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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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gen oder austreten. Nur einige Novellenschreiber werden geduldet. Im rein
Wissenschaftlicher aber suchen der Generalstab und die Oberoffiziere des In¬
genieur- und Artilleriecorps das Monopol an sich zu reißen.

Das Avancement geht nur dem Namen nach in der Anciennetät fort.
In Wahrheit beschließen die Bürgerlichen und die meisten niederen Adeligen
ihre Laufbahn gewöhnlich als Hauptleute, indem die höheren Stellen fast aus¬
schließlich von dem hohen Adel und den Günstlingen desselben eingenommen
werden. Die wenigen Bürgerlichen, welche sich zu einem hohen Range auf¬
geschwungen haben, sind entweder die unentbehrlichen Stellvertreter unfähiger
Aristokraten, oder Hofschranzen der gemeinsten Art. welche nur durch Augen-
dienerei so hoch gestiegen sind. Das Beispiel Benedcks kann hier nicht als
Gegenbeweis angeführt werden, indem dieser General durch den Aristokraten
Gyulcu in früherer Zeit wol längst entfernt worden wäre, wenn Radetzky nicht
für ihn gesprochen. Jetzt aber wird Benedek durch den einmüthigen Wunsch
der Armee und der Bevölkerung anf seinem Posten erhalten und ist in der
That der Unentbehrliche und so zu sagen der letzte Nothanker!

Aber selbst die Mitglieder der ersten Adelsfamilien konnten sich nur
dann in ihrer Stellung behaupten.-wenn sie in den allgemein eingerissenen
servilen Ton einstimmten. Eine wohlgemeinte, freimüthige Aeußerung, eine
ohne Anfrage vorgenommene Verbesserung, ein Etikettenfehler, ja noch geringere
Dinge konnten die Stellung eines Fürsten, ja eines Erzherzogs gefährden.
Es wäre überflüssig für das soeben Gesagte noch Beispiele vorzubringen. Den
erklärten Günstlingen und den Crenturen derselben war dagegen Altes erlaubt,
sie konnten ungestraft die gröbsten Verstöße begehen.

Was der Graf Grünne. der ungeachtet seiner nomineller Enthebung von
seinem Posten als erster Generaladjutant des Kaisers noch immer einen großen
Einfluß besitzt, gethan hat, lebt noch In zu frischem Andenken. Einen großen
Theil der Unzufriedenheit des Volkes wie der Armee hat der Kaiser nur den
Rathschlägen dieses Mannes zu verdanken. Es ist kaum glaublich, mit wel¬
chem Hochmuthe, welcher Launenhaftigkeit Grünne alle Jene, welche uuter oder
neben ihm standen, behandelte. Sein Beispiel verfehlte nicht, auch aus die
übrigen Mitglieder des militärischen Hofstaates und auf die Machthaber in
den Provinzen Einfluß auszuüben. Darum wimmelte es allerwärts von klei¬
nen Tyrannen, die sich gegen ihre Obern mehr als sklavisch devot, gegen ihre
Untergebenen maßlos impertinent benahmen. Nicht einmal das dem Militär¬
staude gegenüber der Bevölkerung zu beobachtende Ansehn wurde gewahrt, in¬
dem manche Generale ihren nächsten Untergebenen gegenüber öffentlich Aus¬
drücke brauchten, wie sie früher an dem rohesten Corporal getadelt worden
^arm. Gyulai z. B. beehrte einst ein ganzes Regiment, welches auf hundert
Schlachtfeldern seine Tapferkeit glänzend bewiesen und noch jüngst bei Ma-


gen oder austreten. Nur einige Novellenschreiber werden geduldet. Im rein
Wissenschaftlicher aber suchen der Generalstab und die Oberoffiziere des In¬
genieur- und Artilleriecorps das Monopol an sich zu reißen.

Das Avancement geht nur dem Namen nach in der Anciennetät fort.
In Wahrheit beschließen die Bürgerlichen und die meisten niederen Adeligen
ihre Laufbahn gewöhnlich als Hauptleute, indem die höheren Stellen fast aus¬
schließlich von dem hohen Adel und den Günstlingen desselben eingenommen
werden. Die wenigen Bürgerlichen, welche sich zu einem hohen Range auf¬
geschwungen haben, sind entweder die unentbehrlichen Stellvertreter unfähiger
Aristokraten, oder Hofschranzen der gemeinsten Art. welche nur durch Augen-
dienerei so hoch gestiegen sind. Das Beispiel Benedcks kann hier nicht als
Gegenbeweis angeführt werden, indem dieser General durch den Aristokraten
Gyulcu in früherer Zeit wol längst entfernt worden wäre, wenn Radetzky nicht
für ihn gesprochen. Jetzt aber wird Benedek durch den einmüthigen Wunsch
der Armee und der Bevölkerung anf seinem Posten erhalten und ist in der
That der Unentbehrliche und so zu sagen der letzte Nothanker!

Aber selbst die Mitglieder der ersten Adelsfamilien konnten sich nur
dann in ihrer Stellung behaupten.-wenn sie in den allgemein eingerissenen
servilen Ton einstimmten. Eine wohlgemeinte, freimüthige Aeußerung, eine
ohne Anfrage vorgenommene Verbesserung, ein Etikettenfehler, ja noch geringere
Dinge konnten die Stellung eines Fürsten, ja eines Erzherzogs gefährden.
Es wäre überflüssig für das soeben Gesagte noch Beispiele vorzubringen. Den
erklärten Günstlingen und den Crenturen derselben war dagegen Altes erlaubt,
sie konnten ungestraft die gröbsten Verstöße begehen.

Was der Graf Grünne. der ungeachtet seiner nomineller Enthebung von
seinem Posten als erster Generaladjutant des Kaisers noch immer einen großen
Einfluß besitzt, gethan hat, lebt noch In zu frischem Andenken. Einen großen
Theil der Unzufriedenheit des Volkes wie der Armee hat der Kaiser nur den
Rathschlägen dieses Mannes zu verdanken. Es ist kaum glaublich, mit wel¬
chem Hochmuthe, welcher Launenhaftigkeit Grünne alle Jene, welche uuter oder
neben ihm standen, behandelte. Sein Beispiel verfehlte nicht, auch aus die
übrigen Mitglieder des militärischen Hofstaates und auf die Machthaber in
den Provinzen Einfluß auszuüben. Darum wimmelte es allerwärts von klei¬
nen Tyrannen, die sich gegen ihre Obern mehr als sklavisch devot, gegen ihre
Untergebenen maßlos impertinent benahmen. Nicht einmal das dem Militär¬
staude gegenüber der Bevölkerung zu beobachtende Ansehn wurde gewahrt, in¬
dem manche Generale ihren nächsten Untergebenen gegenüber öffentlich Aus¬
drücke brauchten, wie sie früher an dem rohesten Corporal getadelt worden
^arm. Gyulai z. B. beehrte einst ein ganzes Regiment, welches auf hundert
Schlachtfeldern seine Tapferkeit glänzend bewiesen und noch jüngst bei Ma-


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[0177] gen oder austreten. Nur einige Novellenschreiber werden geduldet. Im rein Wissenschaftlicher aber suchen der Generalstab und die Oberoffiziere des In¬ genieur- und Artilleriecorps das Monopol an sich zu reißen. Das Avancement geht nur dem Namen nach in der Anciennetät fort. In Wahrheit beschließen die Bürgerlichen und die meisten niederen Adeligen ihre Laufbahn gewöhnlich als Hauptleute, indem die höheren Stellen fast aus¬ schließlich von dem hohen Adel und den Günstlingen desselben eingenommen werden. Die wenigen Bürgerlichen, welche sich zu einem hohen Range auf¬ geschwungen haben, sind entweder die unentbehrlichen Stellvertreter unfähiger Aristokraten, oder Hofschranzen der gemeinsten Art. welche nur durch Augen- dienerei so hoch gestiegen sind. Das Beispiel Benedcks kann hier nicht als Gegenbeweis angeführt werden, indem dieser General durch den Aristokraten Gyulcu in früherer Zeit wol längst entfernt worden wäre, wenn Radetzky nicht für ihn gesprochen. Jetzt aber wird Benedek durch den einmüthigen Wunsch der Armee und der Bevölkerung anf seinem Posten erhalten und ist in der That der Unentbehrliche und so zu sagen der letzte Nothanker! Aber selbst die Mitglieder der ersten Adelsfamilien konnten sich nur dann in ihrer Stellung behaupten.-wenn sie in den allgemein eingerissenen servilen Ton einstimmten. Eine wohlgemeinte, freimüthige Aeußerung, eine ohne Anfrage vorgenommene Verbesserung, ein Etikettenfehler, ja noch geringere Dinge konnten die Stellung eines Fürsten, ja eines Erzherzogs gefährden. Es wäre überflüssig für das soeben Gesagte noch Beispiele vorzubringen. Den erklärten Günstlingen und den Crenturen derselben war dagegen Altes erlaubt, sie konnten ungestraft die gröbsten Verstöße begehen. Was der Graf Grünne. der ungeachtet seiner nomineller Enthebung von seinem Posten als erster Generaladjutant des Kaisers noch immer einen großen Einfluß besitzt, gethan hat, lebt noch In zu frischem Andenken. Einen großen Theil der Unzufriedenheit des Volkes wie der Armee hat der Kaiser nur den Rathschlägen dieses Mannes zu verdanken. Es ist kaum glaublich, mit wel¬ chem Hochmuthe, welcher Launenhaftigkeit Grünne alle Jene, welche uuter oder neben ihm standen, behandelte. Sein Beispiel verfehlte nicht, auch aus die übrigen Mitglieder des militärischen Hofstaates und auf die Machthaber in den Provinzen Einfluß auszuüben. Darum wimmelte es allerwärts von klei¬ nen Tyrannen, die sich gegen ihre Obern mehr als sklavisch devot, gegen ihre Untergebenen maßlos impertinent benahmen. Nicht einmal das dem Militär¬ staude gegenüber der Bevölkerung zu beobachtende Ansehn wurde gewahrt, in¬ dem manche Generale ihren nächsten Untergebenen gegenüber öffentlich Aus¬ drücke brauchten, wie sie früher an dem rohesten Corporal getadelt worden ^arm. Gyulai z. B. beehrte einst ein ganzes Regiment, welches auf hundert Schlachtfeldern seine Tapferkeit glänzend bewiesen und noch jüngst bei Ma-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/177>, abgerufen am 15.01.2025.