Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.nicht eingehn. aber gewiß ist. daß der Widerstand in Volk und Kammern Es war nicht zu verwundern, wenn das ziellose Schwanken der aus¬ nicht eingehn. aber gewiß ist. daß der Widerstand in Volk und Kammern Es war nicht zu verwundern, wenn das ziellose Schwanken der aus¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0459" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110807"/> <p xml:id="ID_1399" prev="#ID_1398"> nicht eingehn. aber gewiß ist. daß der Widerstand in Volk und Kammern<lb/> wesentlich in dieser Untätigkeit der äußern Politik wurzelte. Wenn Preußen,<lb/> so folgerte man. sich nur gegen einen Angriff vertheidigen soll, so genügt da¬<lb/> zu die Landwehr; soll aber, da unsre Regierung doch keine active, offensive<lb/> Politik macht, zu der sie eines großen schlagfertigen Heeres bedürfte, das Lau?<lb/> mit einem unerschwinglichen Militärbudget belastet werden, damit so viel<lb/> «ausend Soldaten mehr auf der Parade vorüberziehn? Und andererseits<lb/> werden auch entschiedene Gegner der Armeeresorm zugeben, daß ein kräftiges<lb/> Vorgehen gegen Frankreich oder Dänemark alle Opposition zum Schweigen<lb/> gebracht haben würde. Da die Regierung aber nichts that und doch große<lb/> Opfer mir für unbestimmte Eventualitäten, drohende politische Situation u.<lb/> forderte, so wurde sie in eine schiefe Stellung gebracht, welche sich in der<lb/> Folge noch schwer geltend machen wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1400" next="#ID_1401"> Es war nicht zu verwundern, wenn das ziellose Schwanken der aus¬<lb/> wärtigen Politik Preußens im Innern ein lebhaftes Unbehagen erregte und<lb/> auswärtigen Cabincten den Gedanken gab. dasselbe für ihre Combinationen<lb/> auszubeuten. Zwqr im Abgeordnetenhause, wie in der Presse überwog im<lb/> Anfang dieses Jahres noch die Sympathie für das Ministerium, die Rück¬<lb/> sicht auf die Schwierigkeiten, mit denen es zu kämpfen, die Furcht, der Kreuz¬<lb/> zeitung in die Hände zu arbeiten, und nur einzeln machte sich, wie in den<lb/> Aeußerungen des Herrn von Nincke, der Unmuth Luft. Festere Gestalt da¬<lb/> gegen gewann die Ansicht, daß es so nicht fortgehen dürfe, bei einigen pren-<lb/> l'löcher Diplomaten. Von dem Gesichtspunkte ausgehend, daß Preußen es<lb/> unter den bewandten Umständen doch nicht zu einer großen und selbständigen<lb/> .nationalen Politik bringen werde, meinten sie. es sei besser sich vorläufig mit<lb/> Frankreich zu verständigen und einen Machtzuwachs für Preußen zu erstreben,<lb/> der mehr realer Natur sei als die moralischen Eroberungen; demgemäß seien<lb/> die russischen Vorschläge, wonach das Petersburger Cabinet freie Hand in<lb/> Constantinopel, Preußen Deutschland bis zur Mainlinie und Frankreich das<lb/> linke Rheinufer erhalten sollten, nicht zu verwerfe». Es ist ein öffentliches<lb/> Geheimniß, daß eine russische Großfürstin diesen Plan in Berlin empfahl und<lb/> daß der preußische Gesandte in Petersburg. Herr von Bismark, sich zu dessen<lb/> eifrigstem Fürsprecher machte. Nicht blos an officieller Stelle setzte er die<lb/> handgreiflichen Vortheile eines solchen Arrangements auseinander, sondern<lb/> auch Mitglieder der liberalen Partei suchte er dafür zu gewinnen, indem er<lb/> darauf hinwies, daß, wenn Preußen sich erst durch solche Gebietserweiterungen<lb/> consolidirt. es ihm leicht sein werde, bei einer Coalition gegen Frankreich das<lb/> Verlorne wiederzuerlangen. Seine Bemühungen wurden von dein russischen<lb/> Gesandten. Herrn von Budberg eifrig fecundirt. der hoffen durfte, in ihm Herrn<lb/> von Schlcinilz einen Nachfolger zu geben, mit dem er sich vollkommen ein-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0459]
nicht eingehn. aber gewiß ist. daß der Widerstand in Volk und Kammern
wesentlich in dieser Untätigkeit der äußern Politik wurzelte. Wenn Preußen,
so folgerte man. sich nur gegen einen Angriff vertheidigen soll, so genügt da¬
zu die Landwehr; soll aber, da unsre Regierung doch keine active, offensive
Politik macht, zu der sie eines großen schlagfertigen Heeres bedürfte, das Lau?
mit einem unerschwinglichen Militärbudget belastet werden, damit so viel
«ausend Soldaten mehr auf der Parade vorüberziehn? Und andererseits
werden auch entschiedene Gegner der Armeeresorm zugeben, daß ein kräftiges
Vorgehen gegen Frankreich oder Dänemark alle Opposition zum Schweigen
gebracht haben würde. Da die Regierung aber nichts that und doch große
Opfer mir für unbestimmte Eventualitäten, drohende politische Situation u.
forderte, so wurde sie in eine schiefe Stellung gebracht, welche sich in der
Folge noch schwer geltend machen wird.
Es war nicht zu verwundern, wenn das ziellose Schwanken der aus¬
wärtigen Politik Preußens im Innern ein lebhaftes Unbehagen erregte und
auswärtigen Cabincten den Gedanken gab. dasselbe für ihre Combinationen
auszubeuten. Zwqr im Abgeordnetenhause, wie in der Presse überwog im
Anfang dieses Jahres noch die Sympathie für das Ministerium, die Rück¬
sicht auf die Schwierigkeiten, mit denen es zu kämpfen, die Furcht, der Kreuz¬
zeitung in die Hände zu arbeiten, und nur einzeln machte sich, wie in den
Aeußerungen des Herrn von Nincke, der Unmuth Luft. Festere Gestalt da¬
gegen gewann die Ansicht, daß es so nicht fortgehen dürfe, bei einigen pren-
l'löcher Diplomaten. Von dem Gesichtspunkte ausgehend, daß Preußen es
unter den bewandten Umständen doch nicht zu einer großen und selbständigen
.nationalen Politik bringen werde, meinten sie. es sei besser sich vorläufig mit
Frankreich zu verständigen und einen Machtzuwachs für Preußen zu erstreben,
der mehr realer Natur sei als die moralischen Eroberungen; demgemäß seien
die russischen Vorschläge, wonach das Petersburger Cabinet freie Hand in
Constantinopel, Preußen Deutschland bis zur Mainlinie und Frankreich das
linke Rheinufer erhalten sollten, nicht zu verwerfe». Es ist ein öffentliches
Geheimniß, daß eine russische Großfürstin diesen Plan in Berlin empfahl und
daß der preußische Gesandte in Petersburg. Herr von Bismark, sich zu dessen
eifrigstem Fürsprecher machte. Nicht blos an officieller Stelle setzte er die
handgreiflichen Vortheile eines solchen Arrangements auseinander, sondern
auch Mitglieder der liberalen Partei suchte er dafür zu gewinnen, indem er
darauf hinwies, daß, wenn Preußen sich erst durch solche Gebietserweiterungen
consolidirt. es ihm leicht sein werde, bei einer Coalition gegen Frankreich das
Verlorne wiederzuerlangen. Seine Bemühungen wurden von dein russischen
Gesandten. Herrn von Budberg eifrig fecundirt. der hoffen durfte, in ihm Herrn
von Schlcinilz einen Nachfolger zu geben, mit dem er sich vollkommen ein-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |