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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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verstanden wußte. Diese Pläne scheiterten, zumeist an der entschiedenen Zu¬
rückweisung des Prinzregenten; indeß der Kaiser Napoleon, der sich bisher
ganz ruhig verhalten und Rußland die Sondirung überlassen hatte, konnte
sich doch nicht davon überzeugen, daß Preußen einen so vortheilhaften Vor¬
schlag einfach zurückweisen sollte, und glaubte denselben bei einer persönlichen
Zusammenkunft dem Prinzregenten annehmbar machen zu können. Im An-
fang Mai kam eine Meldung aus Paris, der Kaiser sehe mit Bedauern, daß
unbegründete Gerüchte über französischen Ehrgeiz Deutschland beunruhigten,
er wünsche dem ein Ende zu machen und sich offen mit dem Prinzregenten
darüber auszusprechen, dem er deshalb eine Zusammenkunft vorschlage. Wir
glauben nicht zu irren, wenn wir annehmen, daß dem Regenten diese Auf¬
forderung wenig gelegen kam, und in der That war auch nicht der geringste
Grund da, eine solche Zusammenkunft für ihn wünschenswert!) zu machen.
Wir sind keineswegs blinde Franzosenfeinde und geben gerne zu. daß in der
jüngsten Zeit mehrfach sich Gelegenheiten boten, wo Preußen und Frankreich
sehr wohl zusammengehen durften, weil sie sich gegenseitig wichtige Dienste
leisten konnten; solche Fälle lagen während des orientalischen und italienischen
Krieges vor, ja noch im Anfang dieses Jahres bot die Savoyische Frage
ein derartiges Mittel sich zu begegnen. Im Frühjahr aber gab es keine
solche Gelegenheit mehr. Frankreich brauchte uns nicht, konnte folglich auch
nicht geneigt sein, uns etwas zu bieten, wofern wir nicht etwas von
dem Unsrigen für Neuzuerwerbendes hingeben wollten; da man aber jedes
Tauschprojekt abwies, so war auch die Zusammenkunft überflüssig, denn was
sollte darin verhandelt werden? Der Prinzregent mußte doch wohl ohnedies
wissen, wie er mit dem Kaiser daran war; oder glaubte man vielleicht, daß
den Mann des Staatsstreiches eine Versicherung mehr binden werde?
Aber die Leiter unserer auswärtigen Politik fürchteten vor allem den Kaiser
Napoleon durch eine Zurückweisung zu verletzen und hoben hervor, daß der
Regent diese Gelegenheit trefflich benutzen könne, um Deutschlands Interesse
zu vertreten. So ging denn eine Antwort nach Paris, der Regent sei erfreut
über das Erbieten des Kaisers, durch persönliche Erklärungen das Mißtrauen
gegen Frankreich zu zerstreuen, er fasse die vorgeschlagene Zusammenkunft in
dem Sinne auf, daß sowohl die Furcht eines Angriffs von Frankreich als
eines Sonderbündnisses deutscher Fürsten mit Frankreich beseitigt werden
solle.

Wir wollen hier nicht die Geschichte der Tage von Baden erzählen, sie
ist bekannt und namentlich in diesen Blättern (Ur. 27 und 28) vollständig
resumirt; nur einige Folgerungen mögen hier Platz finden, die wir nicht ab¬
zuweisen vermögen. Die Mannhaftigkeit und Würde, welche der Prinzregent
in seinem ganzen Auftreten zeigte, ist um so mehr zu betonen, als er hier


verstanden wußte. Diese Pläne scheiterten, zumeist an der entschiedenen Zu¬
rückweisung des Prinzregenten; indeß der Kaiser Napoleon, der sich bisher
ganz ruhig verhalten und Rußland die Sondirung überlassen hatte, konnte
sich doch nicht davon überzeugen, daß Preußen einen so vortheilhaften Vor¬
schlag einfach zurückweisen sollte, und glaubte denselben bei einer persönlichen
Zusammenkunft dem Prinzregenten annehmbar machen zu können. Im An-
fang Mai kam eine Meldung aus Paris, der Kaiser sehe mit Bedauern, daß
unbegründete Gerüchte über französischen Ehrgeiz Deutschland beunruhigten,
er wünsche dem ein Ende zu machen und sich offen mit dem Prinzregenten
darüber auszusprechen, dem er deshalb eine Zusammenkunft vorschlage. Wir
glauben nicht zu irren, wenn wir annehmen, daß dem Regenten diese Auf¬
forderung wenig gelegen kam, und in der That war auch nicht der geringste
Grund da, eine solche Zusammenkunft für ihn wünschenswert!) zu machen.
Wir sind keineswegs blinde Franzosenfeinde und geben gerne zu. daß in der
jüngsten Zeit mehrfach sich Gelegenheiten boten, wo Preußen und Frankreich
sehr wohl zusammengehen durften, weil sie sich gegenseitig wichtige Dienste
leisten konnten; solche Fälle lagen während des orientalischen und italienischen
Krieges vor, ja noch im Anfang dieses Jahres bot die Savoyische Frage
ein derartiges Mittel sich zu begegnen. Im Frühjahr aber gab es keine
solche Gelegenheit mehr. Frankreich brauchte uns nicht, konnte folglich auch
nicht geneigt sein, uns etwas zu bieten, wofern wir nicht etwas von
dem Unsrigen für Neuzuerwerbendes hingeben wollten; da man aber jedes
Tauschprojekt abwies, so war auch die Zusammenkunft überflüssig, denn was
sollte darin verhandelt werden? Der Prinzregent mußte doch wohl ohnedies
wissen, wie er mit dem Kaiser daran war; oder glaubte man vielleicht, daß
den Mann des Staatsstreiches eine Versicherung mehr binden werde?
Aber die Leiter unserer auswärtigen Politik fürchteten vor allem den Kaiser
Napoleon durch eine Zurückweisung zu verletzen und hoben hervor, daß der
Regent diese Gelegenheit trefflich benutzen könne, um Deutschlands Interesse
zu vertreten. So ging denn eine Antwort nach Paris, der Regent sei erfreut
über das Erbieten des Kaisers, durch persönliche Erklärungen das Mißtrauen
gegen Frankreich zu zerstreuen, er fasse die vorgeschlagene Zusammenkunft in
dem Sinne auf, daß sowohl die Furcht eines Angriffs von Frankreich als
eines Sonderbündnisses deutscher Fürsten mit Frankreich beseitigt werden
solle.

Wir wollen hier nicht die Geschichte der Tage von Baden erzählen, sie
ist bekannt und namentlich in diesen Blättern (Ur. 27 und 28) vollständig
resumirt; nur einige Folgerungen mögen hier Platz finden, die wir nicht ab¬
zuweisen vermögen. Die Mannhaftigkeit und Würde, welche der Prinzregent
in seinem ganzen Auftreten zeigte, ist um so mehr zu betonen, als er hier


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[0460] verstanden wußte. Diese Pläne scheiterten, zumeist an der entschiedenen Zu¬ rückweisung des Prinzregenten; indeß der Kaiser Napoleon, der sich bisher ganz ruhig verhalten und Rußland die Sondirung überlassen hatte, konnte sich doch nicht davon überzeugen, daß Preußen einen so vortheilhaften Vor¬ schlag einfach zurückweisen sollte, und glaubte denselben bei einer persönlichen Zusammenkunft dem Prinzregenten annehmbar machen zu können. Im An- fang Mai kam eine Meldung aus Paris, der Kaiser sehe mit Bedauern, daß unbegründete Gerüchte über französischen Ehrgeiz Deutschland beunruhigten, er wünsche dem ein Ende zu machen und sich offen mit dem Prinzregenten darüber auszusprechen, dem er deshalb eine Zusammenkunft vorschlage. Wir glauben nicht zu irren, wenn wir annehmen, daß dem Regenten diese Auf¬ forderung wenig gelegen kam, und in der That war auch nicht der geringste Grund da, eine solche Zusammenkunft für ihn wünschenswert!) zu machen. Wir sind keineswegs blinde Franzosenfeinde und geben gerne zu. daß in der jüngsten Zeit mehrfach sich Gelegenheiten boten, wo Preußen und Frankreich sehr wohl zusammengehen durften, weil sie sich gegenseitig wichtige Dienste leisten konnten; solche Fälle lagen während des orientalischen und italienischen Krieges vor, ja noch im Anfang dieses Jahres bot die Savoyische Frage ein derartiges Mittel sich zu begegnen. Im Frühjahr aber gab es keine solche Gelegenheit mehr. Frankreich brauchte uns nicht, konnte folglich auch nicht geneigt sein, uns etwas zu bieten, wofern wir nicht etwas von dem Unsrigen für Neuzuerwerbendes hingeben wollten; da man aber jedes Tauschprojekt abwies, so war auch die Zusammenkunft überflüssig, denn was sollte darin verhandelt werden? Der Prinzregent mußte doch wohl ohnedies wissen, wie er mit dem Kaiser daran war; oder glaubte man vielleicht, daß den Mann des Staatsstreiches eine Versicherung mehr binden werde? Aber die Leiter unserer auswärtigen Politik fürchteten vor allem den Kaiser Napoleon durch eine Zurückweisung zu verletzen und hoben hervor, daß der Regent diese Gelegenheit trefflich benutzen könne, um Deutschlands Interesse zu vertreten. So ging denn eine Antwort nach Paris, der Regent sei erfreut über das Erbieten des Kaisers, durch persönliche Erklärungen das Mißtrauen gegen Frankreich zu zerstreuen, er fasse die vorgeschlagene Zusammenkunft in dem Sinne auf, daß sowohl die Furcht eines Angriffs von Frankreich als eines Sonderbündnisses deutscher Fürsten mit Frankreich beseitigt werden solle. Wir wollen hier nicht die Geschichte der Tage von Baden erzählen, sie ist bekannt und namentlich in diesen Blättern (Ur. 27 und 28) vollständig resumirt; nur einige Folgerungen mögen hier Platz finden, die wir nicht ab¬ zuweisen vermögen. Die Mannhaftigkeit und Würde, welche der Prinzregent in seinem ganzen Auftreten zeigte, ist um so mehr zu betonen, als er hier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/460>, abgerufen am 16.01.2025.