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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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trennen, er muß deshalb, wenn dieser seine Kraft noch mehr entwickelt hat
und, zum vollen Bewußtsein dieser Kraft gelangt, dieselbe mit Nachdruck zu
gebrauchen anfängt, mehr und mehr nachgeben, zunächst in Betreff des Ge¬
setzes wegen Wicdereinfnngung flüchtiger Sklaven auf dem Gebiet der freien
Staaten. Die Gefahr, welche der Sklaverei droht, kommt nicht sowol von
Norden, als davon, daß nicht blos dieser, sondern auch der Süden von der
modernen Entwicklung ergriffen worden ist. Dies gilt namentlich von den
nördlichen Sklavenstaate"-. Delaware, Maryland, Birginien, Kentucky, Ten-
nessee und Missouri. Die Sklaverei rentirt dort fast nur noch als Sklaven¬
zucht. Ist einmal durch Erweiterung. der freien Zone vom Eriesee bis an
den Ohio und Missisippi die Sicherheit des Sklaveneigenthums aufgehoben,
so muß auch die Sklavenzucht in diesen Staaten ihre Einträglichkeit verlieren,
und dieselben werden ihre sämmtlichen Sklaven verkaufen. Sind dann die
Plätze der letztern mit freien Arbeitern besetzt, so erneuert sich der alte Gegen¬
satz zwischen Süden und Norden an einer andern Grenzlinie, nur hat die
Sklavenhalterpartei dann die Stimmen und die Kräfte von sechs ihrer mäch¬
tigsten Bundesgenossen verloren.

Aber selbst der tiefe Süden hat sich dem Einfluß der modernen Entwick¬
lung nicht ganz entziehen können. Man mußte Eisenbahnen anlegen und
den Verkehr auf den Flüssen durch Dampfschiffe vermitteln lassen, schon der
Baumwollencultur wegen. Damit nahm man aber auch die dem Sklaven-
thum feindlichen Wirkungen dieser Verkehrsmittel in den Kauf. Schon machen
die Eisenbahnen ihren Einfluß auf das Wachsthum der Städte geltend. Nich-
Mond. Savannah, Charleston, besonders aber Nashville und Memphis haben
in den letzten Jahren gegen früher außerordeutlich zugenommen. Und mit
der Ansammlung der freien Bevölkerung in den Städten ist auch die industrielle
Entwicklung der südlichen Staaten rascher vorwärts geschritten. Selbst der
Haß der Sklavenhalter gegen den Norden ist ihr förderlich. Sie tragen, in¬
dem sie in dem Bestreben, sich vom Norden commerziell unabhängig zu machen,
Fabriken anlegen, den Feind ins eigne Land hinein. Die industriellen Unter¬
nehmungen des Südens sind nur insoweit erfolgreich gewesen, als sie sich auf
Anfertigung der rohesten Erzeugnisse und Benutzung der überwiegenden natür¬
lichen Bordseite des Landes beschränkten. Weder die schwarze noch die arme
Weiße Bevölkerung desselben liefert gute Fabrikarbeiter. Der Negersklave darf,
wenn er dem xseuliar institues nicht gefährlich werden soll, nur ausnahms¬
weise ausgebildet und nicht in Städten concentrirt werden. Der freie Weiße
der Sklavenstaaten steht, soweit er nicht zu der Sklavenhalteraristokratie ge¬
hört, durchgehends aus einer wenig höhern Stufe der Entwicklung, als der
Sklave. So ist denn der Süden sogar hinsichtlich seiner Fabrikarbeiter gro-


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trennen, er muß deshalb, wenn dieser seine Kraft noch mehr entwickelt hat
und, zum vollen Bewußtsein dieser Kraft gelangt, dieselbe mit Nachdruck zu
gebrauchen anfängt, mehr und mehr nachgeben, zunächst in Betreff des Ge¬
setzes wegen Wicdereinfnngung flüchtiger Sklaven auf dem Gebiet der freien
Staaten. Die Gefahr, welche der Sklaverei droht, kommt nicht sowol von
Norden, als davon, daß nicht blos dieser, sondern auch der Süden von der
modernen Entwicklung ergriffen worden ist. Dies gilt namentlich von den
nördlichen Sklavenstaate»-. Delaware, Maryland, Birginien, Kentucky, Ten-
nessee und Missouri. Die Sklaverei rentirt dort fast nur noch als Sklaven¬
zucht. Ist einmal durch Erweiterung. der freien Zone vom Eriesee bis an
den Ohio und Missisippi die Sicherheit des Sklaveneigenthums aufgehoben,
so muß auch die Sklavenzucht in diesen Staaten ihre Einträglichkeit verlieren,
und dieselben werden ihre sämmtlichen Sklaven verkaufen. Sind dann die
Plätze der letztern mit freien Arbeitern besetzt, so erneuert sich der alte Gegen¬
satz zwischen Süden und Norden an einer andern Grenzlinie, nur hat die
Sklavenhalterpartei dann die Stimmen und die Kräfte von sechs ihrer mäch¬
tigsten Bundesgenossen verloren.

Aber selbst der tiefe Süden hat sich dem Einfluß der modernen Entwick¬
lung nicht ganz entziehen können. Man mußte Eisenbahnen anlegen und
den Verkehr auf den Flüssen durch Dampfschiffe vermitteln lassen, schon der
Baumwollencultur wegen. Damit nahm man aber auch die dem Sklaven-
thum feindlichen Wirkungen dieser Verkehrsmittel in den Kauf. Schon machen
die Eisenbahnen ihren Einfluß auf das Wachsthum der Städte geltend. Nich-
Mond. Savannah, Charleston, besonders aber Nashville und Memphis haben
in den letzten Jahren gegen früher außerordeutlich zugenommen. Und mit
der Ansammlung der freien Bevölkerung in den Städten ist auch die industrielle
Entwicklung der südlichen Staaten rascher vorwärts geschritten. Selbst der
Haß der Sklavenhalter gegen den Norden ist ihr förderlich. Sie tragen, in¬
dem sie in dem Bestreben, sich vom Norden commerziell unabhängig zu machen,
Fabriken anlegen, den Feind ins eigne Land hinein. Die industriellen Unter¬
nehmungen des Südens sind nur insoweit erfolgreich gewesen, als sie sich auf
Anfertigung der rohesten Erzeugnisse und Benutzung der überwiegenden natür¬
lichen Bordseite des Landes beschränkten. Weder die schwarze noch die arme
Weiße Bevölkerung desselben liefert gute Fabrikarbeiter. Der Negersklave darf,
wenn er dem xseuliar institues nicht gefährlich werden soll, nur ausnahms¬
weise ausgebildet und nicht in Städten concentrirt werden. Der freie Weiße
der Sklavenstaaten steht, soweit er nicht zu der Sklavenhalteraristokratie ge¬
hört, durchgehends aus einer wenig höhern Stufe der Entwicklung, als der
Sklave. So ist denn der Süden sogar hinsichtlich seiner Fabrikarbeiter gro-


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[0405] trennen, er muß deshalb, wenn dieser seine Kraft noch mehr entwickelt hat und, zum vollen Bewußtsein dieser Kraft gelangt, dieselbe mit Nachdruck zu gebrauchen anfängt, mehr und mehr nachgeben, zunächst in Betreff des Ge¬ setzes wegen Wicdereinfnngung flüchtiger Sklaven auf dem Gebiet der freien Staaten. Die Gefahr, welche der Sklaverei droht, kommt nicht sowol von Norden, als davon, daß nicht blos dieser, sondern auch der Süden von der modernen Entwicklung ergriffen worden ist. Dies gilt namentlich von den nördlichen Sklavenstaate»-. Delaware, Maryland, Birginien, Kentucky, Ten- nessee und Missouri. Die Sklaverei rentirt dort fast nur noch als Sklaven¬ zucht. Ist einmal durch Erweiterung. der freien Zone vom Eriesee bis an den Ohio und Missisippi die Sicherheit des Sklaveneigenthums aufgehoben, so muß auch die Sklavenzucht in diesen Staaten ihre Einträglichkeit verlieren, und dieselben werden ihre sämmtlichen Sklaven verkaufen. Sind dann die Plätze der letztern mit freien Arbeitern besetzt, so erneuert sich der alte Gegen¬ satz zwischen Süden und Norden an einer andern Grenzlinie, nur hat die Sklavenhalterpartei dann die Stimmen und die Kräfte von sechs ihrer mäch¬ tigsten Bundesgenossen verloren. Aber selbst der tiefe Süden hat sich dem Einfluß der modernen Entwick¬ lung nicht ganz entziehen können. Man mußte Eisenbahnen anlegen und den Verkehr auf den Flüssen durch Dampfschiffe vermitteln lassen, schon der Baumwollencultur wegen. Damit nahm man aber auch die dem Sklaven- thum feindlichen Wirkungen dieser Verkehrsmittel in den Kauf. Schon machen die Eisenbahnen ihren Einfluß auf das Wachsthum der Städte geltend. Nich- Mond. Savannah, Charleston, besonders aber Nashville und Memphis haben in den letzten Jahren gegen früher außerordeutlich zugenommen. Und mit der Ansammlung der freien Bevölkerung in den Städten ist auch die industrielle Entwicklung der südlichen Staaten rascher vorwärts geschritten. Selbst der Haß der Sklavenhalter gegen den Norden ist ihr förderlich. Sie tragen, in¬ dem sie in dem Bestreben, sich vom Norden commerziell unabhängig zu machen, Fabriken anlegen, den Feind ins eigne Land hinein. Die industriellen Unter¬ nehmungen des Südens sind nur insoweit erfolgreich gewesen, als sie sich auf Anfertigung der rohesten Erzeugnisse und Benutzung der überwiegenden natür¬ lichen Bordseite des Landes beschränkten. Weder die schwarze noch die arme Weiße Bevölkerung desselben liefert gute Fabrikarbeiter. Der Negersklave darf, wenn er dem xseuliar institues nicht gefährlich werden soll, nur ausnahms¬ weise ausgebildet und nicht in Städten concentrirt werden. Der freie Weiße der Sklavenstaaten steht, soweit er nicht zu der Sklavenhalteraristokratie ge¬ hört, durchgehends aus einer wenig höhern Stufe der Entwicklung, als der Sklave. So ist denn der Süden sogar hinsichtlich seiner Fabrikarbeiter gro- Grenzboten IV. 1S60. 50

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/405>, abgerufen am 15.01.2025.