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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Hephästos, wie er denn auch ein den Chalkeen, wo beim Zurücktreten des
grüßen warmen Himmelslichtes der Bürger das Heerdfeuer aufsuchte, um da¬
bei zu wirken und zu schaffe", gemeinschaftlich mit dieser seiner Freundin verehrt
wurde. Er ist recht eigentlich der Gott der Handwerker, das Urbild der Ba¬
nausen, nicht von reizender Gestalt, sondern gebrechlich und lahm, wie die
Handwerker bei einer sitzenden Lebensweise leicht in ihrer Entwicklung zurück¬
bleiben tonnen. Schon hier mischt sich ein komisches Element dem Wesen
des Göttcrschmieds bei, wie es dem Charakter des Handwerkers von echter
Art nicht fern liegt; und dieses Komische steigert sich in dem Verhältnis; des
Hephästos zum Dionysos bis zur lustigsten Ausgelassenheit, wozu bei unserm
Handwerker eine Analogie zu finden nicht schwer fallen dürfte. Die mannich-
fachen Werke des kunstreichen Gottes, insbesondre der glänzende Waffenschmuck
Aedilis, sind allbekannt. D>e Werkstätte in dem Paläste, weichen sich der
schmausende, allezeit thätige und dienstbereite Gott erbaut hat, enthält den
ganzen Zubehör einer Schmiede, Blasebalg, Ambos, Hammer und Zange.
Der Nuß nöthigt ihn, ehe er Besuche empfangen kann, Geficht und Hände zu
waschen. Eine gewisse Unbeholfenheit und Derbheit, die bei ihm zuweilen
hervortritt, schließt die Eigenschaften der Gutmüthigkeit, Treuherzigkeit, Ge¬
fälligkeit nicht aus; mit kurzem Worte, er ist eben ein göttlicher Handwerker.

Wenn also ein Gott schmiedete und Göttinnen webten, so mußte noch
mehr für die Menschen gelten, daß Arbeit nicht sekände oder eine niedrige
Beschäftigung die Unfähigkeit, für die höher" Interessen des Lebens zu wirken,
nothwendig bedinge. Diese Ansicht war früher in Hellas die herrschende, und
auch späterhin versuchte man noch zuweilen, sie wenigstens im Princip festzu¬
halten. Weise Männer erkannten, daß man durch Gesetze und Strafbestim¬
mungen nicht bessere, wenn nicht die Erziehung den Sinn für das Gute in den
Seelen wecke und es zur Gewohnheit mache. Sie suchten daher die Bürger
zur Thätigkeit anzuleiten, um sie hierdurch vom Schlechten abzuhalten. Die
drakonische Gesetzgebung bestrafte den Müssiggang mit dem Verluste der bürger¬
liche" Rechte, und nachdem Solon durch die Lastennbschütteluug die niedern
Volksclassen von dem Drucke der übermächtigen großen Grundbesitzer befreit
hatte, suchte er die so Befreiten zu nützliche" und lohnenden Beschäftigungen
zu veranlassen, durch welche sie vor neuer Verschuldung und Dienstbarkeit, sowie
vor den Verirrungen und Lastern bewahrt werden sollten, denen eine müssige,
besitzlose und hungernde Menge mir zu leicht verfällt. Die Aufnahme Fremder
unter die Schutzverwandten -- wol nicht, wie Plutarch irrthümlicher Weise
berichtet, unter die Bürger -- wurde nur denen gestattet, welche ein Handwerk
verstanden und sich bleibend in Attika niederzulassen erklärten; das angeblich
ägyptische Gesetz, daß jeder Landesangehörige nachweisen sollte, wovon er
lebe, übertrug Solon auf die athenischen Bürger und setzte den Areopag zum


Hephästos, wie er denn auch ein den Chalkeen, wo beim Zurücktreten des
grüßen warmen Himmelslichtes der Bürger das Heerdfeuer aufsuchte, um da¬
bei zu wirken und zu schaffe», gemeinschaftlich mit dieser seiner Freundin verehrt
wurde. Er ist recht eigentlich der Gott der Handwerker, das Urbild der Ba¬
nausen, nicht von reizender Gestalt, sondern gebrechlich und lahm, wie die
Handwerker bei einer sitzenden Lebensweise leicht in ihrer Entwicklung zurück¬
bleiben tonnen. Schon hier mischt sich ein komisches Element dem Wesen
des Göttcrschmieds bei, wie es dem Charakter des Handwerkers von echter
Art nicht fern liegt; und dieses Komische steigert sich in dem Verhältnis; des
Hephästos zum Dionysos bis zur lustigsten Ausgelassenheit, wozu bei unserm
Handwerker eine Analogie zu finden nicht schwer fallen dürfte. Die mannich-
fachen Werke des kunstreichen Gottes, insbesondre der glänzende Waffenschmuck
Aedilis, sind allbekannt. D>e Werkstätte in dem Paläste, weichen sich der
schmausende, allezeit thätige und dienstbereite Gott erbaut hat, enthält den
ganzen Zubehör einer Schmiede, Blasebalg, Ambos, Hammer und Zange.
Der Nuß nöthigt ihn, ehe er Besuche empfangen kann, Geficht und Hände zu
waschen. Eine gewisse Unbeholfenheit und Derbheit, die bei ihm zuweilen
hervortritt, schließt die Eigenschaften der Gutmüthigkeit, Treuherzigkeit, Ge¬
fälligkeit nicht aus; mit kurzem Worte, er ist eben ein göttlicher Handwerker.

Wenn also ein Gott schmiedete und Göttinnen webten, so mußte noch
mehr für die Menschen gelten, daß Arbeit nicht sekände oder eine niedrige
Beschäftigung die Unfähigkeit, für die höher» Interessen des Lebens zu wirken,
nothwendig bedinge. Diese Ansicht war früher in Hellas die herrschende, und
auch späterhin versuchte man noch zuweilen, sie wenigstens im Princip festzu¬
halten. Weise Männer erkannten, daß man durch Gesetze und Strafbestim¬
mungen nicht bessere, wenn nicht die Erziehung den Sinn für das Gute in den
Seelen wecke und es zur Gewohnheit mache. Sie suchten daher die Bürger
zur Thätigkeit anzuleiten, um sie hierdurch vom Schlechten abzuhalten. Die
drakonische Gesetzgebung bestrafte den Müssiggang mit dem Verluste der bürger¬
liche» Rechte, und nachdem Solon durch die Lastennbschütteluug die niedern
Volksclassen von dem Drucke der übermächtigen großen Grundbesitzer befreit
hatte, suchte er die so Befreiten zu nützliche» und lohnenden Beschäftigungen
zu veranlassen, durch welche sie vor neuer Verschuldung und Dienstbarkeit, sowie
vor den Verirrungen und Lastern bewahrt werden sollten, denen eine müssige,
besitzlose und hungernde Menge mir zu leicht verfällt. Die Aufnahme Fremder
unter die Schutzverwandten — wol nicht, wie Plutarch irrthümlicher Weise
berichtet, unter die Bürger — wurde nur denen gestattet, welche ein Handwerk
verstanden und sich bleibend in Attika niederzulassen erklärten; das angeblich
ägyptische Gesetz, daß jeder Landesangehörige nachweisen sollte, wovon er
lebe, übertrug Solon auf die athenischen Bürger und setzte den Areopag zum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/72>, abgerufen am 15.01.2025.