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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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thun habe; darauf klagte dieser, erwerbe durch die Detail-Schwierigkeiten gehemmt
und die schlimmsten unter den Details seien die Detail-Menschen. In dieser Unter¬
redung erwähnte Louis Napoleon, Italien werde Millionen bezahlen müssen, um
die Oestreicher zur Räumung zu bestimmen. -- Bald darauf schickte die provi¬
sorische Negierung von Venedig an den "Bürger Präsidenten der französischen
Republik" ein Glückwünschungsschreiben, worin an die hochherzigen Zusiche-
rungen Frankreichs für die vollständige Befreiung Italiens erinnert, der Prä¬
sident, ein "alter Soldat der italienischen Freiheit" genannt wurde, "welcher
von der Vorsehung berufen sei. die Nationalität des großen Vaterlandes der
napoleoniden herzustellen." Der Bürger-Präsident unterließ es nicht, durch
den venetianischen Bevollmächtigten Pasini für dieses Schreiben seinen Dank
sagen zu lassen. Er wünsche sehr, fügte er hinzu, die Macht zu haben, Vene¬
dig nützlich zu sein, aber leider sei Frankreich selbst durch innern Zwiespalt
bedrängt und so müsse man denn das Resultat der Verhandlungen abwarten.
Hinter diesen Worten lagen Pläne verborgen, welche ein Jahrzehnt brauchten,
um zu reifen; hinter den Verheißungen des Herrn v. Lamartine lag gar
nichts.

Hatten die Franzosen die Italiener mit leeren Versprechungen hingehalten
und dann im Stiche gelassen, so kann man nicht dasselbe von den Euglün"
dem sagen. Der britische Generalconsul in Venedig, Clinton Dciwkins. neigte
zu Oestreich und gegen die italienische Bewegung; seine Berichte, durch die
Blaubücher bekannt, lassen darüber keinen Zweifel. In der ersten Unterredung,
welche der venetianische Abgesandte Zanardini am 21. April 1848 mit Lord
Palmerston in London hatte, und wobei es sich um den beabsichtigten An¬
kauf von Waffen und eines Dampfers handelte, erklärte der Minister: die
britische Regierung sei mit Oestreich alliirt und es sei ihr unmöglich, den
Italienern zu helfen: "Alles was wir in der östreichisch-italienischen Frage
thun können, ist. daß wir Zuschauer bleiben". Die Italiener befürchteten
eher eine feindselige Haltung Englands, und Mamin äußerte diese Besorgnis)
unter anderm gegen Richard Cobden, welcher in seiner Antwort vom 10. Mai
1848 auseinandersetzte, daß England an den Verträgen von 1815 theilge¬
nommen und daß seine Staatsmänner sich verpflichtet glaubten, gegen jede
Verletzung derselben zu protestiren. Ueber diese Grenze hinaus werde jedoch
die englische NcgierMg gewiß nicht gehen, sie werde die Interessen Oestreichs
weder mit den Waffen noch durch ihre Diplomatie unterstützen. Oeffentliche
Blätter berichten, daß Richard Cobden bei den bevorstehenden Unterhand¬
lungen über den Loskauf Venetiens eine Rolle zu spielen berufen und bereit
sei; gegenwärtig weilt er in Algerien. Der englische Gesandte in Turin
Abercromby, wünschte ein Abkommen mit Oestreich hauptsächlich um einem
Einmärsche der Franzose" vorzubeugen; allein er erklärte (in einem Schreiben


thun habe; darauf klagte dieser, erwerbe durch die Detail-Schwierigkeiten gehemmt
und die schlimmsten unter den Details seien die Detail-Menschen. In dieser Unter¬
redung erwähnte Louis Napoleon, Italien werde Millionen bezahlen müssen, um
die Oestreicher zur Räumung zu bestimmen. — Bald darauf schickte die provi¬
sorische Negierung von Venedig an den „Bürger Präsidenten der französischen
Republik" ein Glückwünschungsschreiben, worin an die hochherzigen Zusiche-
rungen Frankreichs für die vollständige Befreiung Italiens erinnert, der Prä¬
sident, ein „alter Soldat der italienischen Freiheit" genannt wurde, „welcher
von der Vorsehung berufen sei. die Nationalität des großen Vaterlandes der
napoleoniden herzustellen." Der Bürger-Präsident unterließ es nicht, durch
den venetianischen Bevollmächtigten Pasini für dieses Schreiben seinen Dank
sagen zu lassen. Er wünsche sehr, fügte er hinzu, die Macht zu haben, Vene¬
dig nützlich zu sein, aber leider sei Frankreich selbst durch innern Zwiespalt
bedrängt und so müsse man denn das Resultat der Verhandlungen abwarten.
Hinter diesen Worten lagen Pläne verborgen, welche ein Jahrzehnt brauchten,
um zu reifen; hinter den Verheißungen des Herrn v. Lamartine lag gar
nichts.

Hatten die Franzosen die Italiener mit leeren Versprechungen hingehalten
und dann im Stiche gelassen, so kann man nicht dasselbe von den Euglün»
dem sagen. Der britische Generalconsul in Venedig, Clinton Dciwkins. neigte
zu Oestreich und gegen die italienische Bewegung; seine Berichte, durch die
Blaubücher bekannt, lassen darüber keinen Zweifel. In der ersten Unterredung,
welche der venetianische Abgesandte Zanardini am 21. April 1848 mit Lord
Palmerston in London hatte, und wobei es sich um den beabsichtigten An¬
kauf von Waffen und eines Dampfers handelte, erklärte der Minister: die
britische Regierung sei mit Oestreich alliirt und es sei ihr unmöglich, den
Italienern zu helfen: „Alles was wir in der östreichisch-italienischen Frage
thun können, ist. daß wir Zuschauer bleiben". Die Italiener befürchteten
eher eine feindselige Haltung Englands, und Mamin äußerte diese Besorgnis)
unter anderm gegen Richard Cobden, welcher in seiner Antwort vom 10. Mai
1848 auseinandersetzte, daß England an den Verträgen von 1815 theilge¬
nommen und daß seine Staatsmänner sich verpflichtet glaubten, gegen jede
Verletzung derselben zu protestiren. Ueber diese Grenze hinaus werde jedoch
die englische NcgierMg gewiß nicht gehen, sie werde die Interessen Oestreichs
weder mit den Waffen noch durch ihre Diplomatie unterstützen. Oeffentliche
Blätter berichten, daß Richard Cobden bei den bevorstehenden Unterhand¬
lungen über den Loskauf Venetiens eine Rolle zu spielen berufen und bereit
sei; gegenwärtig weilt er in Algerien. Der englische Gesandte in Turin
Abercromby, wünschte ein Abkommen mit Oestreich hauptsächlich um einem
Einmärsche der Franzose» vorzubeugen; allein er erklärte (in einem Schreiben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/18>, abgerufen am 23.07.2024.