Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.reichs zu verweigern. Aber wenn man sich der großen Bewegung erinnert, reichs zu verweigern. Aber wenn man sich der großen Bewegung erinnert, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0457" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110805"/> <p xml:id="ID_1395" prev="#ID_1394" next="#ID_1396"> reichs zu verweigern. Aber wenn man sich der großen Bewegung erinnert,<lb/> welche die Annexion Savoyens und namentlich die hinterlistige Art. mit der<lb/> sie zuerst verneint und dann bruskirt ward, in England und der Schweiz<lb/> hervorgerufen, so wird man anerkennen, daß es den vereinten Bemühungen<lb/> Englands und Preußens leicht hätte gelingen müssen, den Bundesrath M<lb/> Besetzung der neutralisnten Gebietstheile Savoyens zu bewegen. Und dieser<lb/> Schachzug wäre das einzige wirksame Gegenmittel gegen die napoleonische<lb/> Diplomatie gewesen. So stark war. als die erste Nachricht von der beab¬<lb/> sichtigten Annexion kund wurde, die antibonapartistische Strömung bei Völkern<lb/> und Cabincten, daß Napoleon kaum gewagt haben würde, die Schweizer aus<lb/> Chablais und Faucigny hinauszuwerfen. Allerdings konnten sich England<lb/> und Preußen, wenn sie Napoleon sein Spiel so verleideten, darauf gefaßt<lb/> machen, daß er ihnen dies nicht vergessen würde. Hatte man aber in Berlin<lb/> nicht den Muth, seinem Groll zu trotzen, so war das einzig Richtige, seinem<lb/> Vorhaben offen zuzustimmen, sich dafür aber im eignen Interesse von Frank¬<lb/> reich ein Zugeständniß auszubedingen. das Preußen stärkte. Und zu solchem<lb/> war sein Gebieter bereit; er bot unter der Hand freie Hand in Schleswig-<lb/> Holstein für die Anerkennung der Annexion. Aber man sah darin in Berlin<lb/> nur eine Falle und suchte wieder nach einem Mittelweg. Nach langem Zögern<lb/> machte man einen Versuch zum Proteste, der vollkommen mißlang. Man hatte<lb/> dabei Gelegenheit, den Werth des Breslauer Verbündeten zu erproben,<lb/> indem Fürst Gortschakoff erklärte, er wisse nichts gegen die freiwillige Abtre¬<lb/> tung einer Provinz von Sardinien an Frankreich zu erinnern. Man tröstete<lb/> sich damit, indem man den franzosenfreundlichen Minister von dem Kaiser<lb/> unterschied und brachte nach langem Hin- und Herrathen eine Depesche zu<lb/> Stande, in der Preußens Mißbilligung der Annexion ausgesprochen ward,<lb/> die also wohl den Kaiser Napoleon unangenehm berühren mußte, aber in der<lb/> Sache nichts änderte. Nicht erfolgreicher war die Regierung in Deutschland.<lb/> Ueber die Reform der Bundeskriegsverfassung begann jener unfruchtbare<lb/> Meinungsaustausch und Notenwechsel mit Oestreich und den Würzburgern,<lb/> welchen wir noch bis auf die heutige Stunde fortdauern sehen. In der kur-<lb/> hessischen Frage hatte Herr von Schleime) sich schon der Idee eines ver-<lb/> mittelnden Weges und einer Verständigung mit Oestreich zugeneigt; nur der<lb/> Widerspruch der andern Minister bewog ihn. dem Majoritätsgutachten des<lb/> Bundestagsausschusses durch eine bestimmte Erklärung entgegenzutreten. Als<lb/> dann der Vinckesche Antrag im Abgeordnetenhause zur Verhandlung kam. er¬<lb/> mannte er sich zu einer ziemlich energischen Rede für den preußischen Stand¬<lb/> punkt, in der er aber, wie oben erwähnt, den Vorwurf der Künstlichkeit der<lb/> preußischen Interpretation des Bundesbcschlusses mittelbar zugab und dieselbe<lb/> nur damit vertheidigte, daß sie die einzig mögliche sei. um das Recht mit der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0457]
reichs zu verweigern. Aber wenn man sich der großen Bewegung erinnert,
welche die Annexion Savoyens und namentlich die hinterlistige Art. mit der
sie zuerst verneint und dann bruskirt ward, in England und der Schweiz
hervorgerufen, so wird man anerkennen, daß es den vereinten Bemühungen
Englands und Preußens leicht hätte gelingen müssen, den Bundesrath M
Besetzung der neutralisnten Gebietstheile Savoyens zu bewegen. Und dieser
Schachzug wäre das einzige wirksame Gegenmittel gegen die napoleonische
Diplomatie gewesen. So stark war. als die erste Nachricht von der beab¬
sichtigten Annexion kund wurde, die antibonapartistische Strömung bei Völkern
und Cabincten, daß Napoleon kaum gewagt haben würde, die Schweizer aus
Chablais und Faucigny hinauszuwerfen. Allerdings konnten sich England
und Preußen, wenn sie Napoleon sein Spiel so verleideten, darauf gefaßt
machen, daß er ihnen dies nicht vergessen würde. Hatte man aber in Berlin
nicht den Muth, seinem Groll zu trotzen, so war das einzig Richtige, seinem
Vorhaben offen zuzustimmen, sich dafür aber im eignen Interesse von Frank¬
reich ein Zugeständniß auszubedingen. das Preußen stärkte. Und zu solchem
war sein Gebieter bereit; er bot unter der Hand freie Hand in Schleswig-
Holstein für die Anerkennung der Annexion. Aber man sah darin in Berlin
nur eine Falle und suchte wieder nach einem Mittelweg. Nach langem Zögern
machte man einen Versuch zum Proteste, der vollkommen mißlang. Man hatte
dabei Gelegenheit, den Werth des Breslauer Verbündeten zu erproben,
indem Fürst Gortschakoff erklärte, er wisse nichts gegen die freiwillige Abtre¬
tung einer Provinz von Sardinien an Frankreich zu erinnern. Man tröstete
sich damit, indem man den franzosenfreundlichen Minister von dem Kaiser
unterschied und brachte nach langem Hin- und Herrathen eine Depesche zu
Stande, in der Preußens Mißbilligung der Annexion ausgesprochen ward,
die also wohl den Kaiser Napoleon unangenehm berühren mußte, aber in der
Sache nichts änderte. Nicht erfolgreicher war die Regierung in Deutschland.
Ueber die Reform der Bundeskriegsverfassung begann jener unfruchtbare
Meinungsaustausch und Notenwechsel mit Oestreich und den Würzburgern,
welchen wir noch bis auf die heutige Stunde fortdauern sehen. In der kur-
hessischen Frage hatte Herr von Schleime) sich schon der Idee eines ver-
mittelnden Weges und einer Verständigung mit Oestreich zugeneigt; nur der
Widerspruch der andern Minister bewog ihn. dem Majoritätsgutachten des
Bundestagsausschusses durch eine bestimmte Erklärung entgegenzutreten. Als
dann der Vinckesche Antrag im Abgeordnetenhause zur Verhandlung kam. er¬
mannte er sich zu einer ziemlich energischen Rede für den preußischen Stand¬
punkt, in der er aber, wie oben erwähnt, den Vorwurf der Künstlichkeit der
preußischen Interpretation des Bundesbcschlusses mittelbar zugab und dieselbe
nur damit vertheidigte, daß sie die einzig mögliche sei. um das Recht mit der
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