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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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genta und Solfcrino sich mit Ruhm bedeckt hatte, das aber bei einer Parade in
Mailand nicht den richtigen Marschland hielt, mit dem Namen: "Sauregiment."
Was Wunder also, wenn durch eine solche Behandlung das Ehrgefühl des Ein¬
zelnen gekränkt und Diensteifer und Opferwilligkeit immer seltner wurden.

So lange übrigens Radetzky noch lebte, bewahrte wenigstens die Armee
in Italien noch einen guten Theil jenes Geistes, welcher in den Jahren 1848
und 1849 so große Dinge verrichten half. Radetzky war fast der einzige wahr¬
haft große und redliche Charakter, welchen Oestreich in neuerer Zeit besaß, und
sein Wirken ein Beweis, was ein einziger Mann, ja oft nur der Name dessel¬
ben zu vollbringen vermag. Fast könnte man sagen, daß mit ihm der gute
Genius des östreichischen Heeres entwichen sei.

Somit war denn, es dürfte dieses hier deutlich genug bewiesen worden
sein, ein großer Theil der östreichischen Armee im Jahre 1858 vom General
bis zum Gemeinen herab unwillig, uneinig und des höheren kriegerischen
Geistes ledig. Gyulai wußte die Zeit von der Uebernahme des Heerbefehles
bis zum Ausbruche des Krieges vortrefflich zu benutzen, um das Gute, was
bei den in Italien stationirten Truppen noch übrig geblieben, gründlich zu
verderben.

Nun kam das Jahr 1859.

Wunderbarer Weise hatte fast die ganze Armee von dem Augenblicke an.
wo der Ausbruch des Krieges gewiß erschien, alle bisher erlittenen Unbilden
vergessen und eilte begeistert in den Kampf. Wol mochte zu solch günstiger
Stimmung auch die Hoffnung beitragen, daß nun die Friedensplackerei auf¬
hören, nach beendeten Kriege aber eine wesentliche Verbesserung eintreten werde.
Ferner gab der Krieg Gelegenheit, sich auszuzeichnen und emporzubringen.
Dann erinnerten sich die meisten an die Feldzüge Radetzkys und glaubten,
daß auch Andern gelingen werde, was' jener greife Held anscheinend spielend
vollbracht hatte. Zwar setzte man gleich Anfangs keine besondern Hoffnungen
aus Gyulai; doch hatte man die ganze Unfähigkeit dieses Mannes noch nicht
in ihrer vollen Größe erkannt und hoffte endlich Alles von den ihn umgeben¬
den Kapacitäten.

Es wäre immerhin rathsam gewesen, zu untersuchen, ob dieser Enthusias¬
mus auch allerorts ein wahrer, und nicht etwa ein schnell verfliegender Rausch
des Augenblicks, nicht bei Manchen nur erheuchelt sei. Aber einige dem Kaiser
zugerufene Evviva's genügten, um die Verläßlichkeit der italienischen Regimen¬
ter außer allen Zweifel zu stellen und selbe in den Kampf gegen Landsleute
und Freunde zu schicken. Auch der Civilstand zeigte vielfach seinen Patriotis¬
mus, wenn es auch manche Kreise gegeben haben mag, die dem Feinde den
Sieg über das herrschende System wünschten. Von allen Seiten wurden Opfer
aus dem Altare des Vaterlandes niedergelegt, und überall bildeten sich Vereine


genta und Solfcrino sich mit Ruhm bedeckt hatte, das aber bei einer Parade in
Mailand nicht den richtigen Marschland hielt, mit dem Namen: „Sauregiment."
Was Wunder also, wenn durch eine solche Behandlung das Ehrgefühl des Ein¬
zelnen gekränkt und Diensteifer und Opferwilligkeit immer seltner wurden.

So lange übrigens Radetzky noch lebte, bewahrte wenigstens die Armee
in Italien noch einen guten Theil jenes Geistes, welcher in den Jahren 1848
und 1849 so große Dinge verrichten half. Radetzky war fast der einzige wahr¬
haft große und redliche Charakter, welchen Oestreich in neuerer Zeit besaß, und
sein Wirken ein Beweis, was ein einziger Mann, ja oft nur der Name dessel¬
ben zu vollbringen vermag. Fast könnte man sagen, daß mit ihm der gute
Genius des östreichischen Heeres entwichen sei.

Somit war denn, es dürfte dieses hier deutlich genug bewiesen worden
sein, ein großer Theil der östreichischen Armee im Jahre 1858 vom General
bis zum Gemeinen herab unwillig, uneinig und des höheren kriegerischen
Geistes ledig. Gyulai wußte die Zeit von der Uebernahme des Heerbefehles
bis zum Ausbruche des Krieges vortrefflich zu benutzen, um das Gute, was
bei den in Italien stationirten Truppen noch übrig geblieben, gründlich zu
verderben.

Nun kam das Jahr 1859.

Wunderbarer Weise hatte fast die ganze Armee von dem Augenblicke an.
wo der Ausbruch des Krieges gewiß erschien, alle bisher erlittenen Unbilden
vergessen und eilte begeistert in den Kampf. Wol mochte zu solch günstiger
Stimmung auch die Hoffnung beitragen, daß nun die Friedensplackerei auf¬
hören, nach beendeten Kriege aber eine wesentliche Verbesserung eintreten werde.
Ferner gab der Krieg Gelegenheit, sich auszuzeichnen und emporzubringen.
Dann erinnerten sich die meisten an die Feldzüge Radetzkys und glaubten,
daß auch Andern gelingen werde, was' jener greife Held anscheinend spielend
vollbracht hatte. Zwar setzte man gleich Anfangs keine besondern Hoffnungen
aus Gyulai; doch hatte man die ganze Unfähigkeit dieses Mannes noch nicht
in ihrer vollen Größe erkannt und hoffte endlich Alles von den ihn umgeben¬
den Kapacitäten.

Es wäre immerhin rathsam gewesen, zu untersuchen, ob dieser Enthusias¬
mus auch allerorts ein wahrer, und nicht etwa ein schnell verfliegender Rausch
des Augenblicks, nicht bei Manchen nur erheuchelt sei. Aber einige dem Kaiser
zugerufene Evviva's genügten, um die Verläßlichkeit der italienischen Regimen¬
ter außer allen Zweifel zu stellen und selbe in den Kampf gegen Landsleute
und Freunde zu schicken. Auch der Civilstand zeigte vielfach seinen Patriotis¬
mus, wenn es auch manche Kreise gegeben haben mag, die dem Feinde den
Sieg über das herrschende System wünschten. Von allen Seiten wurden Opfer
aus dem Altare des Vaterlandes niedergelegt, und überall bildeten sich Vereine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/178>, abgerufen am 15.01.2025.