze bleiben möchten. Wären in Wien die Truppen besser geführt worden, Platze bleiben möchten. Wären in Wien die Truppen besser geführt worden, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0022" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110916"/> <p xml:id="ID_21" prev="#ID_20" next="#ID_22"> Platze bleiben möchten. Wären in Wien die Truppen besser geführt worden,<lb/> so hätten die Wiener andere Concessionen erhalten. In dem zweiten Briefe<lb/> spricht der Erzherzog von dem ersten Aufstande in Mailand, welcher durch<lb/> Radetzky niedergeschlagen wurde und fühlt ein natürliches Vergnügen, daß die<lb/> Mailänder jetzt die Musik der Zwölfpfünder kennen gelernt, welche auf dem<lb/> Broletto süperbe Löcher gemacht haben. Von der andern Seite wecken ihm<lb/> die Nachrichten aus Wien trübe Gedanken. Für das beste würde er halten,<lb/> wenn der Hof abreisen und die Stadt den Truppen überlassen wollte; aber<lb/> er besorgt, man werde vorziehen, immer neue Concessionen zu machen, und<lb/> so in den Abgrund stürzen, der sie alle (die Erzherzoge) verschlingen werde.<lb/> Man habe nun eine Konstitution, nach welcher ein Erzherzog nicht mehr in<lb/> Civildienst treten könne und das Militär verliere seinen Rang. Der Vater<lb/> werde sich nächstens zurückziehen, weil er bei einer Konstitution uicht bleiben<lb/> wolle, „aber ich, was soll ich thun? Nichts — das mag ich nicht, und wenn<lb/> ich im Civil nicht dienen kann, so trete ich in die Armee und lasse mich<lb/> bei der ersten Gelegenheit todtschieße»; dann brauche ich an das Weitere<lb/> nicht mehr zu denken. . . Es fehlt nur noch, daß Rußland uns das<lb/> Geld verweigerte, das es uns versprochen hat und uns den Krieg er¬<lb/> klärte! Dann könnten wir in der That sagen: Adieu Kaiserstaat! und könnten<lb/> uns — in die Bürgerwehr einschreiben lassen!" — Die trostlose Lage wird<lb/> dem Weiberregiment in Wien zugeschrieben, dessen allerhöchste, höchste und<lb/> hohe, nicht blos weibliche Mitglieder mit Beinamen bezeichnet werden, die<lb/> wir schicklicher Weise nicht wiedergeben können (I, 101). Ein Seitenstück zu<lb/> diesen Ergüssen bildet das (ebenfalls aufgefangene) Schreiben eines Haupt¬<lb/> manns in der östreichischen Armee aus dem Lager bei Montechiari vom 6. April<lb/> 1848 an einen Grafen von A . . . — Der Hauptmann schildert den Zustand<lb/> der Auflösung, in welchem das Heer sich befinde und bittet den Grafen um<lb/> ein Asyl. Er erzählt von einem außerordentlichen Kriegsrath am Abend zu¬<lb/> vor, worin der Vorschlag gemacht worden sei, entweder eine große Schlacht<lb/> zu liefern, oder über die Eises und den Mincio vorzugehen, um sich mit Nugenl<lb/> und Giulay zu vereinigen. Die Verhandlungen seien sehr stürmisch ge¬<lb/> wesen, Radetzky sei wüthend geworden und habe auf französisch ausgerufen? Vous<lb/> IVVW eomiQö eos dütLL an evnLöil -MilMv <M virt, xeräu I'Itirliö xour iivoir<lb/> voulu toiMurL Möiräro. Lette can-Ms its-Iieimv tmiiA vous Ässommei'!<lb/> Dann sei er hinausgestürzt, habe sich zu Pferd gesetzt und sei drei Stunden lang<lb/> herumgefvrengt, wobei er allein vor sich hingcschrien habe wie ein Wahnsinniger.<lb/> Der Briefschreiber behauptet, der Feldherr habe den Zustand der Armee nicht ge¬<lb/> kannt. Nicht zwei Offiziere gebe es, die einerlei Meinung hätten, die tollsten,<lb/> gewagtesten, selbst treulose Pläne würden erörtert. In gewissen Clubs spreche<lb/> man davon, mit einer großen Zahl von Soldaten zu den Piemontesen über-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0022]
Platze bleiben möchten. Wären in Wien die Truppen besser geführt worden,
so hätten die Wiener andere Concessionen erhalten. In dem zweiten Briefe
spricht der Erzherzog von dem ersten Aufstande in Mailand, welcher durch
Radetzky niedergeschlagen wurde und fühlt ein natürliches Vergnügen, daß die
Mailänder jetzt die Musik der Zwölfpfünder kennen gelernt, welche auf dem
Broletto süperbe Löcher gemacht haben. Von der andern Seite wecken ihm
die Nachrichten aus Wien trübe Gedanken. Für das beste würde er halten,
wenn der Hof abreisen und die Stadt den Truppen überlassen wollte; aber
er besorgt, man werde vorziehen, immer neue Concessionen zu machen, und
so in den Abgrund stürzen, der sie alle (die Erzherzoge) verschlingen werde.
Man habe nun eine Konstitution, nach welcher ein Erzherzog nicht mehr in
Civildienst treten könne und das Militär verliere seinen Rang. Der Vater
werde sich nächstens zurückziehen, weil er bei einer Konstitution uicht bleiben
wolle, „aber ich, was soll ich thun? Nichts — das mag ich nicht, und wenn
ich im Civil nicht dienen kann, so trete ich in die Armee und lasse mich
bei der ersten Gelegenheit todtschieße»; dann brauche ich an das Weitere
nicht mehr zu denken. . . Es fehlt nur noch, daß Rußland uns das
Geld verweigerte, das es uns versprochen hat und uns den Krieg er¬
klärte! Dann könnten wir in der That sagen: Adieu Kaiserstaat! und könnten
uns — in die Bürgerwehr einschreiben lassen!" — Die trostlose Lage wird
dem Weiberregiment in Wien zugeschrieben, dessen allerhöchste, höchste und
hohe, nicht blos weibliche Mitglieder mit Beinamen bezeichnet werden, die
wir schicklicher Weise nicht wiedergeben können (I, 101). Ein Seitenstück zu
diesen Ergüssen bildet das (ebenfalls aufgefangene) Schreiben eines Haupt¬
manns in der östreichischen Armee aus dem Lager bei Montechiari vom 6. April
1848 an einen Grafen von A . . . — Der Hauptmann schildert den Zustand
der Auflösung, in welchem das Heer sich befinde und bittet den Grafen um
ein Asyl. Er erzählt von einem außerordentlichen Kriegsrath am Abend zu¬
vor, worin der Vorschlag gemacht worden sei, entweder eine große Schlacht
zu liefern, oder über die Eises und den Mincio vorzugehen, um sich mit Nugenl
und Giulay zu vereinigen. Die Verhandlungen seien sehr stürmisch ge¬
wesen, Radetzky sei wüthend geworden und habe auf französisch ausgerufen? Vous
IVVW eomiQö eos dütLL an evnLöil -MilMv <M virt, xeräu I'Itirliö xour iivoir
voulu toiMurL Möiräro. Lette can-Ms its-Iieimv tmiiA vous Ässommei'!
Dann sei er hinausgestürzt, habe sich zu Pferd gesetzt und sei drei Stunden lang
herumgefvrengt, wobei er allein vor sich hingcschrien habe wie ein Wahnsinniger.
Der Briefschreiber behauptet, der Feldherr habe den Zustand der Armee nicht ge¬
kannt. Nicht zwei Offiziere gebe es, die einerlei Meinung hätten, die tollsten,
gewagtesten, selbst treulose Pläne würden erörtert. In gewissen Clubs spreche
man davon, mit einer großen Zahl von Soldaten zu den Piemontesen über-
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