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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Bundescontinnität in Einklang zu setzen. Außerdem sagte der Minister wol, daß
die Staatsregierung den von ihr eingenommenen Standpunkt mit Festigkeit
zu behaupten wissen werde, gab aber keinerlei Andeutung, wie man denselben
anders als durch Erklärungen und Noten vertreten werde. Außerdem aber be¬
ledigten in dem Hause seine Ansichten über das Verhältniß Preußens zum
Bunde keineswegs.

Die Majorität wollte offenbar im Sinne der Herren von Vincke und
Carlowitz. daß Preußen sich zu einer Wiederaufnahme der Unionspolitik er¬
manne. Herr von Schleinitz dagegen erklärte zwar unumwunden seinen Bruch
mit der Neactionspolitik. wies aber hinsichtlich des Bundes darauf hin, daß
die seiner Competenz gezognen Schranken inne zu halten seien und sagte sich
ausdrücklich los von den Binckeschen Tendenzen. In der kurhessischen Ange¬
legenheit hatte die Negierung wenigstens einen bestimmten Weg eingeschlagen;
sie war am Bunde gegen den Rechtsbruch offen aufgetreten. In der schleswig-
holsteinschen Frage hatte sie bei den günstigsten Umständen nichts gethan, und
es mußte den peinlichsten Eindruck machen, als in der Debatte über die be¬
kannte Petition der Minister, welcher beim Ausbruch des italienischen Krie¬
ges so sehr Preußens Stellung als Großmacht betont hatte, sich blos auf die
Anerkennung der trefflichen Haltung der Herzogthümer beschränkte und die
Versicherung gab. daß Preußen ein Herz für dieselben habe. Offenbar konnte
es aber den gedrückten Schleswigern nicht darum zu thun sein, einige warme
Worte und fromme Wünsche von officieller Stelle zu vernehmen, für die noch
überdies die kopenhagner Regierung sie büßen ließ, sondern darauf allein
konnte es ihnen ankommen, was Preußen für sie thun wollte. Glaubte
Herr von Schleinitz nichts thun zu können, so durfte er auch nicht sprechen,
sondern mußte die ganze Debatte abschneiden, die nur als Einleitung zu ei¬
nem bestimmten Vorgehen gegen Dänemark einen Sinn hatte. Damit soll
natürlich nichts gegen die patriotischen Unterzeichner der Petition gesagt sein;
diese thaten ihre Pflicht, indem sie ihre Stimmen für die bedrückten Länder
erhoben; aber niemand wird läugnen, daß es wenig geeignet ist, das Ansehen
einer Regierung und Kammer zu heben, wenn zwei Tage über eine Frage
gesprochen wird, wobei nicht nur Ministerium und Majorität einig sind,
sondern es sogar an Gegnern fehlt und wenn dann schließlich nichts geschieht,
sondern es erst einer Provocation des so scharf getadelten Gegners bedarf,
um nur eine Verwahrung des Rechts zu veranlassen.

So ging auch die zweite Periode der auswärtigen Politik des Ministe¬
riums resultatlos zu Ende. Jedermann mußte es klar sein, daß der Einfluß
Preußens auf diesem Wege in Deutschland und Europa nicht steigen konnte.
Aber auch aus die innern Verhältnisse wirkte diese Unthätigkeit nachtheilig,
vor allem in der Frage über die Armeereform. Wir wollen hier auf dieselbe


Bundescontinnität in Einklang zu setzen. Außerdem sagte der Minister wol, daß
die Staatsregierung den von ihr eingenommenen Standpunkt mit Festigkeit
zu behaupten wissen werde, gab aber keinerlei Andeutung, wie man denselben
anders als durch Erklärungen und Noten vertreten werde. Außerdem aber be¬
ledigten in dem Hause seine Ansichten über das Verhältniß Preußens zum
Bunde keineswegs.

Die Majorität wollte offenbar im Sinne der Herren von Vincke und
Carlowitz. daß Preußen sich zu einer Wiederaufnahme der Unionspolitik er¬
manne. Herr von Schleinitz dagegen erklärte zwar unumwunden seinen Bruch
mit der Neactionspolitik. wies aber hinsichtlich des Bundes darauf hin, daß
die seiner Competenz gezognen Schranken inne zu halten seien und sagte sich
ausdrücklich los von den Binckeschen Tendenzen. In der kurhessischen Ange¬
legenheit hatte die Negierung wenigstens einen bestimmten Weg eingeschlagen;
sie war am Bunde gegen den Rechtsbruch offen aufgetreten. In der schleswig-
holsteinschen Frage hatte sie bei den günstigsten Umständen nichts gethan, und
es mußte den peinlichsten Eindruck machen, als in der Debatte über die be¬
kannte Petition der Minister, welcher beim Ausbruch des italienischen Krie¬
ges so sehr Preußens Stellung als Großmacht betont hatte, sich blos auf die
Anerkennung der trefflichen Haltung der Herzogthümer beschränkte und die
Versicherung gab. daß Preußen ein Herz für dieselben habe. Offenbar konnte
es aber den gedrückten Schleswigern nicht darum zu thun sein, einige warme
Worte und fromme Wünsche von officieller Stelle zu vernehmen, für die noch
überdies die kopenhagner Regierung sie büßen ließ, sondern darauf allein
konnte es ihnen ankommen, was Preußen für sie thun wollte. Glaubte
Herr von Schleinitz nichts thun zu können, so durfte er auch nicht sprechen,
sondern mußte die ganze Debatte abschneiden, die nur als Einleitung zu ei¬
nem bestimmten Vorgehen gegen Dänemark einen Sinn hatte. Damit soll
natürlich nichts gegen die patriotischen Unterzeichner der Petition gesagt sein;
diese thaten ihre Pflicht, indem sie ihre Stimmen für die bedrückten Länder
erhoben; aber niemand wird läugnen, daß es wenig geeignet ist, das Ansehen
einer Regierung und Kammer zu heben, wenn zwei Tage über eine Frage
gesprochen wird, wobei nicht nur Ministerium und Majorität einig sind,
sondern es sogar an Gegnern fehlt und wenn dann schließlich nichts geschieht,
sondern es erst einer Provocation des so scharf getadelten Gegners bedarf,
um nur eine Verwahrung des Rechts zu veranlassen.

So ging auch die zweite Periode der auswärtigen Politik des Ministe¬
riums resultatlos zu Ende. Jedermann mußte es klar sein, daß der Einfluß
Preußens auf diesem Wege in Deutschland und Europa nicht steigen konnte.
Aber auch aus die innern Verhältnisse wirkte diese Unthätigkeit nachtheilig,
vor allem in der Frage über die Armeereform. Wir wollen hier auf dieselbe


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[0458] Bundescontinnität in Einklang zu setzen. Außerdem sagte der Minister wol, daß die Staatsregierung den von ihr eingenommenen Standpunkt mit Festigkeit zu behaupten wissen werde, gab aber keinerlei Andeutung, wie man denselben anders als durch Erklärungen und Noten vertreten werde. Außerdem aber be¬ ledigten in dem Hause seine Ansichten über das Verhältniß Preußens zum Bunde keineswegs. Die Majorität wollte offenbar im Sinne der Herren von Vincke und Carlowitz. daß Preußen sich zu einer Wiederaufnahme der Unionspolitik er¬ manne. Herr von Schleinitz dagegen erklärte zwar unumwunden seinen Bruch mit der Neactionspolitik. wies aber hinsichtlich des Bundes darauf hin, daß die seiner Competenz gezognen Schranken inne zu halten seien und sagte sich ausdrücklich los von den Binckeschen Tendenzen. In der kurhessischen Ange¬ legenheit hatte die Negierung wenigstens einen bestimmten Weg eingeschlagen; sie war am Bunde gegen den Rechtsbruch offen aufgetreten. In der schleswig- holsteinschen Frage hatte sie bei den günstigsten Umständen nichts gethan, und es mußte den peinlichsten Eindruck machen, als in der Debatte über die be¬ kannte Petition der Minister, welcher beim Ausbruch des italienischen Krie¬ ges so sehr Preußens Stellung als Großmacht betont hatte, sich blos auf die Anerkennung der trefflichen Haltung der Herzogthümer beschränkte und die Versicherung gab. daß Preußen ein Herz für dieselben habe. Offenbar konnte es aber den gedrückten Schleswigern nicht darum zu thun sein, einige warme Worte und fromme Wünsche von officieller Stelle zu vernehmen, für die noch überdies die kopenhagner Regierung sie büßen ließ, sondern darauf allein konnte es ihnen ankommen, was Preußen für sie thun wollte. Glaubte Herr von Schleinitz nichts thun zu können, so durfte er auch nicht sprechen, sondern mußte die ganze Debatte abschneiden, die nur als Einleitung zu ei¬ nem bestimmten Vorgehen gegen Dänemark einen Sinn hatte. Damit soll natürlich nichts gegen die patriotischen Unterzeichner der Petition gesagt sein; diese thaten ihre Pflicht, indem sie ihre Stimmen für die bedrückten Länder erhoben; aber niemand wird läugnen, daß es wenig geeignet ist, das Ansehen einer Regierung und Kammer zu heben, wenn zwei Tage über eine Frage gesprochen wird, wobei nicht nur Ministerium und Majorität einig sind, sondern es sogar an Gegnern fehlt und wenn dann schließlich nichts geschieht, sondern es erst einer Provocation des so scharf getadelten Gegners bedarf, um nur eine Verwahrung des Rechts zu veranlassen. So ging auch die zweite Periode der auswärtigen Politik des Ministe¬ riums resultatlos zu Ende. Jedermann mußte es klar sein, daß der Einfluß Preußens auf diesem Wege in Deutschland und Europa nicht steigen konnte. Aber auch aus die innern Verhältnisse wirkte diese Unthätigkeit nachtheilig, vor allem in der Frage über die Armeereform. Wir wollen hier auf dieselbe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/458>, abgerufen am 16.01.2025.