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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Bachus mehr als gewöhnlich, fingen Streitigkeiten mit Bürgern an. welche
damals weniger als je am Platze waren, und beobachteten wenig die
militärische Disciplin und Subordination. In der That, es wäre der
Bürgerschaft leicht gewesen, sie zu überfallen und niederzumachen, aber Dank
den Kanonen der Festungswerke, welche vom Castell herabdrohtcn, wagte man
es nicht.

Dabei hatte man die unverzeihliche Thorheit begangen, sämmtliche
Klcidcrmagazine. Wäschvorräthe und Rechnungsregister der einzelnen Corps
in das sogenannte Lazarett) (auch Wassercastell genannt) bringen zu lassen,
welches eine Art Defcnsionscaserne außerhalb des nördlichen Thores (der Porta
Pia) bildet und, neu Hafen gelegen, mit dem Thore durch eine Zugbrücke ver¬
bunden ist. Da dieses Werk isolirt liegt und durch die Verbarrikadirung des
Thors von jeder Verbindung abgeschnitten war. man übrigens keine Garni¬
son darin ließ, so hieß dies Verfahren nichts Anderes, als diese ärarischcn
Gegenstände muthwillig der Vernichtung oder dem Feindepreisgeben, welcher,
außerdem noch Gelegenheit nehmen konnte, sich darin fest zusetzen und ge¬
gen die Nordseite der Stadtbefestigung mit Kleingewehrfeuer wirksam zu
operiren.

Am 14. war ich von Morgens früh an beschäftigt, von der Compagnie
Erdsäckc füllen und mit denselben die noch nicht fertige Barrikade an der
Porta Pia nach den Regeln der passageren Befestigungskunst vollenden
zu lassen; die Schiffe, fortwährend in Sicht, fingen gegen Mittag anzudam¬
pfen und näher zu kommen. Da ertönte der Generalmarsch. Die Bürger
rannten nach Hause, die Soldaten nach ihren respectiven Kasernen; meine
Compagnie ließ ihr Handwerkszeug liegen und begab sich ebenfalls schnell
nach ihrer Caserne. Dort machte man sich fertig, lud die Gewehre, und eine
jede Abtheilung rückte auf den ihr angewiesenen Platz. Jetzt vernahmen wir
die ersten Kanonenschüsse. Es waren fünf von den Schiffen, welche gleichsam
zur Begrüßung von Norden nach Süden fahrend, mit der Hafenbatterie und
den Batterien von Monte Marano. Monte Capuccino und Monte Gardetto
Schüsse wechselten, an welche sich endlich die entfernte Lünette auch noch an¬
schloß. -- Ueber den Kampf mit den piemontesischen Schiffen, welcher sich
während der Belagerung vom 14.--29. September öfters wiederholte und
dessen Charakter sich fast stets gleich blieb, nur einige Skizzen.

Das Geschwader hatte an Bord gezogne Kanonen und zwar von grö߬
tem Kaliber; ihre Tragfähigkeit war mehr als eine halbe deutsche Meile. Sie
fingen den Kampf in der Regel in großer Entfernung an. Unsere Artillerie
benahm sich fast durchgehends sehr wacker. An jedem Geschütz befanden sich
durchschnittlich drei Oestreicher und ein Italiener. Da jedoch die Kanoniere
zur Bedienung sämmtlicher Stücke, deren Anzahl in der letzten Zeit sehr ver


Bachus mehr als gewöhnlich, fingen Streitigkeiten mit Bürgern an. welche
damals weniger als je am Platze waren, und beobachteten wenig die
militärische Disciplin und Subordination. In der That, es wäre der
Bürgerschaft leicht gewesen, sie zu überfallen und niederzumachen, aber Dank
den Kanonen der Festungswerke, welche vom Castell herabdrohtcn, wagte man
es nicht.

Dabei hatte man die unverzeihliche Thorheit begangen, sämmtliche
Klcidcrmagazine. Wäschvorräthe und Rechnungsregister der einzelnen Corps
in das sogenannte Lazarett) (auch Wassercastell genannt) bringen zu lassen,
welches eine Art Defcnsionscaserne außerhalb des nördlichen Thores (der Porta
Pia) bildet und, neu Hafen gelegen, mit dem Thore durch eine Zugbrücke ver¬
bunden ist. Da dieses Werk isolirt liegt und durch die Verbarrikadirung des
Thors von jeder Verbindung abgeschnitten war. man übrigens keine Garni¬
son darin ließ, so hieß dies Verfahren nichts Anderes, als diese ärarischcn
Gegenstände muthwillig der Vernichtung oder dem Feindepreisgeben, welcher,
außerdem noch Gelegenheit nehmen konnte, sich darin fest zusetzen und ge¬
gen die Nordseite der Stadtbefestigung mit Kleingewehrfeuer wirksam zu
operiren.

Am 14. war ich von Morgens früh an beschäftigt, von der Compagnie
Erdsäckc füllen und mit denselben die noch nicht fertige Barrikade an der
Porta Pia nach den Regeln der passageren Befestigungskunst vollenden
zu lassen; die Schiffe, fortwährend in Sicht, fingen gegen Mittag anzudam¬
pfen und näher zu kommen. Da ertönte der Generalmarsch. Die Bürger
rannten nach Hause, die Soldaten nach ihren respectiven Kasernen; meine
Compagnie ließ ihr Handwerkszeug liegen und begab sich ebenfalls schnell
nach ihrer Caserne. Dort machte man sich fertig, lud die Gewehre, und eine
jede Abtheilung rückte auf den ihr angewiesenen Platz. Jetzt vernahmen wir
die ersten Kanonenschüsse. Es waren fünf von den Schiffen, welche gleichsam
zur Begrüßung von Norden nach Süden fahrend, mit der Hafenbatterie und
den Batterien von Monte Marano. Monte Capuccino und Monte Gardetto
Schüsse wechselten, an welche sich endlich die entfernte Lünette auch noch an¬
schloß. — Ueber den Kampf mit den piemontesischen Schiffen, welcher sich
während der Belagerung vom 14.—29. September öfters wiederholte und
dessen Charakter sich fast stets gleich blieb, nur einige Skizzen.

Das Geschwader hatte an Bord gezogne Kanonen und zwar von grö߬
tem Kaliber; ihre Tragfähigkeit war mehr als eine halbe deutsche Meile. Sie
fingen den Kampf in der Regel in großer Entfernung an. Unsere Artillerie
benahm sich fast durchgehends sehr wacker. An jedem Geschütz befanden sich
durchschnittlich drei Oestreicher und ein Italiener. Da jedoch die Kanoniere
zur Bedienung sämmtlicher Stücke, deren Anzahl in der letzten Zeit sehr ver


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[0418] Bachus mehr als gewöhnlich, fingen Streitigkeiten mit Bürgern an. welche damals weniger als je am Platze waren, und beobachteten wenig die militärische Disciplin und Subordination. In der That, es wäre der Bürgerschaft leicht gewesen, sie zu überfallen und niederzumachen, aber Dank den Kanonen der Festungswerke, welche vom Castell herabdrohtcn, wagte man es nicht. Dabei hatte man die unverzeihliche Thorheit begangen, sämmtliche Klcidcrmagazine. Wäschvorräthe und Rechnungsregister der einzelnen Corps in das sogenannte Lazarett) (auch Wassercastell genannt) bringen zu lassen, welches eine Art Defcnsionscaserne außerhalb des nördlichen Thores (der Porta Pia) bildet und, neu Hafen gelegen, mit dem Thore durch eine Zugbrücke ver¬ bunden ist. Da dieses Werk isolirt liegt und durch die Verbarrikadirung des Thors von jeder Verbindung abgeschnitten war. man übrigens keine Garni¬ son darin ließ, so hieß dies Verfahren nichts Anderes, als diese ärarischcn Gegenstände muthwillig der Vernichtung oder dem Feindepreisgeben, welcher, außerdem noch Gelegenheit nehmen konnte, sich darin fest zusetzen und ge¬ gen die Nordseite der Stadtbefestigung mit Kleingewehrfeuer wirksam zu operiren. Am 14. war ich von Morgens früh an beschäftigt, von der Compagnie Erdsäckc füllen und mit denselben die noch nicht fertige Barrikade an der Porta Pia nach den Regeln der passageren Befestigungskunst vollenden zu lassen; die Schiffe, fortwährend in Sicht, fingen gegen Mittag anzudam¬ pfen und näher zu kommen. Da ertönte der Generalmarsch. Die Bürger rannten nach Hause, die Soldaten nach ihren respectiven Kasernen; meine Compagnie ließ ihr Handwerkszeug liegen und begab sich ebenfalls schnell nach ihrer Caserne. Dort machte man sich fertig, lud die Gewehre, und eine jede Abtheilung rückte auf den ihr angewiesenen Platz. Jetzt vernahmen wir die ersten Kanonenschüsse. Es waren fünf von den Schiffen, welche gleichsam zur Begrüßung von Norden nach Süden fahrend, mit der Hafenbatterie und den Batterien von Monte Marano. Monte Capuccino und Monte Gardetto Schüsse wechselten, an welche sich endlich die entfernte Lünette auch noch an¬ schloß. — Ueber den Kampf mit den piemontesischen Schiffen, welcher sich während der Belagerung vom 14.—29. September öfters wiederholte und dessen Charakter sich fast stets gleich blieb, nur einige Skizzen. Das Geschwader hatte an Bord gezogne Kanonen und zwar von grö߬ tem Kaliber; ihre Tragfähigkeit war mehr als eine halbe deutsche Meile. Sie fingen den Kampf in der Regel in großer Entfernung an. Unsere Artillerie benahm sich fast durchgehends sehr wacker. An jedem Geschütz befanden sich durchschnittlich drei Oestreicher und ein Italiener. Da jedoch die Kanoniere zur Bedienung sämmtlicher Stücke, deren Anzahl in der letzten Zeit sehr ver

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/418>, abgerufen am 16.01.2025.