Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.und der Strafbayern sind alle freisinnigen Einrichtungen des Landes zertrüm¬ In zweiter Instanz kommt Preußen. Preußen hat eine doppelte Schuld Indessen über die Form hat man nicht nöthig zu streiten, wenn nur die Darin liegt nun zunächst: Preußen wird unter keinen Umständen eine Einmal scheint uns die preußische Regierung nicht von der Beschaffenheit, Grenzboten IV. 1860. 65
und der Strafbayern sind alle freisinnigen Einrichtungen des Landes zertrüm¬ In zweiter Instanz kommt Preußen. Preußen hat eine doppelte Schuld Indessen über die Form hat man nicht nöthig zu streiten, wenn nur die Darin liegt nun zunächst: Preußen wird unter keinen Umständen eine Einmal scheint uns die preußische Regierung nicht von der Beschaffenheit, Grenzboten IV. 1860. 65
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und der Strafbayern sind alle freisinnigen Einrichtungen des Landes zertrüm¬
mert, und factisch eine Dictatur hergestellt, die durch jede Art von Landes-
Vertretung nur gestört werden kann. Wenn die Regierung keinen Landtag in
der von ihr gewünschten Weise zusammenbringt, so behilft sie sich ohne den¬
selben, sie kann die Verfassung entbehren. Wenn nach sechs Monaten wieder
ein renitenter Landtag gewählt wird, so schickt sie ihn wieder nach Hause, und
so ins Unendliche. Sollte es darüber im Lande unruhig werden, so zählt sie
auf den Schutz des Bundes. Und überhaupt? warum soll man an die Sünd-
fluth denken! Wir leben, so lange es geht.
In zweiter Instanz kommt Preußen. Preußen hat eine doppelte Schuld
gegen das hessische Volk: es hat es vor zehn Jahren im Stich gelassen, es
hat ihm jetzt sein Wort verpfändet. Die gegenwärtige' Regierung hat ihre
Stellung, dem Bunde und dem Kurfürsten gegenüber, dadurch erschwert, daß
sie sich als die einfache Fortsetzung der vorigen Regierung betrachtet. Hätte
sie einfach erklärt: das Cabinet Manteuffel existirt nicht mehr, und wir treten
seine Erbschaft nur insoweit an, als völkerrechtliche Verpflichtungen vorliegen,
so hätte sie die vielen diplomatischen Winkelzüge nicht nöthig gehabt.
Indessen über die Form hat man nicht nöthig zu streiten, wenn nur die
Sache gemacht wird. Preußen hat gegen den Bundesbeschluß, welcher die
Rechtsgiltigkeit der Verfassung von 1831 aufhebt, entschieden Protest eingelegt,
es hat ihn für null und nichtig erklärt. Der Minister hat dem Landtag die
Versicherung gegeben, er habe die Folgen dieses Schritts nach allen Seiten
erwogen.
Darin liegt nun zunächst: Preußen wird unter keinen Umständen eine
neue Execution des Bundes zugeben. — Eine Bundesexecution zur Durchfüh¬
rung der octroyirtcn Verfassung. — Aber eine solche zu verlangen, hat die
kurfürstliche Regierung nicht die mindeste Lust; es liegt ihr gar nichts daran,
die octroyirte Verfassung durchzuführen; sie regiert ebenso gern ohne alle Ver¬
fassung. Was sie bedarf, hat sie bereits erlangt. — Oder soll in jener Er¬
klärung mehr liegen? Soll es heißen: eine Execution wird auch in dem Fall
ausgeschlossen, wenn das Volk mit Gewalt die Verfassung von 1831 wieder
herstellt?
Einmal scheint uns die preußische Regierung nicht von der Beschaffenheit,
diesen Gedanken wirklich ausgedacht zu haben. Auch uns gefällt er ganz und
gar nicht. Die Sache der Ordnung, und was damit zusammenfällt, die Sache
der Freiheit, wird nicht gefördert, wenn man dem Spiel des Zufalls die Ent¬
scheidung überläßt. Auf Italien mag das Princip der Nichtintervention seine
Anwendung finden; für die geographische Lage Kurhesseus paßt es nicht. So¬
bald es in Kurhessen auf das Gebiet der Thatsachen übergeht, wird intervenirt,
daran ist gar kein Zweifel; von dort oder von dort.
Grenzboten IV. 1860. 65
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