Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

tiges Essen und Trinken hinauslaufen. Die materiellen Genüsse sind das
Wichtigste, ein voller Bauch die Hauptsache. Wird doch selbst der Weihnachts¬
abend im Kreise dieser Bauern nur durch einen mächtigen Schmaus gefeiert
und darum vorzugsweise der "Vullbuksabend" genannt.

Die Dorffeste, welche sich an bestimmte Zeiten knüpften, sind meist der
bemutternden Fürsorge einer löblichen Polizei erlegen, die sie für nicht an¬
ständig genug hielt. So die Wettrennen am Pfingstfest und der Gebrauch
der Hirten bei Parchim, nach welchem dieselben mit Peitschengeknall von
Haus zu Haus zogen, um Gaben einzusammeln. So auch die Feier des
Johannistags, wo die jungen Leute des Abends "Wiemen" (Strohwische) an
lange Stangen befestigten, sie anzündeten und ans dem Felde damit im Kreise
umhersprangen. Im Ratzeburgischen findet um Pfingsten noch das "Kranz-
Mten" statt. Die junge" Burschen reiten in langer Reihe hintereinander her und
stechen nach eisernen Ringen; wer die meisten sticht, ist Konig des nun folgen¬
de" Tanzfestes. Interessanter ist das Erntefest, das Erntebier oder "Austtösi"
genannt wird. Der Tag dazu wird in einer allgemeinen Bauemvcrsammluug
>>n Schützenhaus bestimmt. Das Fest selbst geht bei den Hofbesitzern der
Reih? "ach um. Am Morgen des Tages versammeln sich die jungen Leute
""d flachem zunächst eine große Krone aus Kornähre" und Fichtenzweigen. die
mit Schnuren von Hagebutten, mit seidnen Bändern und Rauschgold geschmückt
wird. In die Mitte derselben setzt man einen aus Holz oder Tragant verfertigten
Hab", das Symbol der Fruchtbarkeit, das früher auch die Brautkrone zierte.
>)>t die Krone fertig, so bringt sie der Großknecht des Festhauses, dem im
westlichen Mecklenburg ein langer Zug von Burschen und Mädchen folgt,
durch das Dorf in das Fesilocal, die Diele des Gehöfts, wo sie an einem
^alte" befestigt wird. Nachmittags wird hier getanzt und den bereit gchal-
ume" Bier- und Branntweintonuen fleißig zugesprochen. Der Wirth hat nur
l>U' reichliches Getränk zu sorgen, doch findet sich selten einer, der nicht zu¬
gleich ein Butteibrot sür die Knechte und Tagelöhner und einen Schweine¬
braten sür die Bauern hätte.

(Schluß im nächsten Heft.)




13*

tiges Essen und Trinken hinauslaufen. Die materiellen Genüsse sind das
Wichtigste, ein voller Bauch die Hauptsache. Wird doch selbst der Weihnachts¬
abend im Kreise dieser Bauern nur durch einen mächtigen Schmaus gefeiert
und darum vorzugsweise der „Vullbuksabend" genannt.

Die Dorffeste, welche sich an bestimmte Zeiten knüpften, sind meist der
bemutternden Fürsorge einer löblichen Polizei erlegen, die sie für nicht an¬
ständig genug hielt. So die Wettrennen am Pfingstfest und der Gebrauch
der Hirten bei Parchim, nach welchem dieselben mit Peitschengeknall von
Haus zu Haus zogen, um Gaben einzusammeln. So auch die Feier des
Johannistags, wo die jungen Leute des Abends „Wiemen" (Strohwische) an
lange Stangen befestigten, sie anzündeten und ans dem Felde damit im Kreise
umhersprangen. Im Ratzeburgischen findet um Pfingsten noch das „Kranz-
Mten" statt. Die junge» Burschen reiten in langer Reihe hintereinander her und
stechen nach eisernen Ringen; wer die meisten sticht, ist Konig des nun folgen¬
de» Tanzfestes. Interessanter ist das Erntefest, das Erntebier oder „Austtösi"
genannt wird. Der Tag dazu wird in einer allgemeinen Bauemvcrsammluug
>>n Schützenhaus bestimmt. Das Fest selbst geht bei den Hofbesitzern der
Reih? »ach um. Am Morgen des Tages versammeln sich die jungen Leute
»»d flachem zunächst eine große Krone aus Kornähre« und Fichtenzweigen. die
mit Schnuren von Hagebutten, mit seidnen Bändern und Rauschgold geschmückt
wird. In die Mitte derselben setzt man einen aus Holz oder Tragant verfertigten
Hab», das Symbol der Fruchtbarkeit, das früher auch die Brautkrone zierte.
>)>t die Krone fertig, so bringt sie der Großknecht des Festhauses, dem im
westlichen Mecklenburg ein langer Zug von Burschen und Mädchen folgt,
durch das Dorf in das Fesilocal, die Diele des Gehöfts, wo sie an einem
^alte» befestigt wird. Nachmittags wird hier getanzt und den bereit gchal-
ume» Bier- und Branntweintonuen fleißig zugesprochen. Der Wirth hat nur
l>U' reichliches Getränk zu sorgen, doch findet sich selten einer, der nicht zu¬
gleich ein Butteibrot sür die Knechte und Tagelöhner und einen Schweine¬
braten sür die Bauern hätte.

(Schluß im nächsten Heft.)




13*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0109" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111003"/>
          <p xml:id="ID_314" prev="#ID_313"> tiges Essen und Trinken hinauslaufen. Die materiellen Genüsse sind das<lb/>
Wichtigste, ein voller Bauch die Hauptsache. Wird doch selbst der Weihnachts¬<lb/>
abend im Kreise dieser Bauern nur durch einen mächtigen Schmaus gefeiert<lb/>
und darum vorzugsweise der &#x201E;Vullbuksabend" genannt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_315"> Die Dorffeste, welche sich an bestimmte Zeiten knüpften, sind meist der<lb/>
bemutternden Fürsorge einer löblichen Polizei erlegen, die sie für nicht an¬<lb/>
ständig genug hielt. So die Wettrennen am Pfingstfest und der Gebrauch<lb/>
der Hirten bei Parchim, nach welchem dieselben mit Peitschengeknall von<lb/>
Haus zu Haus zogen, um Gaben einzusammeln. So auch die Feier des<lb/>
Johannistags, wo die jungen Leute des Abends &#x201E;Wiemen" (Strohwische) an<lb/>
lange Stangen befestigten, sie anzündeten und ans dem Felde damit im Kreise<lb/>
umhersprangen. Im Ratzeburgischen findet um Pfingsten noch das &#x201E;Kranz-<lb/>
Mten" statt. Die junge» Burschen reiten in langer Reihe hintereinander her und<lb/>
stechen nach eisernen Ringen; wer die meisten sticht, ist Konig des nun folgen¬<lb/>
de» Tanzfestes. Interessanter ist das Erntefest, das Erntebier oder &#x201E;Austtösi"<lb/>
genannt wird. Der Tag dazu wird in einer allgemeinen Bauemvcrsammluug<lb/>
&gt;&gt;n Schützenhaus bestimmt. Das Fest selbst geht bei den Hofbesitzern der<lb/>
Reih? »ach um. Am Morgen des Tages versammeln sich die jungen Leute<lb/>
»»d flachem zunächst eine große Krone aus Kornähre« und Fichtenzweigen. die<lb/>
mit Schnuren von Hagebutten, mit seidnen Bändern und Rauschgold geschmückt<lb/>
wird. In die Mitte derselben setzt man einen aus Holz oder Tragant verfertigten<lb/>
Hab», das Symbol der Fruchtbarkeit, das früher auch die Brautkrone zierte.<lb/>
&gt;)&gt;t die Krone fertig, so bringt sie der Großknecht des Festhauses, dem im<lb/>
westlichen Mecklenburg ein langer Zug von Burschen und Mädchen folgt,<lb/>
durch das Dorf in das Fesilocal, die Diele des Gehöfts, wo sie an einem<lb/>
^alte» befestigt wird. Nachmittags wird hier getanzt und den bereit gchal-<lb/>
ume» Bier- und Branntweintonuen fleißig zugesprochen. Der Wirth hat nur<lb/>
l&gt;U' reichliches Getränk zu sorgen, doch findet sich selten einer, der nicht zu¬<lb/>
gleich ein Butteibrot sür die Knechte und Tagelöhner und einen Schweine¬<lb/>
braten sür die Bauern hätte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_316"> (Schluß im nächsten Heft.)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 13*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0109] tiges Essen und Trinken hinauslaufen. Die materiellen Genüsse sind das Wichtigste, ein voller Bauch die Hauptsache. Wird doch selbst der Weihnachts¬ abend im Kreise dieser Bauern nur durch einen mächtigen Schmaus gefeiert und darum vorzugsweise der „Vullbuksabend" genannt. Die Dorffeste, welche sich an bestimmte Zeiten knüpften, sind meist der bemutternden Fürsorge einer löblichen Polizei erlegen, die sie für nicht an¬ ständig genug hielt. So die Wettrennen am Pfingstfest und der Gebrauch der Hirten bei Parchim, nach welchem dieselben mit Peitschengeknall von Haus zu Haus zogen, um Gaben einzusammeln. So auch die Feier des Johannistags, wo die jungen Leute des Abends „Wiemen" (Strohwische) an lange Stangen befestigten, sie anzündeten und ans dem Felde damit im Kreise umhersprangen. Im Ratzeburgischen findet um Pfingsten noch das „Kranz- Mten" statt. Die junge» Burschen reiten in langer Reihe hintereinander her und stechen nach eisernen Ringen; wer die meisten sticht, ist Konig des nun folgen¬ de» Tanzfestes. Interessanter ist das Erntefest, das Erntebier oder „Austtösi" genannt wird. Der Tag dazu wird in einer allgemeinen Bauemvcrsammluug >>n Schützenhaus bestimmt. Das Fest selbst geht bei den Hofbesitzern der Reih? »ach um. Am Morgen des Tages versammeln sich die jungen Leute »»d flachem zunächst eine große Krone aus Kornähre« und Fichtenzweigen. die mit Schnuren von Hagebutten, mit seidnen Bändern und Rauschgold geschmückt wird. In die Mitte derselben setzt man einen aus Holz oder Tragant verfertigten Hab», das Symbol der Fruchtbarkeit, das früher auch die Brautkrone zierte. >)>t die Krone fertig, so bringt sie der Großknecht des Festhauses, dem im westlichen Mecklenburg ein langer Zug von Burschen und Mädchen folgt, durch das Dorf in das Fesilocal, die Diele des Gehöfts, wo sie an einem ^alte» befestigt wird. Nachmittags wird hier getanzt und den bereit gchal- ume» Bier- und Branntweintonuen fleißig zugesprochen. Der Wirth hat nur l>U' reichliches Getränk zu sorgen, doch findet sich selten einer, der nicht zu¬ gleich ein Butteibrot sür die Knechte und Tagelöhner und einen Schweine¬ braten sür die Bauern hätte. (Schluß im nächsten Heft.) 13*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/109
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/109>, abgerufen am 25.08.2024.