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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Das Gefecht dauerte von Mittags bis Uhr Nachmittag wo die
Schiffe verstummten und südwärts dampften. Wir alle hatten das Gefühl
von Siegern in der Brust, und als uns von der Kaserne die dampfende
Nachmittagssuppe gebracht wurde, schmeckte sie Allen besser als gewöhnlich.

Da wurden wir aufs Neue aufgeschreckt, aber diesmal durch ein nicht
enden wollendes Hurrah, welches sich auf der vor uns liegenden Lünette hören
ließ. Da wir den Grund nicht kannten, stiegen wir auf die Mauer und sa¬
hen in einiger Entfernung den Generalstab der Armee, an der Spitze Gene¬
ral Lamoricivre, von der Höhe herunterkommen, bei dem rechts von uns ge¬
legenen Campo trincerato vorbei, wo ebenfalls die Besatzung auf den Wällen
stehend ihr "vive I^moi'ieiöi'ö" in verschiedenen Sprachen hören ließ, gegen
uns zu. Auch wir riefen aus vollem Herzen "Es lebe Lamoriciöre, es lebe
Pius der Neunte." Er zog unter endlosem Jubel des Militärs in die Stadt
ein. Daß heute die Schlacht vou Castelfidardo verloren war, wußten wir
noch nicht, eben so wenig, daß hinter ihm keine Truppen mehr kommen wür¬
den. Als wir es erfuhren, blieb uns wenigstens der Trost, nun einen Führer
zu haben, dessen Mangel den Intelligenteren von uns bereits fühlbar wurde.
Kaum war er im Delegationspalaste abgestiegen, als aufs Neue der Kampf
mit den rückkehrenden Schiffen begann. Die Kanoniere hatten.ihre Werke be¬
reits verlassen, um in der Stadt sich ein wenig mit Brod und Wein zu stär¬
ken; erst nachdem schon zehn Minuten lang von den Schiffen gefeuert worden
war, begannen die Unsrigen das Feuer mit gleichem Erfolge wie zuvor zu
beantworten. Um sechs Uhr war Ruhe. Der Feind sollte 120 Todte und
Verwundete haben, wir hatten deren 10--12. Wir rückten in die Kasernen
ein, in welche einzelne Kugeln, ohne großen Schaden zu thun, gefallen waren.
Die Bürgerschaft begann sich wieder auf den Straßen zu zeigen, nachdem den
ganze" Nachmittag jeder Laden, jedes Fenster geschlossen gewesen. Man sprach
von einem zwischen General Lamoriciöre und Bice-Admiral Persano abgeschlos¬
senen Waffenstillstands Gegen Abend kamen einzelne Jnfanteristen von ver¬
schiedenen Bataillonen vom Schlachtfelde an, desgleichen zwei Geschütze Artillerie, >
eine Kriegskasse und die Fahne des ersten Fremdenregiments. Von ihnen er-
fuhren wir die Details von Castelfidardo. -- In der Nacht Allarm, der sich
diesmal jedoch als falsch herausstellte.

Am Tage darauf, am 15. September, sahen wir die Flotte in großer Ent¬
fernung in Linie stehen und die Blokade beobachten. Die Nachricht von
einem 48 stündigen Waffenstillstand bestätigte sich. Daß derselbe jedoch kein
Vorbote des Friedens sei, bewiesen uns die Tagesbefehle des Generals L"-
moricivre die sofortige Bildung einer Genie-Hilfs-Compagnie betreffend, jv-
wie die Fortsetzung der Verrammlung an den Thoren. --

Jetzt sahen wir von den hochgelegenen Festungswerken aus die Zeltlager


Das Gefecht dauerte von Mittags bis Uhr Nachmittag wo die
Schiffe verstummten und südwärts dampften. Wir alle hatten das Gefühl
von Siegern in der Brust, und als uns von der Kaserne die dampfende
Nachmittagssuppe gebracht wurde, schmeckte sie Allen besser als gewöhnlich.

Da wurden wir aufs Neue aufgeschreckt, aber diesmal durch ein nicht
enden wollendes Hurrah, welches sich auf der vor uns liegenden Lünette hören
ließ. Da wir den Grund nicht kannten, stiegen wir auf die Mauer und sa¬
hen in einiger Entfernung den Generalstab der Armee, an der Spitze Gene¬
ral Lamoricivre, von der Höhe herunterkommen, bei dem rechts von uns ge¬
legenen Campo trincerato vorbei, wo ebenfalls die Besatzung auf den Wällen
stehend ihr „vive I^moi'ieiöi'ö" in verschiedenen Sprachen hören ließ, gegen
uns zu. Auch wir riefen aus vollem Herzen „Es lebe Lamoriciöre, es lebe
Pius der Neunte." Er zog unter endlosem Jubel des Militärs in die Stadt
ein. Daß heute die Schlacht vou Castelfidardo verloren war, wußten wir
noch nicht, eben so wenig, daß hinter ihm keine Truppen mehr kommen wür¬
den. Als wir es erfuhren, blieb uns wenigstens der Trost, nun einen Führer
zu haben, dessen Mangel den Intelligenteren von uns bereits fühlbar wurde.
Kaum war er im Delegationspalaste abgestiegen, als aufs Neue der Kampf
mit den rückkehrenden Schiffen begann. Die Kanoniere hatten.ihre Werke be¬
reits verlassen, um in der Stadt sich ein wenig mit Brod und Wein zu stär¬
ken; erst nachdem schon zehn Minuten lang von den Schiffen gefeuert worden
war, begannen die Unsrigen das Feuer mit gleichem Erfolge wie zuvor zu
beantworten. Um sechs Uhr war Ruhe. Der Feind sollte 120 Todte und
Verwundete haben, wir hatten deren 10—12. Wir rückten in die Kasernen
ein, in welche einzelne Kugeln, ohne großen Schaden zu thun, gefallen waren.
Die Bürgerschaft begann sich wieder auf den Straßen zu zeigen, nachdem den
ganze» Nachmittag jeder Laden, jedes Fenster geschlossen gewesen. Man sprach
von einem zwischen General Lamoriciöre und Bice-Admiral Persano abgeschlos¬
senen Waffenstillstands Gegen Abend kamen einzelne Jnfanteristen von ver¬
schiedenen Bataillonen vom Schlachtfelde an, desgleichen zwei Geschütze Artillerie, >
eine Kriegskasse und die Fahne des ersten Fremdenregiments. Von ihnen er-
fuhren wir die Details von Castelfidardo. — In der Nacht Allarm, der sich
diesmal jedoch als falsch herausstellte.

Am Tage darauf, am 15. September, sahen wir die Flotte in großer Ent¬
fernung in Linie stehen und die Blokade beobachten. Die Nachricht von
einem 48 stündigen Waffenstillstand bestätigte sich. Daß derselbe jedoch kein
Vorbote des Friedens sei, bewiesen uns die Tagesbefehle des Generals L"-
moricivre die sofortige Bildung einer Genie-Hilfs-Compagnie betreffend, jv-
wie die Fortsetzung der Verrammlung an den Thoren. —

Jetzt sahen wir von den hochgelegenen Festungswerken aus die Zeltlager


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/420>, abgerufen am 15.01.2025.