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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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den-Secte erscheinen. Die Sittenlehre der Drusen feste Anfangs, d. h. so
lange Hakim lebte, die vollkommene Immoralität auf den Thron. Es scheint,
daß damals in dieser Beziehung dasselbe vorgetragen wurde, was noch jetzt
als Princip für ihren Glauben gilt. Wie dieses dahin geht, das für wahr
zu halten, was andere Religionen lüugnen, so scheint die Ethik der Drusen
anfänglich darin bestanden zu haben, das als gut zu gebieten, was andere
Glaubensgenossenschaften als böse untersagten. Die Verfolgung wirkte dann
läuternd, und Behaeddin, der jüngste von den fünf "Endpunkten", welcher
die andern überlebte, schrieb mehre, im Buch der Vorwürfe enthaltene Ab¬
handlungen, in denen er die Lehren Mohammed Ed Derezis und der ersten
Missionäre Ihr El Berberije und solam als schändlich verurtheilte.

Ihren noch jetzt anerkannten Glaubensartikeln zufolge glauben die Drusen
zunächst an einen einigen ewigen und vollkommenen Gott. Dieser schuf im
Anfang das Licht und die Finsterniß. Das Licht war die allgemeine Ver¬
nunft, seine Menschwerdung und sein Prophet Hamza Bau Ali Ben Achmed,
der Führer der Gehorchenden. Die Finsterniß war der sprechende Geist,
Ibus, d. i. der Teufel, und seine Menschwerdung und sein Prophet war
Mohammed, der Stifter des Islam. Aus dem Lichte Hamzas wurden vier
Geister, die obenerwähnten "vier Endpunkte der Einheitslehre" erzeugt, deren
größter Ismail ist. Ebenso entsprangen aus der Finsterniß Mohammeds
seine vier Gefährten Abu Bekr, Omar, Othman und Ali Ihr Adi Talch.
welcher letztere den Drusen als der vornehmste gilt und deshalb als der
Asas (Grundstein) oder auch als der Satan bezeichnet wird. So standen
vier Endpunkte der wahren Lehre vier Endpunkten der Irrlehre und der
Sprechende der allgemeinen Vernunft gegenüber, Gott aber blieb allein,
getrennt von seinen Geschöpfen. Sein Wesen mit den Sinnen des mensch¬
lichen Körpers zu erfassen ist unmöglich. Hätte er sich seinen Creaturen
nicht offenbart, so würden sie keinen Beweis für seine Existenz haben.
Zufolge seiner Gerechtigkeit aber hat er sich ihnen zu verschiedenen Zeiten
kundgegeben, wenn auch in einem Schleier der Körperlichkeit. Dieser Schleier
muß von dem edelsten seiner Geschöpfe sein, und darum erschien er ihnen
zum letzten Mal in der Gestalt Hakims. welcher ein großer König war.
"Denn wer Männer beherrscht, hat," wie die Drüsen sagen, "den Verstand
von allen, und Hakim war Herrscher über viele Tausende, hatte also anch
den Verstand vieler Tausende."

Die Welt wurde nicht in sechs Tagen oder Epochen, sondern auf einen
Ruck erschaffen. Ebenso traten die Menschen auf einmal und nicht durch Ab¬
stammung von einem Vater ins Leben. Die Zahl der menschlichen Seelen
ist von Anfang an bis jetzt die gleiche geblieben, sie vermehrt sich nicht und
nimmt nicht ab, jedesmal, wenn ein Mensch stirbt, geht seine Seele in ein


den-Secte erscheinen. Die Sittenlehre der Drusen feste Anfangs, d. h. so
lange Hakim lebte, die vollkommene Immoralität auf den Thron. Es scheint,
daß damals in dieser Beziehung dasselbe vorgetragen wurde, was noch jetzt
als Princip für ihren Glauben gilt. Wie dieses dahin geht, das für wahr
zu halten, was andere Religionen lüugnen, so scheint die Ethik der Drusen
anfänglich darin bestanden zu haben, das als gut zu gebieten, was andere
Glaubensgenossenschaften als böse untersagten. Die Verfolgung wirkte dann
läuternd, und Behaeddin, der jüngste von den fünf „Endpunkten", welcher
die andern überlebte, schrieb mehre, im Buch der Vorwürfe enthaltene Ab¬
handlungen, in denen er die Lehren Mohammed Ed Derezis und der ersten
Missionäre Ihr El Berberije und solam als schändlich verurtheilte.

Ihren noch jetzt anerkannten Glaubensartikeln zufolge glauben die Drusen
zunächst an einen einigen ewigen und vollkommenen Gott. Dieser schuf im
Anfang das Licht und die Finsterniß. Das Licht war die allgemeine Ver¬
nunft, seine Menschwerdung und sein Prophet Hamza Bau Ali Ben Achmed,
der Führer der Gehorchenden. Die Finsterniß war der sprechende Geist,
Ibus, d. i. der Teufel, und seine Menschwerdung und sein Prophet war
Mohammed, der Stifter des Islam. Aus dem Lichte Hamzas wurden vier
Geister, die obenerwähnten „vier Endpunkte der Einheitslehre" erzeugt, deren
größter Ismail ist. Ebenso entsprangen aus der Finsterniß Mohammeds
seine vier Gefährten Abu Bekr, Omar, Othman und Ali Ihr Adi Talch.
welcher letztere den Drusen als der vornehmste gilt und deshalb als der
Asas (Grundstein) oder auch als der Satan bezeichnet wird. So standen
vier Endpunkte der wahren Lehre vier Endpunkten der Irrlehre und der
Sprechende der allgemeinen Vernunft gegenüber, Gott aber blieb allein,
getrennt von seinen Geschöpfen. Sein Wesen mit den Sinnen des mensch¬
lichen Körpers zu erfassen ist unmöglich. Hätte er sich seinen Creaturen
nicht offenbart, so würden sie keinen Beweis für seine Existenz haben.
Zufolge seiner Gerechtigkeit aber hat er sich ihnen zu verschiedenen Zeiten
kundgegeben, wenn auch in einem Schleier der Körperlichkeit. Dieser Schleier
muß von dem edelsten seiner Geschöpfe sein, und darum erschien er ihnen
zum letzten Mal in der Gestalt Hakims. welcher ein großer König war.
„Denn wer Männer beherrscht, hat," wie die Drüsen sagen, „den Verstand
von allen, und Hakim war Herrscher über viele Tausende, hatte also anch
den Verstand vieler Tausende."

Die Welt wurde nicht in sechs Tagen oder Epochen, sondern auf einen
Ruck erschaffen. Ebenso traten die Menschen auf einmal und nicht durch Ab¬
stammung von einem Vater ins Leben. Die Zahl der menschlichen Seelen
ist von Anfang an bis jetzt die gleiche geblieben, sie vermehrt sich nicht und
nimmt nicht ab, jedesmal, wenn ein Mensch stirbt, geht seine Seele in ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/154>, abgerufen am 27.08.2024.