Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.obersten Wächter dieser nützlichen Bestimmung. Jeder Athener hatte das Recht Fragen wir nun nach den Ursachen, welche der Entwicklung eines freien obersten Wächter dieser nützlichen Bestimmung. Jeder Athener hatte das Recht Fragen wir nun nach den Ursachen, welche der Entwicklung eines freien <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0073" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110421"/> <p xml:id="ID_156" prev="#ID_155"> obersten Wächter dieser nützlichen Bestimmung. Jeder Athener hatte das Recht<lb/> und die Pflicht, einen Müssiggänger vor diesem Gerichtshöfe anzuklagen, ein<lb/> Verfahren, in welchem fteilich der Spartaner Herondas, der Zeuge desselben<lb/> war, eine Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit erblickte, die man aus<lb/> diese Weise zum Verbrechen mache. Zwei junge Männer, Menedemus und<lb/> Asklepiadcs, wurden voe den Areopag citirt, um von den Mitteln zu ihrem<lb/> Unterhalte Rechenschaft zu geben, da man in Erfahrung gebracht hatte, daß<lb/> sie ohne Vermögen waren und dennoch den ganzen Tag in den Hörsälen der<lb/> Philosophen zubrachten. Als es sich zeigte, daß die Junger der Weisheit,<lb/> um ihren Wissensdurst befriedigen zu können, während der Nacht in einer<lb/> Mühle zu arbeiten und allnächtlich zwei Drachmen (Obolen?) zu verdienen<lb/> Pflegten, entschied der Gerichtshof, daß einem Jeden zweihundert Drachmen<lb/> verabreicht werden sollten. Tragen solche und ähnliche Erzählungen, die wir<lb/> meist spätern Sammlern verdanken, anch den Charakter des Anekdotenhaften<lb/> an sich, so zeugen sie doch zur Genüge von dem Geiste, der im ältern Griechen¬<lb/> land herrschte in Bezug auf einen redlichen, wenn auch niedern Erwerb. Der<lb/> große Gesetzgeber der Athener bestimmte sogar, daß, wenn ein Sohn durch die<lb/> Schuld des Vaters nichts gelernt hatte, wovon er sich hätte ernähren können,<lb/> er nicht verpflichtet war, im Alter für diesen zu sorgen. Kein Gewerbe sollte<lb/> von der Rednerbühne ausschließen; einen Bürger wegen seiner Beschäftigung<lb/> zu schmähen, zog Strafe nach sich. Aber vergebens kämpfte Solon gegen den<lb/> neu aufstrebenden Geist: er konnte der Arbeit ebenso wenig Achtung verschaffen,<lb/> wie nach ihm Peisistratos, welcher die Tagediebe vom Markte vertreiben ließ.</p><lb/> <p xml:id="ID_157" next="#ID_158"> Fragen wir nun nach den Ursachen, welche der Entwicklung eines freien<lb/> und geachteten Handwerkerstandes auf den früher bezeichneten, allerdings vor¬<lb/> handenen Grundlagen feindlich entgegenwirkten und dieselben zuletzt fast gänzlich<lb/> zerstörten, so müssen wir bereits in der lykurgischen Gesetzgebung oder viel¬<lb/> mehr hinter dieser in der dorischen Wanderung und deren Folgen die Anfänge<lb/> einer Abneigung gegen die Arbeit und besonders gegen das Handwerk suchen.<lb/> Nach der Arderon>fung von Lakonien und Messeinen übte die Herrschaft über<lb/> diese große Landstrecke, die den dritten Theil des Peloponnes einnimmt, eine<lb/> Anzahl Vvltvürger dorischen Ursprungs, die selbst in der Blütezeit Spartas<lb/> nicht mehr als etwa 9000 Familien gebildet haben können. Die 30000 Periöken-<lb/> familicn waren von der Theilnahme an der Staatsregierung ausgeschlossen:<lb/> ihren politischen Pflichten entsprachen keine politischen Rechte. Die Heloten<lb/> endlich, deren Zahl mindestens auf 175000, von den meisten Schriftstellern<lb/> aber weit hoher angegeben wird, genossen nicht einmal der persönlichen Frei¬<lb/> heit und waren ihren Unterdrückern stets ein Gegenstand argwöhnischer Besorgniß.<lb/> Dieser Umstand nöthigte die Spartaner von vornherein zum ausschließlichen<lb/> Waffendienste und zu beständiger Kriegsbereitschaft, wodurch sie von selbst oder</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0073]
obersten Wächter dieser nützlichen Bestimmung. Jeder Athener hatte das Recht
und die Pflicht, einen Müssiggänger vor diesem Gerichtshöfe anzuklagen, ein
Verfahren, in welchem fteilich der Spartaner Herondas, der Zeuge desselben
war, eine Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit erblickte, die man aus
diese Weise zum Verbrechen mache. Zwei junge Männer, Menedemus und
Asklepiadcs, wurden voe den Areopag citirt, um von den Mitteln zu ihrem
Unterhalte Rechenschaft zu geben, da man in Erfahrung gebracht hatte, daß
sie ohne Vermögen waren und dennoch den ganzen Tag in den Hörsälen der
Philosophen zubrachten. Als es sich zeigte, daß die Junger der Weisheit,
um ihren Wissensdurst befriedigen zu können, während der Nacht in einer
Mühle zu arbeiten und allnächtlich zwei Drachmen (Obolen?) zu verdienen
Pflegten, entschied der Gerichtshof, daß einem Jeden zweihundert Drachmen
verabreicht werden sollten. Tragen solche und ähnliche Erzählungen, die wir
meist spätern Sammlern verdanken, anch den Charakter des Anekdotenhaften
an sich, so zeugen sie doch zur Genüge von dem Geiste, der im ältern Griechen¬
land herrschte in Bezug auf einen redlichen, wenn auch niedern Erwerb. Der
große Gesetzgeber der Athener bestimmte sogar, daß, wenn ein Sohn durch die
Schuld des Vaters nichts gelernt hatte, wovon er sich hätte ernähren können,
er nicht verpflichtet war, im Alter für diesen zu sorgen. Kein Gewerbe sollte
von der Rednerbühne ausschließen; einen Bürger wegen seiner Beschäftigung
zu schmähen, zog Strafe nach sich. Aber vergebens kämpfte Solon gegen den
neu aufstrebenden Geist: er konnte der Arbeit ebenso wenig Achtung verschaffen,
wie nach ihm Peisistratos, welcher die Tagediebe vom Markte vertreiben ließ.
Fragen wir nun nach den Ursachen, welche der Entwicklung eines freien
und geachteten Handwerkerstandes auf den früher bezeichneten, allerdings vor¬
handenen Grundlagen feindlich entgegenwirkten und dieselben zuletzt fast gänzlich
zerstörten, so müssen wir bereits in der lykurgischen Gesetzgebung oder viel¬
mehr hinter dieser in der dorischen Wanderung und deren Folgen die Anfänge
einer Abneigung gegen die Arbeit und besonders gegen das Handwerk suchen.
Nach der Arderon>fung von Lakonien und Messeinen übte die Herrschaft über
diese große Landstrecke, die den dritten Theil des Peloponnes einnimmt, eine
Anzahl Vvltvürger dorischen Ursprungs, die selbst in der Blütezeit Spartas
nicht mehr als etwa 9000 Familien gebildet haben können. Die 30000 Periöken-
familicn waren von der Theilnahme an der Staatsregierung ausgeschlossen:
ihren politischen Pflichten entsprachen keine politischen Rechte. Die Heloten
endlich, deren Zahl mindestens auf 175000, von den meisten Schriftstellern
aber weit hoher angegeben wird, genossen nicht einmal der persönlichen Frei¬
heit und waren ihren Unterdrückern stets ein Gegenstand argwöhnischer Besorgniß.
Dieser Umstand nöthigte die Spartaner von vornherein zum ausschließlichen
Waffendienste und zu beständiger Kriegsbereitschaft, wodurch sie von selbst oder
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