Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

geklagten sich für den Protest solidarisch verantwortlich erklärten, ein Schritt,
dessen Motive von dem Vorsitzenden ausdrücklich gewürdigt wurden, trat es
der von dem Obcrprocurator gemachten Kategorienunterscheidung bei und sprach
einen Theil der Angeklagten frei, während es einen andern unter Annahme
mildernder Umstände zu einer Geldbuße von 25 Thlrn. verurtheilte. Aber
auch bei dem Hauptbeschuldigten Dr. Perry erkannte es, nur in geringerem
Grade, mildernde Umstände an und legte ihm deshalb, abweichend von dem An¬
trage des öffentlichen Ministeriums, blos eine Geldstrafe von hundert Thalern aus.

Wir müssen Genugthuung darüber empfinden, daß dem Gesetze seine
Sühnung geworden ist, aber wir können zugleich denen, welche es aus solcher
Ursache verletzt haben, unsere Sympathie nicht versagen. Wol haben die
Bonner Engländer und ihr Führer in aufbrausender Leidenschaft gehandelt,
aber einen Theil des edlen Zornes, dessen Uebermaß sie verführt hat, möch¬
ten wir bei ähnlichen Veranlassungen uns allen wünschen.




Der Prozeß Richter.

Aus Tirol, 25. December. Wenn wir auf Zustände in Oestreich zurück¬
kommen, die nach dem Ministerprogramin Schmerlings als abgethan erscheinen
möchten, geschieht es deshalb, weil wir nicht glauben, daß eine tief ciiigefresscne
Fäulniß durch einen Zauberstab geheilt wird; um dies gründlich zu thun, muß
man die ganze schadhafte Stelle bloßlegen, die Ursache des Siechthums heben.
Wir können nicht umhin festzustellen, daß der Ausgang des Uebels nach oben,
in die der Krone zunächst stehenden Kreise zurückführt; man will betrogen
werden, darum wird man es auch. Es ist eine bequeme, eine süße Art des
Denkens, dasjenige für wahr zu halten, was wir wünschen, und nirgends wird
die Kunst, diese Täuschung zu befestigen, mit mehr Meisterschaft geübt als an
den Höfen der Könige und Herrscher; sie scheint der leichteste Weg Geld. An¬
sehen, Gunst und Einfluß zu erringen. Niemand treibt sie mit feinerem Ge¬
schick als die Jesuiten. In den Palästen, wo sie nisten, wird ihre üppigste
Blüthe, ihre glänzende Frucht nie vermißt. Heuchelei und Lüge ist ihr Ge¬
werbe, Frömmigkeit der bergende Mantel. Ihre Moral findet eine Sünde
probabler als die andere, Ehrenhaftigkeit kennt sie nicht, sie fordert nur blinden
Gehorsam. Knechtsinn heißt ihre höchste Tugend. So werden denn jene ge¬
schmeidigen, feilen Seelen herangebildet, die man in absoluten Staaten
nie entbehren kann. Wie weit es damit in Oestreich gekommen, zeigt der


geklagten sich für den Protest solidarisch verantwortlich erklärten, ein Schritt,
dessen Motive von dem Vorsitzenden ausdrücklich gewürdigt wurden, trat es
der von dem Obcrprocurator gemachten Kategorienunterscheidung bei und sprach
einen Theil der Angeklagten frei, während es einen andern unter Annahme
mildernder Umstände zu einer Geldbuße von 25 Thlrn. verurtheilte. Aber
auch bei dem Hauptbeschuldigten Dr. Perry erkannte es, nur in geringerem
Grade, mildernde Umstände an und legte ihm deshalb, abweichend von dem An¬
trage des öffentlichen Ministeriums, blos eine Geldstrafe von hundert Thalern aus.

Wir müssen Genugthuung darüber empfinden, daß dem Gesetze seine
Sühnung geworden ist, aber wir können zugleich denen, welche es aus solcher
Ursache verletzt haben, unsere Sympathie nicht versagen. Wol haben die
Bonner Engländer und ihr Führer in aufbrausender Leidenschaft gehandelt,
aber einen Theil des edlen Zornes, dessen Uebermaß sie verführt hat, möch¬
ten wir bei ähnlichen Veranlassungen uns allen wünschen.




Der Prozeß Richter.

Aus Tirol, 25. December. Wenn wir auf Zustände in Oestreich zurück¬
kommen, die nach dem Ministerprogramin Schmerlings als abgethan erscheinen
möchten, geschieht es deshalb, weil wir nicht glauben, daß eine tief ciiigefresscne
Fäulniß durch einen Zauberstab geheilt wird; um dies gründlich zu thun, muß
man die ganze schadhafte Stelle bloßlegen, die Ursache des Siechthums heben.
Wir können nicht umhin festzustellen, daß der Ausgang des Uebels nach oben,
in die der Krone zunächst stehenden Kreise zurückführt; man will betrogen
werden, darum wird man es auch. Es ist eine bequeme, eine süße Art des
Denkens, dasjenige für wahr zu halten, was wir wünschen, und nirgends wird
die Kunst, diese Täuschung zu befestigen, mit mehr Meisterschaft geübt als an
den Höfen der Könige und Herrscher; sie scheint der leichteste Weg Geld. An¬
sehen, Gunst und Einfluß zu erringen. Niemand treibt sie mit feinerem Ge¬
schick als die Jesuiten. In den Palästen, wo sie nisten, wird ihre üppigste
Blüthe, ihre glänzende Frucht nie vermißt. Heuchelei und Lüge ist ihr Ge¬
werbe, Frömmigkeit der bergende Mantel. Ihre Moral findet eine Sünde
probabler als die andere, Ehrenhaftigkeit kennt sie nicht, sie fordert nur blinden
Gehorsam. Knechtsinn heißt ihre höchste Tugend. So werden denn jene ge¬
schmeidigen, feilen Seelen herangebildet, die man in absoluten Staaten
nie entbehren kann. Wie weit es damit in Oestreich gekommen, zeigt der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0118" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111012"/>
          <p xml:id="ID_339" prev="#ID_338"> geklagten sich für den Protest solidarisch verantwortlich erklärten, ein Schritt,<lb/>
dessen Motive von dem Vorsitzenden ausdrücklich gewürdigt wurden, trat es<lb/>
der von dem Obcrprocurator gemachten Kategorienunterscheidung bei und sprach<lb/>
einen Theil der Angeklagten frei, während es einen andern unter Annahme<lb/>
mildernder Umstände zu einer Geldbuße von 25 Thlrn. verurtheilte. Aber<lb/>
auch bei dem Hauptbeschuldigten Dr. Perry erkannte es, nur in geringerem<lb/>
Grade, mildernde Umstände an und legte ihm deshalb, abweichend von dem An¬<lb/>
trage des öffentlichen Ministeriums, blos eine Geldstrafe von hundert Thalern aus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_340"> Wir müssen Genugthuung darüber empfinden, daß dem Gesetze seine<lb/>
Sühnung geworden ist, aber wir können zugleich denen, welche es aus solcher<lb/>
Ursache verletzt haben, unsere Sympathie nicht versagen. Wol haben die<lb/>
Bonner Engländer und ihr Führer in aufbrausender Leidenschaft gehandelt,<lb/>
aber einen Theil des edlen Zornes, dessen Uebermaß sie verführt hat, möch¬<lb/>
ten wir bei ähnlichen Veranlassungen uns allen wünschen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der Prozeß Richter.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_341" next="#ID_342"> Aus Tirol, 25. December.  Wenn wir auf Zustände in Oestreich zurück¬<lb/>
kommen, die nach dem Ministerprogramin Schmerlings als abgethan erscheinen<lb/>
möchten, geschieht es deshalb, weil wir nicht glauben, daß eine tief ciiigefresscne<lb/>
Fäulniß durch einen Zauberstab geheilt wird; um dies gründlich zu thun, muß<lb/>
man die ganze schadhafte Stelle bloßlegen, die Ursache des Siechthums heben.<lb/>
Wir können nicht umhin festzustellen, daß der Ausgang des Uebels nach oben,<lb/>
in die der Krone zunächst stehenden Kreise zurückführt; man will betrogen<lb/>
werden, darum wird man es auch.  Es ist eine bequeme, eine süße Art des<lb/>
Denkens, dasjenige für wahr zu halten, was wir wünschen, und nirgends wird<lb/>
die Kunst, diese Täuschung zu befestigen, mit mehr Meisterschaft geübt als an<lb/>
den Höfen der Könige und Herrscher; sie scheint der leichteste Weg Geld. An¬<lb/>
sehen, Gunst und Einfluß zu erringen.  Niemand treibt sie mit feinerem Ge¬<lb/>
schick als die Jesuiten.  In den Palästen, wo sie nisten, wird ihre üppigste<lb/>
Blüthe, ihre glänzende Frucht nie vermißt.  Heuchelei und Lüge ist ihr Ge¬<lb/>
werbe, Frömmigkeit der bergende Mantel.  Ihre Moral findet eine Sünde<lb/>
probabler als die andere, Ehrenhaftigkeit kennt sie nicht, sie fordert nur blinden<lb/>
Gehorsam. Knechtsinn heißt ihre höchste Tugend.  So werden denn jene ge¬<lb/>
schmeidigen, feilen Seelen herangebildet, die man in absoluten Staaten<lb/>
nie entbehren kann.  Wie weit es damit in Oestreich gekommen, zeigt der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0118] geklagten sich für den Protest solidarisch verantwortlich erklärten, ein Schritt, dessen Motive von dem Vorsitzenden ausdrücklich gewürdigt wurden, trat es der von dem Obcrprocurator gemachten Kategorienunterscheidung bei und sprach einen Theil der Angeklagten frei, während es einen andern unter Annahme mildernder Umstände zu einer Geldbuße von 25 Thlrn. verurtheilte. Aber auch bei dem Hauptbeschuldigten Dr. Perry erkannte es, nur in geringerem Grade, mildernde Umstände an und legte ihm deshalb, abweichend von dem An¬ trage des öffentlichen Ministeriums, blos eine Geldstrafe von hundert Thalern aus. Wir müssen Genugthuung darüber empfinden, daß dem Gesetze seine Sühnung geworden ist, aber wir können zugleich denen, welche es aus solcher Ursache verletzt haben, unsere Sympathie nicht versagen. Wol haben die Bonner Engländer und ihr Führer in aufbrausender Leidenschaft gehandelt, aber einen Theil des edlen Zornes, dessen Uebermaß sie verführt hat, möch¬ ten wir bei ähnlichen Veranlassungen uns allen wünschen. Der Prozeß Richter. Aus Tirol, 25. December. Wenn wir auf Zustände in Oestreich zurück¬ kommen, die nach dem Ministerprogramin Schmerlings als abgethan erscheinen möchten, geschieht es deshalb, weil wir nicht glauben, daß eine tief ciiigefresscne Fäulniß durch einen Zauberstab geheilt wird; um dies gründlich zu thun, muß man die ganze schadhafte Stelle bloßlegen, die Ursache des Siechthums heben. Wir können nicht umhin festzustellen, daß der Ausgang des Uebels nach oben, in die der Krone zunächst stehenden Kreise zurückführt; man will betrogen werden, darum wird man es auch. Es ist eine bequeme, eine süße Art des Denkens, dasjenige für wahr zu halten, was wir wünschen, und nirgends wird die Kunst, diese Täuschung zu befestigen, mit mehr Meisterschaft geübt als an den Höfen der Könige und Herrscher; sie scheint der leichteste Weg Geld. An¬ sehen, Gunst und Einfluß zu erringen. Niemand treibt sie mit feinerem Ge¬ schick als die Jesuiten. In den Palästen, wo sie nisten, wird ihre üppigste Blüthe, ihre glänzende Frucht nie vermißt. Heuchelei und Lüge ist ihr Ge¬ werbe, Frömmigkeit der bergende Mantel. Ihre Moral findet eine Sünde probabler als die andere, Ehrenhaftigkeit kennt sie nicht, sie fordert nur blinden Gehorsam. Knechtsinn heißt ihre höchste Tugend. So werden denn jene ge¬ schmeidigen, feilen Seelen herangebildet, die man in absoluten Staaten nie entbehren kann. Wie weit es damit in Oestreich gekommen, zeigt der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/118
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/118>, abgerufen am 25.08.2024.