Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.zugehen; in anderen sei die Rede davon, Radetzky festzunehmen und den ita¬ Mehr zur Sache hielt sich Herr v. Brück, damals Handelsminister, wel¬ zugehen; in anderen sei die Rede davon, Radetzky festzunehmen und den ita¬ Mehr zur Sache hielt sich Herr v. Brück, damals Handelsminister, wel¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0023" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110917"/> <p xml:id="ID_22" prev="#ID_21"> zugehen; in anderen sei die Rede davon, Radetzky festzunehmen und den ita¬<lb/> lienischen Vorposten zu übergeben. Alle Baude der Zucht und der Pflicht<lb/> leim gelockert oder zerissen; die wenigen rechtschaffenen Männer, welche noch<lb/> dn' seien, hätten ^nur die Wahl zwischen Tod oder Flucht. „Ich bin überzeugt,<lb/> wenn uns die Piemontesen rasch angreifen, so werden wir uns nicht wehren;<lb/> die Soldaten werden die Waffen wegwerfen und sich ergeben. Ehe ich dies<lb/> mit ansehe, jage ich mir eine Kugel durch den Kopf." Man muß gestehen,<lb/> daß Radctzkys Verdienste nur um so großer erscheinen, wenn die Schilderungen<lb/> des Hauptmanns auch nur annähernd richtig sind. Gegen solch düsteres<lb/> Bild gehalten, glaubt man eine Idylle zu lesen in der kurzen Unterhaltung,<lb/> welche über die Entlassung östreichischer Unterthanen und von Angehörigen<lb/> östreichischer Familien aus Venedig im Juli 1848 zwischen dem Feldmarschall-<lb/> Lientenant Melden und dem Präsidenten Mamin stattfand. „Jede politische<lb/> Meinung — so schreibt der gebildete Krieger — findet eine Stütze in der<lb/> Geschichte. Wir sehen Völker gedeihen unter weisen Monarchen wie unter<lb/> der republikanischen Form. Die Regierungsform ist daher nicht das Wesent¬<lb/> liche und man sieht Reiche fallen und Republiken stürzen, wenn sie die Gesetze<lb/> verletzen; ihre ursprüngliche Kraft entartet dann in Schwäche. Nur unter der<lb/> Aegide der Gesetze, da, wo das Recht heilig, wo Ruhe und Ordnung be¬<lb/> stehen, darf man hoffen, das Glück der Völker zu begründen."</p><lb/> <p xml:id="ID_23" next="#ID_24"> Mehr zur Sache hielt sich Herr v. Brück, damals Handelsminister, wel¬<lb/> cher im letzten Acte des erschütternden Drama mit Mamin unterhandelte.<lb/> Radetzky wollte nichts mehr von Unterhandlungen, nur von Ergebung hören;<lb/> allein die hartnäckige Vertheidigung des Forts Malghera, welches erst geräumt<lb/> wurde, als es in einen Schutthaufen verwandelt war, ließ den Versuch, durch<lb/> Worte schneller und mit geringern Opfern zum Ziele kommen, räthlich er¬<lb/> scheinen. Am 31. Mai 1849 ließ Herr v. Brück dem Präsidenten Mamin an¬<lb/> zeigen,^ daß er. sich im Hauptquartier bei Mestre befinde. Dorthin begaben<lb/> sich dieHerren Joseph Caluci und Georg Foscolo, und erfuhren, daß Oestreich den<lb/> italienischen Provinzen eine liberale Verfassung mit Volksvertretung geben wolle;<lb/> um die Militär- und die auswärtigen Angelegenheiten sollten dem Reichstage in<lb/> Wien vorbehalten bleiben, zu welchem die Italiener ihre Abgeordneten senden<lb/> würden. Herr v. Bruck unterließ nicht, den Bevollmächtigten von vorn herein zu<lb/> erklären, daß das hrutigc Oestreich nicht mehr das alte sei; daß die Männer, welche<lb/> ^u der Spitze der Geschäfte stehen, liberal gesinnt seien und einräumten, daß die<lb/> Italiener zu wenige Garantien hätten, und daß selbst diese wenigen zuweilen<lb/> '"ehe beachtet worden seien. In einem Schreiben aus Mailand vom 5. Juni<lb/> letzte v. Brück den. Bevollmächtigten näher auseinander, wie Oestreich ein<lb/> "ncuiigtes Lombardisch-Venctianisches Königreich mit der Hauptstadt Verona,<lb/> oder >auch zwei getrennte Staaten mit Mailand und Venedig als Regierungs-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0023]
zugehen; in anderen sei die Rede davon, Radetzky festzunehmen und den ita¬
lienischen Vorposten zu übergeben. Alle Baude der Zucht und der Pflicht
leim gelockert oder zerissen; die wenigen rechtschaffenen Männer, welche noch
dn' seien, hätten ^nur die Wahl zwischen Tod oder Flucht. „Ich bin überzeugt,
wenn uns die Piemontesen rasch angreifen, so werden wir uns nicht wehren;
die Soldaten werden die Waffen wegwerfen und sich ergeben. Ehe ich dies
mit ansehe, jage ich mir eine Kugel durch den Kopf." Man muß gestehen,
daß Radctzkys Verdienste nur um so großer erscheinen, wenn die Schilderungen
des Hauptmanns auch nur annähernd richtig sind. Gegen solch düsteres
Bild gehalten, glaubt man eine Idylle zu lesen in der kurzen Unterhaltung,
welche über die Entlassung östreichischer Unterthanen und von Angehörigen
östreichischer Familien aus Venedig im Juli 1848 zwischen dem Feldmarschall-
Lientenant Melden und dem Präsidenten Mamin stattfand. „Jede politische
Meinung — so schreibt der gebildete Krieger — findet eine Stütze in der
Geschichte. Wir sehen Völker gedeihen unter weisen Monarchen wie unter
der republikanischen Form. Die Regierungsform ist daher nicht das Wesent¬
liche und man sieht Reiche fallen und Republiken stürzen, wenn sie die Gesetze
verletzen; ihre ursprüngliche Kraft entartet dann in Schwäche. Nur unter der
Aegide der Gesetze, da, wo das Recht heilig, wo Ruhe und Ordnung be¬
stehen, darf man hoffen, das Glück der Völker zu begründen."
Mehr zur Sache hielt sich Herr v. Brück, damals Handelsminister, wel¬
cher im letzten Acte des erschütternden Drama mit Mamin unterhandelte.
Radetzky wollte nichts mehr von Unterhandlungen, nur von Ergebung hören;
allein die hartnäckige Vertheidigung des Forts Malghera, welches erst geräumt
wurde, als es in einen Schutthaufen verwandelt war, ließ den Versuch, durch
Worte schneller und mit geringern Opfern zum Ziele kommen, räthlich er¬
scheinen. Am 31. Mai 1849 ließ Herr v. Brück dem Präsidenten Mamin an¬
zeigen,^ daß er. sich im Hauptquartier bei Mestre befinde. Dorthin begaben
sich dieHerren Joseph Caluci und Georg Foscolo, und erfuhren, daß Oestreich den
italienischen Provinzen eine liberale Verfassung mit Volksvertretung geben wolle;
um die Militär- und die auswärtigen Angelegenheiten sollten dem Reichstage in
Wien vorbehalten bleiben, zu welchem die Italiener ihre Abgeordneten senden
würden. Herr v. Bruck unterließ nicht, den Bevollmächtigten von vorn herein zu
erklären, daß das hrutigc Oestreich nicht mehr das alte sei; daß die Männer, welche
^u der Spitze der Geschäfte stehen, liberal gesinnt seien und einräumten, daß die
Italiener zu wenige Garantien hätten, und daß selbst diese wenigen zuweilen
'"ehe beachtet worden seien. In einem Schreiben aus Mailand vom 5. Juni
letzte v. Brück den. Bevollmächtigten näher auseinander, wie Oestreich ein
"ncuiigtes Lombardisch-Venctianisches Königreich mit der Hauptstadt Verona,
oder >auch zwei getrennte Staaten mit Mailand und Venedig als Regierungs-
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