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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Unter den sieben Hauptgebotcn Hamza's findet sich auch das der Wahr¬
haftigkeit; doch gilt dies nur gegen die Gläubigen und durchaus nicht da, wo
es mit dem Gebot, die Brüder zu schützen und zu unterstützen in Conflict ge¬
räth. Selbst gegen die Nichtwissenden unter ihnen (die sehr gering geachtet
werden, die ihre Bücher nicht lesen dürfen, und denen überhaupt nur die
wichtigsten ihrer Lehren als die Seelenwanderung, die Gottheit Hakims, das
Iinamat Hamzas und die vier Endpunkte oder Frauen mitgetheilt werden)
haben sie nicht nöthig, aufrichtig zu sein. Gegen Christen. Mohammedaner
und Juden ist ihnen jedes Verbrechen, namentlich aber Lüge und Heuchelei
erlaubt. In dem von Hamza herrührenden Buche "die sieben Theile" heißt es
geradezu. Wahrhaftigkeit gegen Fremde sei nur gestattet, wenn sie den Gläubigen
keinen Nachtheil oder wenn sie ihnen Nutzen bringe; aber wenn einer eine
Schuld an einen Fremden zu bezahlen oder sonst ein Versprechen, das nicht
vor Zeugen geleistet worden, zu erfüllen habe, solle man lügen. Ebenso dürfe
man, vor "Schwarzen" über die Angelegenheiten eines Einhcitsbekenners be¬
fragt, das Gegentheil des wahren Sachverhalts sagen; "erst wenn der Schai-
tan (Satan, d. i. der Fremde) weggegangen ist," sagt Hamza, "berichtet der
Bruder dem Bruder die Wahrheit der Sache."

Sind Drusen mit einem Mohammedaner zusammen, so bekennen sie sich
zum Islam. Unterhalten sie sich mit Christen, so behaupten sie, dem Christen¬
thum näher als alle Anderen zu stehen und auf die Lehre des wahren Messias
leben und sterben zu wollen, wobei sie allerdings verschweigen, daß sie unter
dem wahren Messias nicht Jsa (den Jesus der Christen), sondern Jessu, in dem
die Seele Hamza Ben Ali's war, verstehen. Dies geschieht aus Scheu vor
Verletzung des Gebotes, in Sachen ihrer Religion strenge Verschwiegenheit zu
bewahren, und sie bekennen, durch Umstände genöthigt, daß man den kostbaren
Edelstein vor den Augen dessen, der seinen Werth nicht zu schätzen wisse, zu
verbergen habe.

Dieses Geheimhalten ihrer Religion führte zu ähnlichen Erkennungszeichen,
wie sie die Freimaurer und andere geheime Gesellschaften der civilisirten Welt
unter sich haben. Wenn sie in Zweifel waren, ob ein ihnen Unbekannter,
mit dem sie verkehrten, zu ihnen gehörte oder nicht, so fragten sie ihn: "Säen
die Landleute in eurer Gegend die Körner des Ehliledsch?" (eine Balsamstaudc).
Antwortete er: "Ja, sie werden gesäet in die Herzen der Gläubigen," so wurde
es ihnen höchst wahrscheinlich, daß er einer der Ihren war. Er konnte aber
zu den-Nichtwissenden gehören, und darum fragten sie nach den Namen der
Endpunkte und ihrer Grade, um seine Wissenschaft zu prüfen. Gab er eine
falsche Antwort, so wußten sie, daß er kein Einheitsbekenner. wenigstens keiner
der in die höheren Mysterien Eingeweihten war. Oft veränderten sie ihre Er¬
kennungszeichen, nachdem sie entdeckt waren, und dies wird namentlich damals


Unter den sieben Hauptgebotcn Hamza's findet sich auch das der Wahr¬
haftigkeit; doch gilt dies nur gegen die Gläubigen und durchaus nicht da, wo
es mit dem Gebot, die Brüder zu schützen und zu unterstützen in Conflict ge¬
räth. Selbst gegen die Nichtwissenden unter ihnen (die sehr gering geachtet
werden, die ihre Bücher nicht lesen dürfen, und denen überhaupt nur die
wichtigsten ihrer Lehren als die Seelenwanderung, die Gottheit Hakims, das
Iinamat Hamzas und die vier Endpunkte oder Frauen mitgetheilt werden)
haben sie nicht nöthig, aufrichtig zu sein. Gegen Christen. Mohammedaner
und Juden ist ihnen jedes Verbrechen, namentlich aber Lüge und Heuchelei
erlaubt. In dem von Hamza herrührenden Buche „die sieben Theile" heißt es
geradezu. Wahrhaftigkeit gegen Fremde sei nur gestattet, wenn sie den Gläubigen
keinen Nachtheil oder wenn sie ihnen Nutzen bringe; aber wenn einer eine
Schuld an einen Fremden zu bezahlen oder sonst ein Versprechen, das nicht
vor Zeugen geleistet worden, zu erfüllen habe, solle man lügen. Ebenso dürfe
man, vor „Schwarzen" über die Angelegenheiten eines Einhcitsbekenners be¬
fragt, das Gegentheil des wahren Sachverhalts sagen; „erst wenn der Schai-
tan (Satan, d. i. der Fremde) weggegangen ist," sagt Hamza, „berichtet der
Bruder dem Bruder die Wahrheit der Sache."

Sind Drusen mit einem Mohammedaner zusammen, so bekennen sie sich
zum Islam. Unterhalten sie sich mit Christen, so behaupten sie, dem Christen¬
thum näher als alle Anderen zu stehen und auf die Lehre des wahren Messias
leben und sterben zu wollen, wobei sie allerdings verschweigen, daß sie unter
dem wahren Messias nicht Jsa (den Jesus der Christen), sondern Jessu, in dem
die Seele Hamza Ben Ali's war, verstehen. Dies geschieht aus Scheu vor
Verletzung des Gebotes, in Sachen ihrer Religion strenge Verschwiegenheit zu
bewahren, und sie bekennen, durch Umstände genöthigt, daß man den kostbaren
Edelstein vor den Augen dessen, der seinen Werth nicht zu schätzen wisse, zu
verbergen habe.

Dieses Geheimhalten ihrer Religion führte zu ähnlichen Erkennungszeichen,
wie sie die Freimaurer und andere geheime Gesellschaften der civilisirten Welt
unter sich haben. Wenn sie in Zweifel waren, ob ein ihnen Unbekannter,
mit dem sie verkehrten, zu ihnen gehörte oder nicht, so fragten sie ihn: „Säen
die Landleute in eurer Gegend die Körner des Ehliledsch?" (eine Balsamstaudc).
Antwortete er: „Ja, sie werden gesäet in die Herzen der Gläubigen," so wurde
es ihnen höchst wahrscheinlich, daß er einer der Ihren war. Er konnte aber
zu den-Nichtwissenden gehören, und darum fragten sie nach den Namen der
Endpunkte und ihrer Grade, um seine Wissenschaft zu prüfen. Gab er eine
falsche Antwort, so wußten sie, daß er kein Einheitsbekenner. wenigstens keiner
der in die höheren Mysterien Eingeweihten war. Oft veränderten sie ihre Er¬
kennungszeichen, nachdem sie entdeckt waren, und dies wird namentlich damals


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[0162] Unter den sieben Hauptgebotcn Hamza's findet sich auch das der Wahr¬ haftigkeit; doch gilt dies nur gegen die Gläubigen und durchaus nicht da, wo es mit dem Gebot, die Brüder zu schützen und zu unterstützen in Conflict ge¬ räth. Selbst gegen die Nichtwissenden unter ihnen (die sehr gering geachtet werden, die ihre Bücher nicht lesen dürfen, und denen überhaupt nur die wichtigsten ihrer Lehren als die Seelenwanderung, die Gottheit Hakims, das Iinamat Hamzas und die vier Endpunkte oder Frauen mitgetheilt werden) haben sie nicht nöthig, aufrichtig zu sein. Gegen Christen. Mohammedaner und Juden ist ihnen jedes Verbrechen, namentlich aber Lüge und Heuchelei erlaubt. In dem von Hamza herrührenden Buche „die sieben Theile" heißt es geradezu. Wahrhaftigkeit gegen Fremde sei nur gestattet, wenn sie den Gläubigen keinen Nachtheil oder wenn sie ihnen Nutzen bringe; aber wenn einer eine Schuld an einen Fremden zu bezahlen oder sonst ein Versprechen, das nicht vor Zeugen geleistet worden, zu erfüllen habe, solle man lügen. Ebenso dürfe man, vor „Schwarzen" über die Angelegenheiten eines Einhcitsbekenners be¬ fragt, das Gegentheil des wahren Sachverhalts sagen; „erst wenn der Schai- tan (Satan, d. i. der Fremde) weggegangen ist," sagt Hamza, „berichtet der Bruder dem Bruder die Wahrheit der Sache." Sind Drusen mit einem Mohammedaner zusammen, so bekennen sie sich zum Islam. Unterhalten sie sich mit Christen, so behaupten sie, dem Christen¬ thum näher als alle Anderen zu stehen und auf die Lehre des wahren Messias leben und sterben zu wollen, wobei sie allerdings verschweigen, daß sie unter dem wahren Messias nicht Jsa (den Jesus der Christen), sondern Jessu, in dem die Seele Hamza Ben Ali's war, verstehen. Dies geschieht aus Scheu vor Verletzung des Gebotes, in Sachen ihrer Religion strenge Verschwiegenheit zu bewahren, und sie bekennen, durch Umstände genöthigt, daß man den kostbaren Edelstein vor den Augen dessen, der seinen Werth nicht zu schätzen wisse, zu verbergen habe. Dieses Geheimhalten ihrer Religion führte zu ähnlichen Erkennungszeichen, wie sie die Freimaurer und andere geheime Gesellschaften der civilisirten Welt unter sich haben. Wenn sie in Zweifel waren, ob ein ihnen Unbekannter, mit dem sie verkehrten, zu ihnen gehörte oder nicht, so fragten sie ihn: „Säen die Landleute in eurer Gegend die Körner des Ehliledsch?" (eine Balsamstaudc). Antwortete er: „Ja, sie werden gesäet in die Herzen der Gläubigen," so wurde es ihnen höchst wahrscheinlich, daß er einer der Ihren war. Er konnte aber zu den-Nichtwissenden gehören, und darum fragten sie nach den Namen der Endpunkte und ihrer Grade, um seine Wissenschaft zu prüfen. Gab er eine falsche Antwort, so wußten sie, daß er kein Einheitsbekenner. wenigstens keiner der in die höheren Mysterien Eingeweihten war. Oft veränderten sie ihre Er¬ kennungszeichen, nachdem sie entdeckt waren, und dies wird namentlich damals

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/162>, abgerufen am 27.08.2024.