Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Italien einen Pius den Neunten gegeben und es durch einen wunderbaren
Aufschwung in den Stand gesetzt habe, sich selbst zu genügen (in gr-rav 61
tai's äa se). Der päpstliche General Durando zag zu Hilfe und brachte in
seinem Tagesbefehl vom 24. März aus Bologna den Segen Pius des Neun¬
ten, des "heiligen Regenerators des Vaterlandes." Die Consuln von Frank¬
reich und Amerika erkannten die Republik nu.

Die Flitterwochen der jungen Freiheit gingen bald zu Ende. Die päpst¬
lichen und neapolitanischen Bundesgenossen erwiesen sich falsch; ihre Truppen
sollten den Po nicht überschreiten und wurden bald zurückgerufen. General
Pepe gehorchte nicht, ging mit 3000 Mann nach Venedig und übernahm dort
den Oberbefehl. Leopardi. der neapolitanische Gesandte bei Carl Albert,
schrieb an Mamin: "O ewige Infamie der Bourbonen! der göttliche Zorn
kann nicht säumen sie zu vertilgen!" Freilich hatte Ferdinand von Neapel in
seiner Proklamation vom 7. April erklärt, er halte sich verpflichtet, mit allen
Streit- und Geldkräfte" seines Landes an dem Kampfe für die Unabhängig¬
keit, den Ruhm und die Freiheit Italiens sich zu betheiligen! -- Die Oestreicher
rückten in das venetianische Gebiet und bedrohten die Stadt. Alles Flehen
um Hilfe fruchtete nicht. Die Stadt legte sich die schwersten Opfer auf, um
Mittel zur Vertheidigung zu beschaffen; Carl Albert war ihre einzige Hoffnung;
die Fusion das einzige Mittel, seinen Beistand zu erlangen. Die venetiamsche
Volksvertretung stimmte am 4- Juli mit 127 gegen 6 für die Vereinigung
mit Piemont und ihr Beschluß wurde von der Regierung und den Kammern
in Turin am 27. Juli angenommen. Mittlerweile hatte'sich das Kriegsglück
gegen Carl Albert erklärt. Der Niederlage der Piemontesen folgte der Waffen¬
stillstand von Mailand (9. August), worin dieselben versprachen, Venedig zu
räumen. Ihre kurze Verwaltung in Venedig machte der Dictatur Mnnins
Platz. Erneuerte Hilferufe in Paris und London halfen so wenig wie die
früheren. Die Cabinete verstanden sich nur zu einer Vermittelung; da sie
aber nicht Willens waren, ihren Vorschlägen Nachdruck zu geben, so kümmerten
sich die Oestreicher nicht darum; die.Konferenz in Brüssel zur Regelung der
italienischen Angelegenheiten kam nicht zu Stande. Sieben Monate waren
mit den unfruchtbaren Verhandlungen hingeschleppt, da versuchte Carl Albert
(März 1849) von innen das Kriegsglück. Bei Novara geschlagen, legte er
die Krone nieder. Venedig, erschöpft durch außerordentliche Steuern, Papier¬
geld, welches die Stadt garantirte. aber Mehl gegen Entwerthung schützen
konnte, -- Gold und Silber hatten die Bewohner an den Staat abgeliefert
-- war doch nicht gebeugt, es beschloß feierlich: Widerstand um jeden Preis
(2. April 1849). Venedig wehrte sich bis zum 24. August. Beschießung.
Hungersnoth und Cholera wütheten unter den Vertheidigern; vergebens waren
alle Versuche, von England und Frankreich wenigstens eine Verwendung für


Italien einen Pius den Neunten gegeben und es durch einen wunderbaren
Aufschwung in den Stand gesetzt habe, sich selbst zu genügen (in gr-rav 61
tai's äa se). Der päpstliche General Durando zag zu Hilfe und brachte in
seinem Tagesbefehl vom 24. März aus Bologna den Segen Pius des Neun¬
ten, des „heiligen Regenerators des Vaterlandes." Die Consuln von Frank¬
reich und Amerika erkannten die Republik nu.

Die Flitterwochen der jungen Freiheit gingen bald zu Ende. Die päpst¬
lichen und neapolitanischen Bundesgenossen erwiesen sich falsch; ihre Truppen
sollten den Po nicht überschreiten und wurden bald zurückgerufen. General
Pepe gehorchte nicht, ging mit 3000 Mann nach Venedig und übernahm dort
den Oberbefehl. Leopardi. der neapolitanische Gesandte bei Carl Albert,
schrieb an Mamin: „O ewige Infamie der Bourbonen! der göttliche Zorn
kann nicht säumen sie zu vertilgen!" Freilich hatte Ferdinand von Neapel in
seiner Proklamation vom 7. April erklärt, er halte sich verpflichtet, mit allen
Streit- und Geldkräfte» seines Landes an dem Kampfe für die Unabhängig¬
keit, den Ruhm und die Freiheit Italiens sich zu betheiligen! — Die Oestreicher
rückten in das venetianische Gebiet und bedrohten die Stadt. Alles Flehen
um Hilfe fruchtete nicht. Die Stadt legte sich die schwersten Opfer auf, um
Mittel zur Vertheidigung zu beschaffen; Carl Albert war ihre einzige Hoffnung;
die Fusion das einzige Mittel, seinen Beistand zu erlangen. Die venetiamsche
Volksvertretung stimmte am 4- Juli mit 127 gegen 6 für die Vereinigung
mit Piemont und ihr Beschluß wurde von der Regierung und den Kammern
in Turin am 27. Juli angenommen. Mittlerweile hatte'sich das Kriegsglück
gegen Carl Albert erklärt. Der Niederlage der Piemontesen folgte der Waffen¬
stillstand von Mailand (9. August), worin dieselben versprachen, Venedig zu
räumen. Ihre kurze Verwaltung in Venedig machte der Dictatur Mnnins
Platz. Erneuerte Hilferufe in Paris und London halfen so wenig wie die
früheren. Die Cabinete verstanden sich nur zu einer Vermittelung; da sie
aber nicht Willens waren, ihren Vorschlägen Nachdruck zu geben, so kümmerten
sich die Oestreicher nicht darum; die.Konferenz in Brüssel zur Regelung der
italienischen Angelegenheiten kam nicht zu Stande. Sieben Monate waren
mit den unfruchtbaren Verhandlungen hingeschleppt, da versuchte Carl Albert
(März 1849) von innen das Kriegsglück. Bei Novara geschlagen, legte er
die Krone nieder. Venedig, erschöpft durch außerordentliche Steuern, Papier¬
geld, welches die Stadt garantirte. aber Mehl gegen Entwerthung schützen
konnte, — Gold und Silber hatten die Bewohner an den Staat abgeliefert
— war doch nicht gebeugt, es beschloß feierlich: Widerstand um jeden Preis
(2. April 1849). Venedig wehrte sich bis zum 24. August. Beschießung.
Hungersnoth und Cholera wütheten unter den Vertheidigern; vergebens waren
alle Versuche, von England und Frankreich wenigstens eine Verwendung für


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0014" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110908"/>
          <p xml:id="ID_8" prev="#ID_7"> Italien einen Pius den Neunten gegeben und es durch einen wunderbaren<lb/>
Aufschwung in den Stand gesetzt habe, sich selbst zu genügen (in gr-rav 61<lb/>
tai's äa se). Der päpstliche General Durando zag zu Hilfe und brachte in<lb/>
seinem Tagesbefehl vom 24. März aus Bologna den Segen Pius des Neun¬<lb/>
ten, des &#x201E;heiligen Regenerators des Vaterlandes." Die Consuln von Frank¬<lb/>
reich und Amerika erkannten die Republik nu.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_9" next="#ID_10"> Die Flitterwochen der jungen Freiheit gingen bald zu Ende. Die päpst¬<lb/>
lichen und neapolitanischen Bundesgenossen erwiesen sich falsch; ihre Truppen<lb/>
sollten den Po nicht überschreiten und wurden bald zurückgerufen. General<lb/>
Pepe gehorchte nicht, ging mit 3000 Mann nach Venedig und übernahm dort<lb/>
den Oberbefehl. Leopardi. der neapolitanische Gesandte bei Carl Albert,<lb/>
schrieb an Mamin: &#x201E;O ewige Infamie der Bourbonen! der göttliche Zorn<lb/>
kann nicht säumen sie zu vertilgen!" Freilich hatte Ferdinand von Neapel in<lb/>
seiner Proklamation vom 7. April erklärt, er halte sich verpflichtet, mit allen<lb/>
Streit- und Geldkräfte» seines Landes an dem Kampfe für die Unabhängig¬<lb/>
keit, den Ruhm und die Freiheit Italiens sich zu betheiligen! &#x2014; Die Oestreicher<lb/>
rückten in das venetianische Gebiet und bedrohten die Stadt. Alles Flehen<lb/>
um Hilfe fruchtete nicht. Die Stadt legte sich die schwersten Opfer auf, um<lb/>
Mittel zur Vertheidigung zu beschaffen; Carl Albert war ihre einzige Hoffnung;<lb/>
die Fusion das einzige Mittel, seinen Beistand zu erlangen. Die venetiamsche<lb/>
Volksvertretung stimmte am 4- Juli mit 127 gegen 6 für die Vereinigung<lb/>
mit Piemont und ihr Beschluß wurde von der Regierung und den Kammern<lb/>
in Turin am 27. Juli angenommen. Mittlerweile hatte'sich das Kriegsglück<lb/>
gegen Carl Albert erklärt. Der Niederlage der Piemontesen folgte der Waffen¬<lb/>
stillstand von Mailand (9. August), worin dieselben versprachen, Venedig zu<lb/>
räumen. Ihre kurze Verwaltung in Venedig machte der Dictatur Mnnins<lb/>
Platz. Erneuerte Hilferufe in Paris und London halfen so wenig wie die<lb/>
früheren. Die Cabinete verstanden sich nur zu einer Vermittelung; da sie<lb/>
aber nicht Willens waren, ihren Vorschlägen Nachdruck zu geben, so kümmerten<lb/>
sich die Oestreicher nicht darum; die.Konferenz in Brüssel zur Regelung der<lb/>
italienischen Angelegenheiten kam nicht zu Stande. Sieben Monate waren<lb/>
mit den unfruchtbaren Verhandlungen hingeschleppt, da versuchte Carl Albert<lb/>
(März 1849) von innen das Kriegsglück. Bei Novara geschlagen, legte er<lb/>
die Krone nieder. Venedig, erschöpft durch außerordentliche Steuern, Papier¬<lb/>
geld, welches die Stadt garantirte. aber Mehl gegen Entwerthung schützen<lb/>
konnte, &#x2014; Gold und Silber hatten die Bewohner an den Staat abgeliefert<lb/>
&#x2014; war doch nicht gebeugt, es beschloß feierlich: Widerstand um jeden Preis<lb/>
(2. April 1849). Venedig wehrte sich bis zum 24. August. Beschießung.<lb/>
Hungersnoth und Cholera wütheten unter den Vertheidigern; vergebens waren<lb/>
alle Versuche, von England und Frankreich wenigstens eine Verwendung für</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0014] Italien einen Pius den Neunten gegeben und es durch einen wunderbaren Aufschwung in den Stand gesetzt habe, sich selbst zu genügen (in gr-rav 61 tai's äa se). Der päpstliche General Durando zag zu Hilfe und brachte in seinem Tagesbefehl vom 24. März aus Bologna den Segen Pius des Neun¬ ten, des „heiligen Regenerators des Vaterlandes." Die Consuln von Frank¬ reich und Amerika erkannten die Republik nu. Die Flitterwochen der jungen Freiheit gingen bald zu Ende. Die päpst¬ lichen und neapolitanischen Bundesgenossen erwiesen sich falsch; ihre Truppen sollten den Po nicht überschreiten und wurden bald zurückgerufen. General Pepe gehorchte nicht, ging mit 3000 Mann nach Venedig und übernahm dort den Oberbefehl. Leopardi. der neapolitanische Gesandte bei Carl Albert, schrieb an Mamin: „O ewige Infamie der Bourbonen! der göttliche Zorn kann nicht säumen sie zu vertilgen!" Freilich hatte Ferdinand von Neapel in seiner Proklamation vom 7. April erklärt, er halte sich verpflichtet, mit allen Streit- und Geldkräfte» seines Landes an dem Kampfe für die Unabhängig¬ keit, den Ruhm und die Freiheit Italiens sich zu betheiligen! — Die Oestreicher rückten in das venetianische Gebiet und bedrohten die Stadt. Alles Flehen um Hilfe fruchtete nicht. Die Stadt legte sich die schwersten Opfer auf, um Mittel zur Vertheidigung zu beschaffen; Carl Albert war ihre einzige Hoffnung; die Fusion das einzige Mittel, seinen Beistand zu erlangen. Die venetiamsche Volksvertretung stimmte am 4- Juli mit 127 gegen 6 für die Vereinigung mit Piemont und ihr Beschluß wurde von der Regierung und den Kammern in Turin am 27. Juli angenommen. Mittlerweile hatte'sich das Kriegsglück gegen Carl Albert erklärt. Der Niederlage der Piemontesen folgte der Waffen¬ stillstand von Mailand (9. August), worin dieselben versprachen, Venedig zu räumen. Ihre kurze Verwaltung in Venedig machte der Dictatur Mnnins Platz. Erneuerte Hilferufe in Paris und London halfen so wenig wie die früheren. Die Cabinete verstanden sich nur zu einer Vermittelung; da sie aber nicht Willens waren, ihren Vorschlägen Nachdruck zu geben, so kümmerten sich die Oestreicher nicht darum; die.Konferenz in Brüssel zur Regelung der italienischen Angelegenheiten kam nicht zu Stande. Sieben Monate waren mit den unfruchtbaren Verhandlungen hingeschleppt, da versuchte Carl Albert (März 1849) von innen das Kriegsglück. Bei Novara geschlagen, legte er die Krone nieder. Venedig, erschöpft durch außerordentliche Steuern, Papier¬ geld, welches die Stadt garantirte. aber Mehl gegen Entwerthung schützen konnte, — Gold und Silber hatten die Bewohner an den Staat abgeliefert — war doch nicht gebeugt, es beschloß feierlich: Widerstand um jeden Preis (2. April 1849). Venedig wehrte sich bis zum 24. August. Beschießung. Hungersnoth und Cholera wütheten unter den Vertheidigern; vergebens waren alle Versuche, von England und Frankreich wenigstens eine Verwendung für

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/14
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/14>, abgerufen am 22.07.2024.