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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Stock war das Telegraphenbürcau, unten die Hauptwache und die östreichische
Cavallerie-Schwadron. Des Rennens der Ordonnanzen und Offiziere, welche
Meldungen zu machen hatten, war den ganzen Tag kein Aufhören.

Ich selbst war viel unterwegs;" denn bald mußte ich diesen oder jenen
hohen Offizier zum General en chef befehlen, bald den Platzcommandanten.
Trup^eneommandanten, diesen oder jenen Bataillonschef. Die Nacht schlief
ich im Vorzimmer des Generals; er selbst hatte sich um zehn Uhr zu Bett
begeben, nachdem er um neun beim Abendrapport wie gewöhnlich seine
Befehle selbst an die versammelte" Oberoffiziere gegeben hatte. Um el" Uhr
Alarm. Der General war der erste, welcher aufgeweckt durch einige Schüsse
seitens der Schiffe aufsprang und seiue ganze Umgebung durch den Ruf:
"vedout Nessivurs er vos postss" weckte. Die Truppen waren pünktlich auf
ihren Posten; allein umsonst, nach '/- Stunde Feuern war alles ruhig. Diese
Alarmirungen geschahen fast jede Nacht und sollten seitens der Feinde dazu
dienen, unsere Garnison zu ermüden.

Am 17. Gefecht mit den Schiffen von acht Uhr Morgens bis Mittags,
von unserer Seite 13 Todte und Verwundete. Der General machte auf die
im Gefecht begriffenen Forts und Batterien eine Route zu Wagen; ich mußte
aus dem Bocke ihn begleiten, welche Ehre mir oft zu Theil geworden ist. da
er seiner Unkenntniß der deutschen und italienischen Sprache wegen stets Leute
in seiner Umgebung nothwendig hatte, welche im Nothfalle ihm zum Dol¬
metscher dienen konnten.

Er belobte und ermunterte die Truppen, welche wie gewöhnlich sich einen
Spaß machten, die Schiffe zu tractiren. Einen Artilleristen, welcher seines
vorzüglichen Benehmens und seiner Geschicklichkeit wegen ihm recommandirt
wurde, machte er auf der Stelle unter dem Sgusen der feindlichen Riesenspitz-
kugeln zum Offizier, was indessen den Betreffenden nicht abhielt, seinen Play
am Geschütz noch 24 Stunden beizubehalten. Auf einem andern Werke, am
Monte Gardetto ernannte er einen Sergeanten des dort aufgestellten ersten
Jägerbataillons, einen gewissen Frank (gebornen Kölner) wegen bewiesener
Unerschrockenheit im Feuern und bei Ausführung einer sehr gefährlichen Schlcich-
patrouille, sofort zum Offizier. Trotz dem sah ich auch diesen meinen guten
Freund noch acht Tage später mit dem Gewehr in der Hand seinen Dienst
thun; als seine einzige Auszeichnung trug er eine Ofsiziersmütze.

Zu Mittag trat Ruhe ein; ich entfernte mich und ging in der Stadt in
eine Osteria, um zu speisen. Auf dem Wege überzeugte ich mich, daß viele
Kugeln in die Häuser gegangen sein mußten; denn einzelne derselben waren
durchlöchert, an anderen Stellen lagen wieder zertrümmerte Ziegel, Fenster und
Mauerschutt auf den Straßen. Im Speiselokale selbst traf ich viele Soldaten,
welche sich ihre kleinen Erlebnisse mittheilten, wobei natürlich auch Münch-


Stock war das Telegraphenbürcau, unten die Hauptwache und die östreichische
Cavallerie-Schwadron. Des Rennens der Ordonnanzen und Offiziere, welche
Meldungen zu machen hatten, war den ganzen Tag kein Aufhören.

Ich selbst war viel unterwegs;" denn bald mußte ich diesen oder jenen
hohen Offizier zum General en chef befehlen, bald den Platzcommandanten.
Trup^eneommandanten, diesen oder jenen Bataillonschef. Die Nacht schlief
ich im Vorzimmer des Generals; er selbst hatte sich um zehn Uhr zu Bett
begeben, nachdem er um neun beim Abendrapport wie gewöhnlich seine
Befehle selbst an die versammelte» Oberoffiziere gegeben hatte. Um el» Uhr
Alarm. Der General war der erste, welcher aufgeweckt durch einige Schüsse
seitens der Schiffe aufsprang und seiue ganze Umgebung durch den Ruf:
„vedout Nessivurs er vos postss" weckte. Die Truppen waren pünktlich auf
ihren Posten; allein umsonst, nach '/- Stunde Feuern war alles ruhig. Diese
Alarmirungen geschahen fast jede Nacht und sollten seitens der Feinde dazu
dienen, unsere Garnison zu ermüden.

Am 17. Gefecht mit den Schiffen von acht Uhr Morgens bis Mittags,
von unserer Seite 13 Todte und Verwundete. Der General machte auf die
im Gefecht begriffenen Forts und Batterien eine Route zu Wagen; ich mußte
aus dem Bocke ihn begleiten, welche Ehre mir oft zu Theil geworden ist. da
er seiner Unkenntniß der deutschen und italienischen Sprache wegen stets Leute
in seiner Umgebung nothwendig hatte, welche im Nothfalle ihm zum Dol¬
metscher dienen konnten.

Er belobte und ermunterte die Truppen, welche wie gewöhnlich sich einen
Spaß machten, die Schiffe zu tractiren. Einen Artilleristen, welcher seines
vorzüglichen Benehmens und seiner Geschicklichkeit wegen ihm recommandirt
wurde, machte er auf der Stelle unter dem Sgusen der feindlichen Riesenspitz-
kugeln zum Offizier, was indessen den Betreffenden nicht abhielt, seinen Play
am Geschütz noch 24 Stunden beizubehalten. Auf einem andern Werke, am
Monte Gardetto ernannte er einen Sergeanten des dort aufgestellten ersten
Jägerbataillons, einen gewissen Frank (gebornen Kölner) wegen bewiesener
Unerschrockenheit im Feuern und bei Ausführung einer sehr gefährlichen Schlcich-
patrouille, sofort zum Offizier. Trotz dem sah ich auch diesen meinen guten
Freund noch acht Tage später mit dem Gewehr in der Hand seinen Dienst
thun; als seine einzige Auszeichnung trug er eine Ofsiziersmütze.

Zu Mittag trat Ruhe ein; ich entfernte mich und ging in der Stadt in
eine Osteria, um zu speisen. Auf dem Wege überzeugte ich mich, daß viele
Kugeln in die Häuser gegangen sein mußten; denn einzelne derselben waren
durchlöchert, an anderen Stellen lagen wieder zertrümmerte Ziegel, Fenster und
Mauerschutt auf den Straßen. Im Speiselokale selbst traf ich viele Soldaten,
welche sich ihre kleinen Erlebnisse mittheilten, wobei natürlich auch Münch-


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[0422] Stock war das Telegraphenbürcau, unten die Hauptwache und die östreichische Cavallerie-Schwadron. Des Rennens der Ordonnanzen und Offiziere, welche Meldungen zu machen hatten, war den ganzen Tag kein Aufhören. Ich selbst war viel unterwegs;" denn bald mußte ich diesen oder jenen hohen Offizier zum General en chef befehlen, bald den Platzcommandanten. Trup^eneommandanten, diesen oder jenen Bataillonschef. Die Nacht schlief ich im Vorzimmer des Generals; er selbst hatte sich um zehn Uhr zu Bett begeben, nachdem er um neun beim Abendrapport wie gewöhnlich seine Befehle selbst an die versammelte» Oberoffiziere gegeben hatte. Um el» Uhr Alarm. Der General war der erste, welcher aufgeweckt durch einige Schüsse seitens der Schiffe aufsprang und seiue ganze Umgebung durch den Ruf: „vedout Nessivurs er vos postss" weckte. Die Truppen waren pünktlich auf ihren Posten; allein umsonst, nach '/- Stunde Feuern war alles ruhig. Diese Alarmirungen geschahen fast jede Nacht und sollten seitens der Feinde dazu dienen, unsere Garnison zu ermüden. Am 17. Gefecht mit den Schiffen von acht Uhr Morgens bis Mittags, von unserer Seite 13 Todte und Verwundete. Der General machte auf die im Gefecht begriffenen Forts und Batterien eine Route zu Wagen; ich mußte aus dem Bocke ihn begleiten, welche Ehre mir oft zu Theil geworden ist. da er seiner Unkenntniß der deutschen und italienischen Sprache wegen stets Leute in seiner Umgebung nothwendig hatte, welche im Nothfalle ihm zum Dol¬ metscher dienen konnten. Er belobte und ermunterte die Truppen, welche wie gewöhnlich sich einen Spaß machten, die Schiffe zu tractiren. Einen Artilleristen, welcher seines vorzüglichen Benehmens und seiner Geschicklichkeit wegen ihm recommandirt wurde, machte er auf der Stelle unter dem Sgusen der feindlichen Riesenspitz- kugeln zum Offizier, was indessen den Betreffenden nicht abhielt, seinen Play am Geschütz noch 24 Stunden beizubehalten. Auf einem andern Werke, am Monte Gardetto ernannte er einen Sergeanten des dort aufgestellten ersten Jägerbataillons, einen gewissen Frank (gebornen Kölner) wegen bewiesener Unerschrockenheit im Feuern und bei Ausführung einer sehr gefährlichen Schlcich- patrouille, sofort zum Offizier. Trotz dem sah ich auch diesen meinen guten Freund noch acht Tage später mit dem Gewehr in der Hand seinen Dienst thun; als seine einzige Auszeichnung trug er eine Ofsiziersmütze. Zu Mittag trat Ruhe ein; ich entfernte mich und ging in der Stadt in eine Osteria, um zu speisen. Auf dem Wege überzeugte ich mich, daß viele Kugeln in die Häuser gegangen sein mußten; denn einzelne derselben waren durchlöchert, an anderen Stellen lagen wieder zertrümmerte Ziegel, Fenster und Mauerschutt auf den Straßen. Im Speiselokale selbst traf ich viele Soldaten, welche sich ihre kleinen Erlebnisse mittheilten, wobei natürlich auch Münch-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/422>, abgerufen am 16.01.2025.