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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Prozeß Richter wieder einmal recht augenfällig, darum haben wir ihn zum Vor¬
wurf genommen. Das fraiicisceifche "^ustitm regnorum kuväa.rri6nom" ge¬
hörte einer anderen Zeit an, unsre letzte zählte auch die Justiz zu den Dingen,
die faul waren im Staate Dünemark.

Die Schlacht von Solferino war verloren. Die Ursache davon zeichnete
die Geschichte auf. Für uns genügt, daß die nächste Umgebung des Kaisers es
nicht wahr lassen wollte, daß die schlechte Führung des Heeres die Schuld
davon trage ; man wünschte vielmehr andere Gründe mit einer Art von Eclat
der Welt aufzudringen, nach manchen mißlungenen Versuchen dachte man den
annehmbarsten am Schoße zu halten. Die mangelhafte Verpflegung der Armee
wurde trotz der aufgehäuften Schichten verdorbenen Zwiebacks durch verwirrende
Marschbefehle gerechtfertigt, doch schon der wahrheitsliebende Feind, der
Franzosenkaiser hatte in Villafranca Winke anderer Art gegeben. Das ent¬
lastete Gewissen eines Sterbenden, des Hofraths v. Noe. und die ^Stimme
des Volkes zogen einen Mann in Verdacht, der bisher das unbedingte Ver¬
trauen des Kaisers genoß. Es war der F. M. L. Freiherr v. Evnatten.
Die bekannte Verschwendung seiner Frau, deren Schulden ihn mit Hermann
Jung in Berührung brachten, die Pfänder in den Leihhäusern zu Salzburg
Und Venedig, die Makel einer früheren Untersuchung, eine plötzliche Urlaubs¬
leise nach Paris, vom Generalauditcur v. Kommers insgeheim gesammelte
Belege drängten zur Vermuthung von Unterschleifcn. 'Trotz eines vom genann¬
ten Generalauditcur vorgelegten Berichtes und Antrages auf Verhaftung zö¬
gerte man damit doch in Ansehung der bevorzugten Stellung des Generals,
was der Staatsanwalt dadurch entschuldigte, daß "die Verläumdung oft die¬
selben Wege wie die Wahrheit macht". Eynattcn war ja durch das Vertrauen
des Kaisers in einer Weise ausgezeichnet, daß ein Handbillet vom 22. April 1859
'du ermächtigte: "bei Sicherstellung der Armeebedürfnisse von den für ge¬
wöhnliche Zeiten vorgeschriebenen Wegen abzugehen." Als ihn seine Gattin,
durch ein Gerückt von seiner Absetzung aufgescheut, durch den Telegraphen von
Paris zurückrief, trieb ihn der Uebermuth. sich selbst von dem Kaiser eine ad¬
ministrative Prüfung seiner Amtshandlung zu erbitten. Die nun endlich ein¬
geleitete Untersuchung führte zur Entdeckung, daß für ihn vom 1. October bis
zum 4. December v. I. 25 Stück Nordbahnactien. 22.000 Fi. C. M. in
Metalliques und 12,000 Fi. ungarische Grundentlastungsobligationen bei der
Creditanstalt hinterlegt waren. Man forschte nach dem Rechtstitel dieses Be¬
sitzes. Seine Frau, die ihr ganzes Erbe durchgebracht, wollte die Papiere
als ihr gehörig ansprechen, und Franz Richter, der Director der Creditanstalt,
Kab an. für sie die 25 Stück Nordbahnactien gekauft und die volle Bezahlung
dafür erhalten zu haben. Bei einer spätern Vernehmung änderte jedoch Richter
seine Aus sage betreffs der erhaltenen Summe und zog dadurch den Verdacht schuld-


Prozeß Richter wieder einmal recht augenfällig, darum haben wir ihn zum Vor¬
wurf genommen. Das fraiicisceifche „^ustitm regnorum kuväa.rri6nom" ge¬
hörte einer anderen Zeit an, unsre letzte zählte auch die Justiz zu den Dingen,
die faul waren im Staate Dünemark.

Die Schlacht von Solferino war verloren. Die Ursache davon zeichnete
die Geschichte auf. Für uns genügt, daß die nächste Umgebung des Kaisers es
nicht wahr lassen wollte, daß die schlechte Führung des Heeres die Schuld
davon trage ; man wünschte vielmehr andere Gründe mit einer Art von Eclat
der Welt aufzudringen, nach manchen mißlungenen Versuchen dachte man den
annehmbarsten am Schoße zu halten. Die mangelhafte Verpflegung der Armee
wurde trotz der aufgehäuften Schichten verdorbenen Zwiebacks durch verwirrende
Marschbefehle gerechtfertigt, doch schon der wahrheitsliebende Feind, der
Franzosenkaiser hatte in Villafranca Winke anderer Art gegeben. Das ent¬
lastete Gewissen eines Sterbenden, des Hofraths v. Noe. und die ^Stimme
des Volkes zogen einen Mann in Verdacht, der bisher das unbedingte Ver¬
trauen des Kaisers genoß. Es war der F. M. L. Freiherr v. Evnatten.
Die bekannte Verschwendung seiner Frau, deren Schulden ihn mit Hermann
Jung in Berührung brachten, die Pfänder in den Leihhäusern zu Salzburg
Und Venedig, die Makel einer früheren Untersuchung, eine plötzliche Urlaubs¬
leise nach Paris, vom Generalauditcur v. Kommers insgeheim gesammelte
Belege drängten zur Vermuthung von Unterschleifcn. 'Trotz eines vom genann¬
ten Generalauditcur vorgelegten Berichtes und Antrages auf Verhaftung zö¬
gerte man damit doch in Ansehung der bevorzugten Stellung des Generals,
was der Staatsanwalt dadurch entschuldigte, daß „die Verläumdung oft die¬
selben Wege wie die Wahrheit macht". Eynattcn war ja durch das Vertrauen
des Kaisers in einer Weise ausgezeichnet, daß ein Handbillet vom 22. April 1859
'du ermächtigte: „bei Sicherstellung der Armeebedürfnisse von den für ge¬
wöhnliche Zeiten vorgeschriebenen Wegen abzugehen." Als ihn seine Gattin,
durch ein Gerückt von seiner Absetzung aufgescheut, durch den Telegraphen von
Paris zurückrief, trieb ihn der Uebermuth. sich selbst von dem Kaiser eine ad¬
ministrative Prüfung seiner Amtshandlung zu erbitten. Die nun endlich ein¬
geleitete Untersuchung führte zur Entdeckung, daß für ihn vom 1. October bis
zum 4. December v. I. 25 Stück Nordbahnactien. 22.000 Fi. C. M. in
Metalliques und 12,000 Fi. ungarische Grundentlastungsobligationen bei der
Creditanstalt hinterlegt waren. Man forschte nach dem Rechtstitel dieses Be¬
sitzes. Seine Frau, die ihr ganzes Erbe durchgebracht, wollte die Papiere
als ihr gehörig ansprechen, und Franz Richter, der Director der Creditanstalt,
Kab an. für sie die 25 Stück Nordbahnactien gekauft und die volle Bezahlung
dafür erhalten zu haben. Bei einer spätern Vernehmung änderte jedoch Richter
seine Aus sage betreffs der erhaltenen Summe und zog dadurch den Verdacht schuld-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/119>, abgerufen am 25.08.2024.