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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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machte einen starrn Unterschied zwischen dem Verfasser des Protestes. Dr. Perry
und den Mitunterzeichnern, von denen er für einige, welche die Bestimmung
zur Veröffentlichung nicht gekannt hatten. Freisprechung, für die übrigen
eine geringe Geldstrafe beantragte. Dagegen lautete sein Antrag gegen
Dr. Perry, den er für das Geschehene moralisch verantwortlich machte, auf vier¬
zehn Tage Gefängniß. Dieser hatte nicht allein den Protest verfaßt, wie er
denn von jeher als das Organ der Bonner Engländer anerkannt worden war.
sondern seine Landsleute schenkten ihm auch deshalb leicht ihr Vertrauen, weil
er. seit langen Jahren in Deutschland lebend, mit den Einrichtungen dieses
Landes bekannt sein mußte. Hierin äußerte sich ohne Zweifel eine sehr rich¬
tige Grundanschauung. Auf eigne Gefahr mag man auch einmal ein leicht¬
sinnig hingesetztes Wort in die Welt senden, aber wer ein von Andern zu
unterzeichnendes Schriftstück verfaßt, sollte unter allen Umständen die Conflicte
berechnen, in welche er diese dadurch bringen kann, und die Thatsache, auf
welche er sich beruft, auf das Genaueste prüfen. In diesen beiden Hinsichten
aber trug der Bonner Protest, bei dem der Gedanke an schnelle Veröffentlichung
jeden andern überwogen hatte, das Gepräge der Uebereilung, Auch wurde
gegen Dr. Perry noch besonders geltend gemacht, daß er das deutsche Wort
"Lümmel" in der englischen Uebersetzung durch ein viel beschimpfendcrcs (dlaek-
lZuarZ) wiedergegeben und dadurch die Aufregung unnöthig gesteigert habe,
worauf indessen wol kaum so viel ankommt, da sich die Bedeutung der Schimpf¬
wörter in verschiedenen Sprachen leicht mannigfach modificirt und abschleift.

In einem Punkte wünschten wir indessen das Verfahren des Hrn. v. Ammon
anders als es gewesen zu sein scheint. Aus einer Erklärung des Dr. Perry in
der Bonner Zeitung vom 23. December müssen wir schließen, daß ihm der¬
selbe die Urheberschaft mancher Gehässigkeiten in englischen Blättern zur Last
gelegt hat. wogegen sich Dr. Perry auf das Bestimmteste verwahrt. Bei der in
Deutschland herrschenden Stimmung war dies eine keineswegs leichte Beschul¬
digung, wenn auch die vorausgesetzte Handlung nicht dem Strafrechte unter¬
lag; ein öffentlicher Ankläger aber sollte niemals zum Nachtheile des Angeklag¬
ten Thatsachen geltend machen, die blos auf Gerüchten beruhen. Auch deshalb
wäre es zu vermeiden gewesen, weil das gerichtliche Vorgehen auf diese Weise
gewissermaßen als ein Act in dem internationalen Parteikämpfe, als eine Rache
an der englischen Presse erscheinen konnte; je ausschließlicher dagegen die Auf-
rechthaltung des Gesetzes in das Auge gefaßt wurde, desto vollständiger war
die Würde der Justiz gewahrt. Grade der Schein, als ob die geschützte
Stellung eines Staatsanwaltes zu irgend etwas mehr benutzt werden könnte,
hatte ja von Anfang an auf die Engländer einen uns so wenig günstigen
Eindruck gemacht.

Das Gericht fällte seinen Spruch am 24. December. Obgleich alle An-


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machte einen starrn Unterschied zwischen dem Verfasser des Protestes. Dr. Perry
und den Mitunterzeichnern, von denen er für einige, welche die Bestimmung
zur Veröffentlichung nicht gekannt hatten. Freisprechung, für die übrigen
eine geringe Geldstrafe beantragte. Dagegen lautete sein Antrag gegen
Dr. Perry, den er für das Geschehene moralisch verantwortlich machte, auf vier¬
zehn Tage Gefängniß. Dieser hatte nicht allein den Protest verfaßt, wie er
denn von jeher als das Organ der Bonner Engländer anerkannt worden war.
sondern seine Landsleute schenkten ihm auch deshalb leicht ihr Vertrauen, weil
er. seit langen Jahren in Deutschland lebend, mit den Einrichtungen dieses
Landes bekannt sein mußte. Hierin äußerte sich ohne Zweifel eine sehr rich¬
tige Grundanschauung. Auf eigne Gefahr mag man auch einmal ein leicht¬
sinnig hingesetztes Wort in die Welt senden, aber wer ein von Andern zu
unterzeichnendes Schriftstück verfaßt, sollte unter allen Umständen die Conflicte
berechnen, in welche er diese dadurch bringen kann, und die Thatsache, auf
welche er sich beruft, auf das Genaueste prüfen. In diesen beiden Hinsichten
aber trug der Bonner Protest, bei dem der Gedanke an schnelle Veröffentlichung
jeden andern überwogen hatte, das Gepräge der Uebereilung, Auch wurde
gegen Dr. Perry noch besonders geltend gemacht, daß er das deutsche Wort
»Lümmel" in der englischen Uebersetzung durch ein viel beschimpfendcrcs (dlaek-
lZuarZ) wiedergegeben und dadurch die Aufregung unnöthig gesteigert habe,
worauf indessen wol kaum so viel ankommt, da sich die Bedeutung der Schimpf¬
wörter in verschiedenen Sprachen leicht mannigfach modificirt und abschleift.

In einem Punkte wünschten wir indessen das Verfahren des Hrn. v. Ammon
anders als es gewesen zu sein scheint. Aus einer Erklärung des Dr. Perry in
der Bonner Zeitung vom 23. December müssen wir schließen, daß ihm der¬
selbe die Urheberschaft mancher Gehässigkeiten in englischen Blättern zur Last
gelegt hat. wogegen sich Dr. Perry auf das Bestimmteste verwahrt. Bei der in
Deutschland herrschenden Stimmung war dies eine keineswegs leichte Beschul¬
digung, wenn auch die vorausgesetzte Handlung nicht dem Strafrechte unter¬
lag; ein öffentlicher Ankläger aber sollte niemals zum Nachtheile des Angeklag¬
ten Thatsachen geltend machen, die blos auf Gerüchten beruhen. Auch deshalb
wäre es zu vermeiden gewesen, weil das gerichtliche Vorgehen auf diese Weise
gewissermaßen als ein Act in dem internationalen Parteikämpfe, als eine Rache
an der englischen Presse erscheinen konnte; je ausschließlicher dagegen die Auf-
rechthaltung des Gesetzes in das Auge gefaßt wurde, desto vollständiger war
die Würde der Justiz gewahrt. Grade der Schein, als ob die geschützte
Stellung eines Staatsanwaltes zu irgend etwas mehr benutzt werden könnte,
hatte ja von Anfang an auf die Engländer einen uns so wenig günstigen
Eindruck gemacht.

Das Gericht fällte seinen Spruch am 24. December. Obgleich alle An-


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[0117] machte einen starrn Unterschied zwischen dem Verfasser des Protestes. Dr. Perry und den Mitunterzeichnern, von denen er für einige, welche die Bestimmung zur Veröffentlichung nicht gekannt hatten. Freisprechung, für die übrigen eine geringe Geldstrafe beantragte. Dagegen lautete sein Antrag gegen Dr. Perry, den er für das Geschehene moralisch verantwortlich machte, auf vier¬ zehn Tage Gefängniß. Dieser hatte nicht allein den Protest verfaßt, wie er denn von jeher als das Organ der Bonner Engländer anerkannt worden war. sondern seine Landsleute schenkten ihm auch deshalb leicht ihr Vertrauen, weil er. seit langen Jahren in Deutschland lebend, mit den Einrichtungen dieses Landes bekannt sein mußte. Hierin äußerte sich ohne Zweifel eine sehr rich¬ tige Grundanschauung. Auf eigne Gefahr mag man auch einmal ein leicht¬ sinnig hingesetztes Wort in die Welt senden, aber wer ein von Andern zu unterzeichnendes Schriftstück verfaßt, sollte unter allen Umständen die Conflicte berechnen, in welche er diese dadurch bringen kann, und die Thatsache, auf welche er sich beruft, auf das Genaueste prüfen. In diesen beiden Hinsichten aber trug der Bonner Protest, bei dem der Gedanke an schnelle Veröffentlichung jeden andern überwogen hatte, das Gepräge der Uebereilung, Auch wurde gegen Dr. Perry noch besonders geltend gemacht, daß er das deutsche Wort »Lümmel" in der englischen Uebersetzung durch ein viel beschimpfendcrcs (dlaek- lZuarZ) wiedergegeben und dadurch die Aufregung unnöthig gesteigert habe, worauf indessen wol kaum so viel ankommt, da sich die Bedeutung der Schimpf¬ wörter in verschiedenen Sprachen leicht mannigfach modificirt und abschleift. In einem Punkte wünschten wir indessen das Verfahren des Hrn. v. Ammon anders als es gewesen zu sein scheint. Aus einer Erklärung des Dr. Perry in der Bonner Zeitung vom 23. December müssen wir schließen, daß ihm der¬ selbe die Urheberschaft mancher Gehässigkeiten in englischen Blättern zur Last gelegt hat. wogegen sich Dr. Perry auf das Bestimmteste verwahrt. Bei der in Deutschland herrschenden Stimmung war dies eine keineswegs leichte Beschul¬ digung, wenn auch die vorausgesetzte Handlung nicht dem Strafrechte unter¬ lag; ein öffentlicher Ankläger aber sollte niemals zum Nachtheile des Angeklag¬ ten Thatsachen geltend machen, die blos auf Gerüchten beruhen. Auch deshalb wäre es zu vermeiden gewesen, weil das gerichtliche Vorgehen auf diese Weise gewissermaßen als ein Act in dem internationalen Parteikämpfe, als eine Rache an der englischen Presse erscheinen konnte; je ausschließlicher dagegen die Auf- rechthaltung des Gesetzes in das Auge gefaßt wurde, desto vollständiger war die Würde der Justiz gewahrt. Grade der Schein, als ob die geschützte Stellung eines Staatsanwaltes zu irgend etwas mehr benutzt werden könnte, hatte ja von Anfang an auf die Engländer einen uns so wenig günstigen Eindruck gemacht. Das Gericht fällte seinen Spruch am 24. December. Obgleich alle An- 14*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/117>, abgerufen am 25.08.2024.