Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.Es gibt keinen vernünftigen Grund anzunehmen, daß wenn die östreichische Es gibt keinen vernünftigen Grund anzunehmen, daß wenn die östreichische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0020" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110914"/> <p xml:id="ID_17" prev="#ID_16" next="#ID_18"> Es gibt keinen vernünftigen Grund anzunehmen, daß wenn die östreichische<lb/> Herrschaft heute wieder in diesem Lande hergestellt wird, die Unzufriedenheit<lb/> nicht die erste Gelegenheit ergreifen werde, um aufs Neue in Aufständen aus-<lb/> zubrechen. Eine große Entfaltung von Streitkräften mit großem Geldauf-<lb/> wande wird abermals nöthig werden, um diese Empörungen zu dämpfen;<lb/> fremde Hilfe wird abermals angerufen werden, um zu verhindern, daß diese<lb/> Provinzen unter das Joch zurückfallen, und nach dem neuen Beweise der Un¬<lb/> möglichkeit, diese Nation mit der östreichischen Herrschaft zu versöhnen, darf<lb/> man .kaum zweifeln, daß die Hilfe werde geleistet werden. Das Resultat<lb/> würde ein Krieg zwischen Oestreich und einem Gegner, furchtbarer als die lom¬<lb/> bardischen Provinzen sein, und selbst wenn der Krieg durch die Theilnahme<lb/> anderer Mächte, welche in denselben verwickelt werden, ein europäischer würde,<lb/> so darf man doch kaum annehmen, daß das schließliche Ergebniß Oestreich im<lb/> Besitze irgend eines Gebietes jenseits der Alpen lassen würde. Aber noch<lb/> mehr, und dies sollte Oestreich reiflich erwägen: so geneigt auch die mit Oest¬<lb/> reich verbündeten und befreundeten Mächte sein möchten, ihm beizustehn, wenn<lb/> es in seiner eignen rechtmäßigen Existenz in Deutschland bedroht würde, so<lb/> besteht doch gegen seine Prätensionen, sein Joch den Italienern aufzulegen<lb/> ein so allgemeines Gefühl ihrer Ungerechtigkeit, daß Oestreich deswegen im<lb/> Falle eines solchen Krieges nur sehr wenig Hilfe finden dürfte/' — Was<lb/> Lord Palmerston hier vorausgesagt, ist zum Theil in Erfüllung gegangen;<lb/> sein Rath, die italienischen Provinzen gegen eine Entschädigung in Geld ab¬<lb/> zutreten ist, wie schon öfter angeführt worden, damals von verschiedenen<lb/> Seiten als das für Oestreich zweckmäßigste Auskunftsmittel angesehen worden,<lb/> und der Gedanke ist keineswegs so überraschend und so verwerflich wie<lb/> er neuerdings in östreichischen Blättern dargestellt wurde. '— Noch deut¬<lb/> licher sprach sich Lord Palmerston in einer Depesche vom 11. November<lb/> gegen das Wiener Cabinet aus, indem er gradezu die Behauptung<lb/> aufstellte, daß der Anlaß zu einer französischen Intervention in Italien<lb/> nicht lange ausbleiben, daß in diesem Kampfe Oestreich den Kürzeren<lb/> ziehen werde, daß Oestreich an die Zukunft denken und den günstigen Augen¬<lb/> blick, wo es die Lombardei besetzt halte, benutzen möge, um ein Abkommen<lb/> zu treffen, welches in diesem Augenblick als das Product seiner freien Ent¬<lb/> schließung erscheinen würde. Von den Schritten des britischen Ministers in<lb/> Wien wußten die Venetianer nichts und von der ihnen ertheilten trockenen<lb/> Verweisung auf ein Abkommen mit Oestreich waren sie wenig erbaut. Doch<lb/> sah der Bevollmächtigte in Paris, Pasini, ein, daß England nicht wie Frank¬<lb/> reich durch Verheißungen gebunden sei, und Lord Ellis (der englische Gesandte<lb/> in Paris) belehrte ihn, daß Lord Palmerston ihm nicht anders schreiben könne,<lb/> als er gethan habe: „es sei Regel in der englischen Diplomatie, sich zu weit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0020]
Es gibt keinen vernünftigen Grund anzunehmen, daß wenn die östreichische
Herrschaft heute wieder in diesem Lande hergestellt wird, die Unzufriedenheit
nicht die erste Gelegenheit ergreifen werde, um aufs Neue in Aufständen aus-
zubrechen. Eine große Entfaltung von Streitkräften mit großem Geldauf-
wande wird abermals nöthig werden, um diese Empörungen zu dämpfen;
fremde Hilfe wird abermals angerufen werden, um zu verhindern, daß diese
Provinzen unter das Joch zurückfallen, und nach dem neuen Beweise der Un¬
möglichkeit, diese Nation mit der östreichischen Herrschaft zu versöhnen, darf
man .kaum zweifeln, daß die Hilfe werde geleistet werden. Das Resultat
würde ein Krieg zwischen Oestreich und einem Gegner, furchtbarer als die lom¬
bardischen Provinzen sein, und selbst wenn der Krieg durch die Theilnahme
anderer Mächte, welche in denselben verwickelt werden, ein europäischer würde,
so darf man doch kaum annehmen, daß das schließliche Ergebniß Oestreich im
Besitze irgend eines Gebietes jenseits der Alpen lassen würde. Aber noch
mehr, und dies sollte Oestreich reiflich erwägen: so geneigt auch die mit Oest¬
reich verbündeten und befreundeten Mächte sein möchten, ihm beizustehn, wenn
es in seiner eignen rechtmäßigen Existenz in Deutschland bedroht würde, so
besteht doch gegen seine Prätensionen, sein Joch den Italienern aufzulegen
ein so allgemeines Gefühl ihrer Ungerechtigkeit, daß Oestreich deswegen im
Falle eines solchen Krieges nur sehr wenig Hilfe finden dürfte/' — Was
Lord Palmerston hier vorausgesagt, ist zum Theil in Erfüllung gegangen;
sein Rath, die italienischen Provinzen gegen eine Entschädigung in Geld ab¬
zutreten ist, wie schon öfter angeführt worden, damals von verschiedenen
Seiten als das für Oestreich zweckmäßigste Auskunftsmittel angesehen worden,
und der Gedanke ist keineswegs so überraschend und so verwerflich wie
er neuerdings in östreichischen Blättern dargestellt wurde. '— Noch deut¬
licher sprach sich Lord Palmerston in einer Depesche vom 11. November
gegen das Wiener Cabinet aus, indem er gradezu die Behauptung
aufstellte, daß der Anlaß zu einer französischen Intervention in Italien
nicht lange ausbleiben, daß in diesem Kampfe Oestreich den Kürzeren
ziehen werde, daß Oestreich an die Zukunft denken und den günstigen Augen¬
blick, wo es die Lombardei besetzt halte, benutzen möge, um ein Abkommen
zu treffen, welches in diesem Augenblick als das Product seiner freien Ent¬
schließung erscheinen würde. Von den Schritten des britischen Ministers in
Wien wußten die Venetianer nichts und von der ihnen ertheilten trockenen
Verweisung auf ein Abkommen mit Oestreich waren sie wenig erbaut. Doch
sah der Bevollmächtigte in Paris, Pasini, ein, daß England nicht wie Frank¬
reich durch Verheißungen gebunden sei, und Lord Ellis (der englische Gesandte
in Paris) belehrte ihn, daß Lord Palmerston ihm nicht anders schreiben könne,
als er gethan habe: „es sei Regel in der englischen Diplomatie, sich zu weit
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